Ausland28. Juni 2025

Ignorierte Gefahr

Im Nahen Osten gibt es nur ein Land, das Atomwaffen besitzt: Israel

von Manfred Ziegler

Natans, Buschehr, Fordo und Isfahan – das sind die Namen der vier Orte, an denen sich die wichtigsten Einrichtungen des iranischen Nuklearprogramms befinden. Drei der vier Orte wurden in der Nacht zum Sonntag von den USA in enger Abstimmung mit Israel bombardiert.

Der Atomreaktor Buschehr, dessen Geschichte bis in die Zeit des Schah zurückreicht und der nach vielen Widerständen der USA schließlich von russischen Unternehmen gebaut wurde und 2011 ans Netz ging, wurde nicht angegriffen. Wladimir Putin ließ die russischen Techniker, die dort arbeiten, nicht abziehen. Selbst für USA-Präsident Donald Trump war damit ein Angriff auf Buschehr ausgeschlossen.

Die anderen Anlagen waren Ziele von Angriffen – und nicht zum ersten Mal. Seit vielen Jahren läßt Israel iranische Wissenschaftler ermorden und Sabotageakte gegen das iranische Atomprogramm durchführen.

Zu den bekannteren Angriffen gehört das Computervirus »Stuxnet«, das offenbar dazu führte, daß Tausende Zentrifugen beschädigt wurden. Dieses Virus blieb nicht auf iranische Zentrifugen beschränkt. Er wurde auf Tausenden PCs und in Anlagesteuerungen weltweit gefunden.

Am stärksten betroffen von früheren Sabotageaktionen war die Anlage in Natans. Dazu gehörten Anschläge auf die Stromversorgung, so daß bereits vor den Angriffen durch Israel und USA nur ein Teil der vorgesehenen Zentrifugen im Betrieb war.

Die Universitätsstadt Isfahan ist das Zentrum der iranischen Atomtechnologie. Es werden Brennstäbe produziert und Uran in das gasförmige Uranhexafluorid umgewandelt, das schließlich in Zentrifugen angereichert werden kann.

Die Anlage zur Urananreicherung in Natans ist ebenso wie die Anlage Fordo unterirdisch angelegt und durch Berge geschützt. Wie groß die Schäden wirklich sind, die die Cruise-Missiles und wenige »bunkerbrechende« Bomben angerichtet haben, läßt sich vorerst nicht einmal erahnen. Offensichtlich waren iranische Behörden auf den absehbaren Angriff eingerichtet. Mitarbeiter wurden bis auf ein Minimum evakuiert, das bereits auf 60 Prozent angereicherte Uran wurde an einen »unbekannten Ort« verbracht.

Der Iran hat den Atomwaffensperrvertrag (NPT) unterschrieben und damit werden alle Anlagen durch die vom Westen dominierte IAEA überwacht – manchmal auch im Sinne geheimdienstlicher Aktivitäten. Als Vertragspartei hat der Iran nicht nur das Recht auf zivile Nutzung der Atomenergie. Laut Vertrag könnte das Land sogar auf die Unterstützung durch die Atommächte zählen. Nach dem Angriff der USA beschloß das iranische Parlament den Ausstieg aus dem Vertrag.

Anders als der Iran hat Israel den Atomwaffensperrvertrag nie unterschrieben. Das Zentrum der israelischen Atomtechnologie, das »Nuclear Research Center« liegt bei Dimona und wurde jahrelang als Textilfabrik ausgegeben. Erst der Nukleartechniker Mordechai Vanunu machte 1985 öffentlich, daß Israel Nuklearwaffen besitzt. Daß seine Angaben korrekt waren, beweist das Gerichtsurteil gegen ihn: Mordechai Vanunu wurde zu 18 Jahren Haft wegen Landesverrats verurteilt.

Da Israel die eigenen nuklearen Fähigkeiten nach wie vor geheim hält, gibt es weit auseinanderliegende Schätzungen über die Zahl der israelischen Atomsprengköpfe. Sie reichen von 100 bis zu 400 Atombomben, von kleinen 20-Kilotonnen-Bomben bis womöglich zu Neutronenbomben oder gar Wasserstoffbomben.

Daß Israel im Falle einer existenziellen Bedrohung durchaus gewillt ist, die Region mit Atomwaffen zu zerstören, machte die damalige Ministerpräsidentin Golda Meir deutlich, als sie im »Jom-Kippur-Krieg« (6. bis zum 25. Oktober 1973) mit deren Einsatz drohte.

Es bleibt bizarr, wie Benjamin Netanjahu seit 30 Jahren den unmittelbar bevorstehenden Erwerb von Atomwaffen durch den Iran behauptet – und wie die Medien das ernst nehmen und reale israelische Atomwaffen ignorieren.