Ende und Auferstehung
Im Friedensvertrag mit Italien vom Februar 1947 sicherten die USA die Kontinuität der Mussolini-Faschisten
Am 10. Februar 1947 wurden in Paris die von den Siegermächten UdSSR, USA, Großbritannien und Frankreich mit den früheren Verbündeten Hitlerdeutschlands Italien, Rumänien, Ungarn, Bulgarien und Finnland geschlossenen Friedensverträge unterzeichnet. Sie umfaßten Reparationen, Gebietskorrekturen und die Festlegung von Minderheitenrechten.
Italien verlor seine Kolonien in Afrika, erhielt aber bis 1960 die UNO-Treuhandverwaltung für Somalia. Es mußte Grenzkorrekturen zugunsten Frankreichs zustimmen, den Dodekanes an Griechenland zurückgeben, Istrien, die Adriainseln und Fiume an Jugoslawien abtreten, die Unabhängigkeit Äthiopiens und Albaniens anerkennen. Triest wurde zunächst Freistaat unter UNO-Schutz, 1954 durch ein De Facto-Abkommen geteilt. Das frühere österreichische Südtirol, seine Kriegsbeute aus dem Ersten Weltkrieg, wurde ihm zugestanden. Es verzichtete auf die Rechte, die ihm in Shanghai und Amoy gewährt worden waren und übergab die Niederlassungen an die chinesische Regierung. Italien wurden Reparationen von 360 Millionen US-Dollar (nach dem Stand von 1938) auferlegt.
In den Verhandlungen wurde berücksichtigt, daß »demokratische Elemente des italienischen Volkes das faschistische Regime in Italien am 25. Juli 1943 gestürzt«, Italien nach seiner bedingungslosen Kapitulation am 3. und 29. September 1943 einen Waffenstillstand unterzeichnet, danach »italienische Streitkräfte sowohl der Regierung als auch der Widerstandsbewegung aktiv am Krieg gegen Deutschland teilnahmen und Italien am 13. Oktober 1943 Deutschland den Krieg erklärt und dadurch zum mit-Kriegführenden (cobelligerent) gegenüber Deutschland wurde«.
In den meisten Darstellungen wird verschwiegen, daß die USA sich weigerten, in den Vertrag für Italien die von der UdSSR geforderte Klausel »niemals wieder faschistische Organisationen zu erlauben und Kriegsverbrechen nicht ungesühnt zu lassen« aufzunehmen. Das war ein eindeutiger Bruch der auf der Außenministerkonferenz der UdSSR, der USA und Großbritanniens im Oktober 1943 als auch auf der Krimkonferenz im Februar 1945 von den Regierungschefs geschlossenen Vereinbarungen.
»Eindämmung des Kommunismus«
Am 12. März 1947 wurde sichtbar, um was es ging. USA-Präsident Harry Truman verkündete seine berüchtigte Doktrin der »Eindämmung des Kommunismus« (Containment), die den »Kalten Krieg«, die Blockkonfrontation mit der Sowjetunion und den mit ihr verbündeten Ländern Osteuropas einläutete. Truman erklärte die USA zum »mächtigsten Land der Welt« und das »Recht« der USA auf Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten, die – tatsächlich oder angeblich – unter kommunistischem Einfluß stehen. Dieses Vorgehen war darauf gerichtet, die besetzten Staaten der USA-Vorherrschaft zu unterwerfen, dazu ein Bündnis mit den reaktionären Kräften – einschließlich der Faschisten – zu schließen, um mit ihnen antifaschistisch-demokratische Veränderungen zu verhindern.
Mit dem gleichen Ziel wurden auch die reaktionären Kräfte in den von der Sowjetarmee befreiten Ländern wie Polen, Bulgarien, Ungarn, Rumänien oder der Tschechoslowakei unterstützt, sowie auch die westdeutsche Wühltätigkeit gegen die DDR.
In Italien, wo Kommunisten und Sozialisten im Juni 1946 bei den Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung 39,6 Prozent Stimmen erreicht hatten, während die führende großbürgerliche Democrazia Cristiana (DC) nur auf 35,2 Prozent kam, fürchtete Washington eine von diesen dominierte Nachkriegsordnung. Um das zu verhindern, »stützten sich die USA von Anfang an auch auf die faschistischen und andere mit ihnen gemeinsam handelnden reaktionären Kräfte«, schrieben Roberto Faenza und Marco Fini in ihrem Buch »Die Amerikaner in Italien« (Mailand 1976).
Gemäß dieser Konzeption hatte die von den USA geführte Militärverwaltung (Allied Military Government of Occupied Territoris, AMGOT) bereits im August 1945 die Gründung der Sammlungsbewegung »Uomo Qualunque« (Jedermann) durch Mussolini-Faschisten gefördert und sie an den Wahlen zur Konstituente teilnehmen lassen. Sie erreichte 5,3 Prozent Stimmen und belegte 30 Sitze. Unter den Augen der Besatzungsmacht konnten dann am 26. Dezember 1946 die Mussolini-Faschisten mit dem Staatssekretär des »Duce«, Giorgio Almirante als Nationalsekretär, und dem Kommandeur einer zur Partisanenbekämpfung eingesetzten Spezialeinheit, Valerio Borghese, als Präsident die Mussolini-Partei unter dem Namen »Movimento Sociale Italiano« (MSI) neu gründen. Almirante hatte noch kurz vor Kriegsende einen »Genickschußbefehl« gegen Partisanen erlassen, Borghese wurde des 800-fachen Mordes an Antifaschisten beschuldigt.
Obwohl der Artikel 45 des Friedensvertrages Italien immerhin verpflichtet hatte. Personen, die beschuldigt werden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen den Frieden oder die Menschlichkeit begangen, befohlen oder begünstigt zu haben, vor Gericht zu stellen, unternahmen die USA nichts, um gegen die an die Spitze des MSI getretenen Kriegsverbrecher wie Almirante und Borghese vorzugehen. Im Gegenteil sorgten sie dafür, daß Borghese, nachdem er im Februar 1949 von einem italienischen Gericht zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde, umgehend frei kam. Mit ihrer Ablehnung, die Formulierung »niemals wieder faschistische Organisationen zu erlauben und Kriegsverbrechen nicht ungesühnt zu lassen« in den Friedensvertrag aufzunehmen, bereiteten die USA der Kontinuität des Faschismus in Italien den Weg.
In den 60er Jahren zählte das MSI rund 300.000 Mitglieder und verfügte über 4.335 Sektionen. Nach ihrem Zusammenschluß mit der Monarchistischen Partei 1972 stieg die Mitgliederzahl auf 400.000 an. Im Senat wurde das MSI mit 9,2 Prozent viertstärkste Partei.
Artikel 55 des Friedensvertrages hatte verboten, Offiziere oder Unteroffiziere der früheren faschistischen Streitkräfte Mussolinis, die nicht entlastet worden waren, in die Streitkräfte der Republik aufzunehmen. Die USA sahen nicht zur tatenlos zu, sondern förderten, daß unzählige dieser Militärs Karriere machen konnten, darunter Vito Miceli, Teilnehmer an den Massakern bei der Eroberung Äthiopiens, der schließlich im Generalsrang zum Chef des Geheimdienstes SID aufstieg und an NATO-Putschen zum Sturz der republikanischen Ordnung teilnahm. Der Vize des MSI, Gino Birindelli, der nach dem Vorbild Pinochets in Chile als neuer »Duce« die Macht ergreifen wollte, stieg zum Admiral und NATO-Befehlshaber Europa Süd auf. Als im Frühjahr 1994 das MSI in die Regierung des Chefs der faschistischen Forza-Partei Silvio Berlusconis aufgenommen wurde, konnte sein Chef, Almirante-Nachfolger Vize-Premier Gianfranco Fini, im Beisein von USA-Präsident Bill Clinton in Rom den faschistischen Diktator Mussolini als »größten Staatsmann des Jahrhunderts« feiern und seine Rehabilitierung fordern.
Bruch der Verträge
In Moskau hatten sich die Außenminister der UdSSR, der USA und Großbritanniens im Oktober 1943 in der »Erklärung über Italien« verpflichtet, daß ihre gemeinsame Politik in Italien zur »völligen Vernichtung des Faschismus und zur Errichtung eines demokratischen Regimes führen muß«, das »nicht das Recht des italienischen Volkes einschränkt, in der Folgezeit seine eigene Regierung zu wählen«.
Auf der Krim-Konferenz bei Jalta vom 4. bis 11. Februar 1945 hatten die drei von Stalin, Roosevelt und Churchill geleiteten Delegationen in der »Erklärung über das befreite Europa« bekräftigt, es müsse den befreiten Völkern gestattet werden, »die letzten Spuren des Nationalsozialismus und Faschismus zu beseitigen und demokratische Einrichtungen nach eigener Wahl zu schaffen«.
In einer weiteren Erklärung »Einigkeit im Frieden wie im Krieg« hatten sie sich verpflichtet, die in der Antihitlerkoalition bestehende Zusammenarbeit fortzusetzen und zu stärken, da nur dadurch unter allen friedliebenden Nationen »die höchsten Bestrebungen der Menschheit verwirklicht werden, nämlich ein sicherer und dauerhafter Frieden«