Israels Kriege gehen weiter
Gaza und Jemen unter Bomben. Im besetzten Westjordanland werden Tausende Olivenbäume entwurzelt
Die Regierung Netanjahu ist im Krieg gegen Palästina, gegen die arabischen Nachbarstaaten. Israels Premierminister Netanjahu ignoriert Kritik aus aller Welt an seinem Vorgehen ebenso wie die Kritik aus der eigenen Bevölkerung, von der Opposition und von zahlreichen ehemaligen Armee- und Geheimdienstoffizieren. Eyal Zamir, der Oberkommandierende der israelischen Streitkräfte erklärt, die Voraussetzungen für den nächsten Gefangenenaustausch seien geschaffen, die Regierung müsse jetzt auf die Zusage der Hamas-Delegation reagieren.
Eine Delegation der Hamas wartet seit mehr als einer Woche in Kairo auf eine Reaktion der Netanjahu-Regierung. Berichten zufolge sei auf die Hamas-Delegation seitens Katar und Ägypten »Druck ausgeübt« worden, damit sie nicht wieder abreise, weil es aus Israel bisher keine offizielle Antwort gab. General Eyal Zamir hatte Netanjahu bereits vor Tagen mitgeteilt, die Armee habe »die Bedingungen für die Freilassung der Geiseln« hergestellt, nun müsse die Regierung reagieren. Die neuen militärischen Angriffe auf die Stadt Gaza und die umliegenden Flüchtlingslager werden massiv fortgesetzt, obwohl Zamir wiederholt seine Bedenken vorgebracht hatte. Nach seiner Auffassung, die auch Netanjahu mitteilte, werde das Leben der Geiseln durch die Offensive gefährdet.
Hamas stimmt Abkommen zu – Netanjahu verzögert
Das Forum der Familien der Geiseln und Vermißten erklärte, »ein Abkommen liegt auf dem Tisch, es muß angenommen werden«. Mit Massenprotesten und landesweiten Streikaktionen versuchen die Angehörigen der israelischen Gefangenen den Druck auf die Netanjahu-Regierung zu erhöhen. Am vergangenen Wochenende versammelten sich erneut Hunderttausende, um die Protesten vom vorherigen Wochenende fortzusetzen, bei denen mehr als eine Millionen Demonstranten gegen die Haltung der Regierung auf die Straße gegangen waren.
Der landesweite Streik soll am heutigen Dienstag mit der Blockade von wichtigen Verbindungsstraßen und Kreuzungen fortgesetzt werden. Am Abend wollen sich die Demonstranten auf dem »Platz der Geiseln« in Tel Aviv versammeln, um die sofortige Freilassung der Gefangenen, eine Waffenruhe und weitere Verhandlungen zu fordern. Unternehmen, Universitäten und andere Institutionen haben dazu aufgerufen, sich den Familien anzuschließen. Die Regierung müsse den Krieg beenden, damit alle der noch verbliebenen israelischen Gefangenen aus Gaza zurückkehren könnten.
Bis Redaktionsschluß dieser Ausgabe wurde jedoch nicht bekannt, daß Netanjahu irgendein Verhandlungsteam nach Kairo schicken werde, der Regierungschef zögert diplomatische Entscheidungen hinaus. Stattdessen ließ der Premier und oberste Kriegsherr am Sonntag die jemenitische Hauptstadt Sanaa bombardieren. Sechs Tote und mindestens 86 Verletzte wurden am Montagmorgen gemeldet. Das Haziz-Elektrizitätswerk, in direkter Nähe zur Jemenitischen Ölgesellschaft ging in Flammen auf. Nach israelischer Darstellung handelte es sich um einen »Vergeltungsangriff« für eine (!)Boden-Boden-Rakete, die angeblich aus dem Jemen und nach israelischen Angaben mit Streubombenmunition auf Israel abgeschossen worden sei. Das »jemenitische Regime« werde vom Iran unterstützt, hieß es in einer Erklärung der Israelischen Streitkräfte.
Der Angriff auf Sanaa soll von der israelischen Marine ausgeführt worden sein. Die jemenitische Armee meldete, Abwehrfeuer habe israelische Kampfjets aus dem jemenitischen Luftraum vertrieben.
Angriff auf Krankenhaus tötet erneut Journalisten
Im Gazastreifen wird weiterhin ununterbrochen bombardiert. Am Montag griff die israelische Armee erneut im Süden des palästinensischen Küstenstreifens an. Mindestens 19 Menschen wurden getötet, darunter vier Journalisten des katarischen Nachrichtensenders Al Jazeera und der Nachrichtenagentur Reuters. Berichten zufolge war das Nasser-Krankenhaus in Khan Younis Ziel von zwei Angriffen der israelischen Armee. Der zweite Angriff erfolgte kurz nach dem ersten, zu einem Zeitpunkt, als Rettungskräfte, Journalisten und Anwohner zu der Klinik geeilt war.
Der getötete Kameramann Hussam al-Masri war als freier Mitarbeiter für Reuters tätig. Die Live-Videoübertragung von Reuters aus dem Krankenhaus, die von Al-Masri bedient wurde, brach zum Zeitpunkt des ersten Angriffs abrupt ab. Der Fotograf Hatem Khaled, ebenfalls ein freier Mitarbeiter von Reuters, wurde bei dem Angriff verletzt. Al Jazeera bestätigte den Tod von drei Journalisten: die 33-jährige Reporterin Mariam Abu Dagga, die für Al Jazeera, für den »Independent« (Arabisch) und für AP arbeitete, die Al Jazeera Fotografen Mohammed Salama und Moaz Abu Taha, der auch für NBC Network gearbeitet hatte. Alle Journalisten befanden sich im 4. Stock des Krankenhauses, von wo sie berichteten, als der erste Angriff sie – offenbar gezielt – tötete. Auch ein Rettungssanitäter wurde getötet.
Am Samstag berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA, daß Chaled al-Madhoun, ein Reporter des palästinensischen Fernsehens, in der Nähe des Warenübergangs Zikim tödlich durch Schüsse getroffen worden war. Laut einem Augenzeugen der Agentur handelte es sich um einen gezielten Angriff auf den Journalisten. Der palästinensische Journalistenverband sprach von einer »fortwährenden israelischen Kampagne gegen Journalisten, deren Ziel es ist, die palästinensischen Schilderungen zum Schweigen zu bringen«.
Nach Angaben der palästinensischen Journalistengewerkschaft wurden seit dem 7. Oktober 2023 mindestens 240 palästinensische Journalisten und Medienarbeiter bei israelischen Angriffen getötet worden.
Bis zum 7. Oktober 2025 soll die israelische Armee Gaza Stadt kontrollieren. Die mehr als 1 Millionen Einwohner der Stadt sollen bis dahin in den Süden des Landes vertrieben sein. Um die Reihen der Armee wieder aufzufüllen und die gefallenen, verletzten, traumatisierten und desertierten Soldaten zu ersetzen, hat die Israelische Armee 60.000 Einberufungsbefehle an Reservisten verschickt.
Israels Armee zerstört palästinensisches Eigentum
Auch im besetzten Westjordanland geht die israelische Armee an der Seite extremistischer Siedler gegen Palästinenser und ihr Eigentum vor. Unweit von Ramallah, bei dem Dorf Al Mughayyir, hat die israelische Armee mehr als 3.000 Olivenbäume entwurzelt. Der Befehl lautete demnach, alle Bäume auf einem bestimmten Gebiet in der Nachbarschaft des Dorfes zu entfernen. Die Bäume stellten angeblich »eine Sicherheitsbedrohung« für eine Straße dar, die durch das palästinensische Dorf in eine nahe gelegene israelische Siedlung führt. Israelische Soldaten hatten am frühen Morgen mehr als 30 Häuser der rund 4.000 Einwohner gestürmt und Eigentum und Fahrzeuge der Bewohner zerstört.
Während der Zerstörung der Olivenbäume wurde über den Ort eine Ausgangssperre verhängt. Marzouq Abu Naim, stellvertretender Vorsitzenden des Lokalrates von Al Mughayyir, erklärte gegenüber Journalisten der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA, diese Art von Gewalt durchziehe das gesamte besetzte Westjordanland. Im Schatten des Gaza-Krieges werde nur wenig darüber berichtet.
Gaza-Tribunal fordert bewaffneten Schutz für Palästina
Das Gaza-Tribunal hat am Montag bei einer Pressekonferenz in Istanbul eine »sofortige internationale bewaffnete Intervention« gefordert, die von der UNO-Generalversammlung autorisiert werden müsse. Das sei die einzige Möglichkeit, die Blockade des UNO-Sicherheitsrates durch die USA zu umgehen, um den Völkermord Israels an der Bevölkerung des palästinensischen Gazastreifens zu stoppen. Man sehe »die mörderischste Phase des Völkermordes«, sagte Richard Falk, Präsident des Gaza-Tribunals. Nichts zu tun, wäre »ein historisches Versagen der Menschheit«.
Richard Falk, der lange Jahre UNO-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte in den besetzten palästinensischen Gebieten war, erklärte, wer angesichts des Völkermordes schweige, mache sich mitschuldig. »Wenn wir nicht endlich ernsthafte und drastische Maßnahmen ergreifen, wird alles, was moderat versucht wird, zu spät sein«, sagte er. »Es wird zu spät sein, um die Überlebenden zu retten, die bereits in den mehr als 22 Monaten des Völkermordes traumatisiert wurden.«