Ukrainische Fremdenlegionäre drängen an die Heimatfront
Frankreich fürchtet Vorwurf der Beteiligung am Konflikt
Frankreich hat ein Problem mit ukrainischen Fremdenlegionären, die es in die Heimat zieht, um dort gegen die russische Invasion zu kämpfen. Darauf wurden die Militärbehörden aufmerksam, als in der vergangenen Woche in Paris bei einer Kontrolle von Fahrgästen eines Busses in Richtung Polen 14 ukrainische Fremdenlegionäre ohne gültige Ausreisepapiere angetroffen und vorläufig festgenommen wurden.
Die Kontrolle durch eine gemeinsame Streife von Polizisten und Militärgendarmen kam nicht ganz zufällig. Seit Anfang der vergangenen Woche wurde bei der Fremdenlegion festgestellt, daß mindestens zwei Dutzend ukrainischer Militärs unentschuldigt fehlten. Gleichzeitig gab es Medienberichte über ehemalige oder eigentlich noch unter Vertrag stehende ukrainische Fremdenlegionäre, die in der Heimat als Ausbilder tätig sind. Sie geben dort ihre in Frankreich erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten an Landsleute oder an Freiwillige aus anderen Ländern weiter, die sich für die »Internationale Legion« der Ukraine gemeldet haben. Unter ihnen befindet sich auch eine unbekannte Zahl französischer Kriegsfreiwilliger, gegen deren Engagement die französischen Behörden nichts unternehmen können und wollen, ebensowenig wie bei den ehemaligen Fremdenlegionären, die regulär ihr Dienstverhältnis mit der französischen Armee beendet haben.
Die Rechtslage bei den in Paris aufgegriffenen ukrainischen Militärs ist anders und etwas unübersichtlich. Am klarsten ist die Lage bei denen, die sich ohne Genehmigung von der Truppe entfernt haben und wegen »unerlaubter Abwesenheit« zumindest mit mehrtägigem Arrest rechnen müssen. Wenn allerdings strafverschärfend eingeschätzt wird, daß sie ihren Vertrag mit der französischen Armee über ein mehrjähriges Engagement bewußt und zielgerichtet verletzt haben, droht ihnen ein Militärgerichtsverfahren und eine mehrmonatige Haftstrafe.
»Sie haben den Ehrenkodex der Legion verletzt. Wenn man sich unter der französischen Flagge engagiert, ist es nicht möglich, sich seine Kampfgebiet oder seinen Gegner auszusuchen«, sagt Brigadegeneral Alain Lardet, der seit 2020 Kommandeur der französischen Fremdenlegion ist. Doch unter den vorläufig festgenommenen Militärs befanden sich auch Legionäre, die einen Urlaubsschein hatten und sich strenggenommen innerhalb von Europa frei bewegen dürfen.
Eine dritte Gruppe waren Soldaten, die von ihren Vorgesetzten eine befristete Sondergenehmigung bekommen hatten, damit sie sich in Polen, Moldawien oder Rumänien um Familienangehörige kümmern können, die wegen des Krieges dorthin geflüchtet sind. Sie mußten sich verpflichten, auf keinen Fall die Grenze zur Ukraine zu überschreiten. Da man aber nicht sicher sein kann, solche ukrainischen Fremdenlegionäre nicht doch früher oder später als aktive Kämpfer an der Heimatfront wiederzusehen, wurden die Sondergenehmigungen zurückgezogen und die Bewegungsfreiheit im Urlaub auf das Territorium Frankreichs begrenzt.
Die französischen Militärbehörden, das Außenministerium und die Präsidialkanzlei im Elysée wollen alles tun, um es nicht zu einer echten Fluchtbewegung ukrainischer Fremdenlegionäre in Richtung Heimat kommen zu lassen. Sie befürchten, Rußland könnte das als zumindest indirekte Beteiligung an dem bewaffneten Konflikt auslegen und propagandistisch instrumentalisieren. Schon mit der Lieferung französischer »Verteidigungswaffen« in die Ukraine, vor allem Sturmgewehre und Maschinenpistolen, aber auch leicht zu bedienende und sehr wirksame Panzerfäuste und Raketen zum Abschuß tieffliegender Hubschrauber und Flugzeuge, manövriert Frankreich hart an der Grenze zu einer faktischen Kriegspartei.
Unter den mehr als 9.000 Angehörigen der französischen Fremdenlegion, bei denen es sich um Freiwillige aus der ganzen Welt handelt, die zwischen 17 und 39 Jahren alt sind und nach einem mehrjährigen Einsatz die französische Staatsbürgerschaft erhalten können, befinden sich gegenwärtig etwa 700 Ukrainer und 450 Russen. Zwischen ihnen gibt es »keine spürbaren Konflikte« durch den gegenwärtigen Krieg in der Ukraine und die meisten verhalten sich »ruhig und besonnen«, versichert General Lardet. Doch unter der Oberfläche gärt es. »Wir sind hin und her gerissen zwischen dem französischen Fahneneid und dem unbändigen Wunsch, unsere Heimat mit der Waffe in der Hand zu verteidigen«, sagte der ukrainische Legionär Oleg in einem Telefoninterview der Zeitung »La Croix«.