Leitartikel31. August 2023

Antichinesische Provokationen

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Eine »bedauerliche Wortwahl« nannte es ein Sprecher des britischen Premiers vor wenigen Wochen, daß in der Abschlußerklärung des letzten Gipfels der EU mit lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC) neben der britischen Bezeichnung »Falkland Islands« auch der spanische Name »Islas Malvinas« für die seit 1833 vom britischen Imperialismus besetzt gehaltene südamerikanische Inselgruppe verwendet wurde.

Dabei hatte der Sonderausschuß der UNO für Entkolonialisierung kurz zuvor eine Resolution beschlossen, in der Britannien und Argentinien aufgefordert werden, ihre Verhandlungen wieder aufzunehmen, um »so bald wie möglich eine friedliche und endgültige Lösung« für die 400 Kilometer vor der argentinischen Küste gelegenen Inselgruppe zu finden. London hatte die Gespräche nach dem sogenannten Falklandkrieg 1982 ausgesetzt. Premierministerin Thatcher hatte damals Kriegsschiffe zur Verteidigung des britischen Kolonialerbes um die halbe Welt geschickt.

Eine offenbar gezielte Provokation ganz anderen Kalibers hat sich am Mittwoch der Außenausschuß des von den konservativen Tories kontrollierten britischen Parlaments geliefert, als er die chinesische Insel Taiwan erstmals als ein »unabhängiges Land« bezeichnet hat.

»Taiwan ist bereits ein unabhängiges Land unter dem Namen Republik China«, heißt es in dem Bericht über die britische Außenpolitik in Ostasien. Und weiter: »Taiwan besitzt alle Voraussetzungen der Staatlichkeit, einschließlich einer dauerhaften Bevölkerung, eines definierten Territoriums, einer Regierung und der Fähigkeit, Beziehungen mit anderen Staaten aufzunehmen – es fehlt ihm lediglich an größerer internationaler Anerkennung.«

Nun ist es aber so, daß die »internationale Anerkennung« Taiwans in den vergangenen Jahren nicht größer, sondern deutlich kleiner wurde. Nachdem insbesondere Nicaragua, Panama, El Salvador, die Dominikanische Republik und Honduras ihre Beziehungen zu Taiwan abgebrochen haben, halten es von den 193 Mitgliedstaaten der UNO nur noch zwölf – oder sechs Prozent – mit Taipeh: Belize, Eswatini (als einziger Staat in Afrika), Guatemala, Haiti, die kleinen pazifischen Inselstaaten Marshallinseln, Nauru, Palau und Tuvalu, Paraguay sowie die drei karibischen Inselstaaten St. Kitts und Nevis, St. Lucia und St. Vincent und die Grenadinen.

Bis auf diese zwölf für die Weltpolitik eher unbedeutenden Staaten bekennen sich alle offiziell zur Ein-China-Politik und sehen in der Volksrepublik den legitimen Vertreter dieses einen Chinas. Trotzdem erhebt die »Regierung« in Taipeh den Anspruch, ebenfalls das eine China zu vertreten, nämlich die »Republik China«.

Auch wenn es keine Unabhängigkeitserklärung Taiwans gibt – in den vergangenen Jahren hatte insbesondere die seit 2016 auf der Insel regierende DPP begonnen, separatistische Töne anzuschlagen. Hinzu kommt: Seit zwei Jahren provoziert Taipeh die Volksrepublik immer wieder mit dem Empfang hochrangigen Besuchs aus den USA oder aus anderen NATO-Staaten. Vor einem Jahr hatte die Reise der Präsidentin des Repräsentantenhauses der USA, Pelosi, zu beispiellosen chinesischen Manövern und äußersten Spannungen in der Region geführt.

Weil das chinesische Antiabspaltungsgesetz von 2005 im Fall einer offiziellen Sezession sich auch militärische Maßnahmen vorbehält, ist das Zündeln der USA und ihrer NATO-Verbündeten mit der politischen Aufwertung Taiwans so gefährlich.