Auslands-Nachrichten
Frankreich nach der ersten Wahlrunde
Nach Veröffentlichung des vorläufigen Endergebnisses der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahlen haben Marine Le Pens Rassemblement National und ihre Verbündeten 33,15 Prozent der Stimmen erhalten. Das kurzfristig von Sozialdemokraten, Kommunisten, La France insoumise und Grünen geschaffene Bündnis Nouveau Front populaire kam auf 27,99 Prozent, während das Lager von Präsident Emmanuel Macron lediglich 20,04 Prozent erreichte. Die rechtskonservativen Republikaner kamen auf 10,23 Prozent. Wie viele Sitze die Blöcke in der Nationalversammlung bekommen, wird erst in Stichwahlen am kommenden Sonntag entschieden.
Vor der zweiten Wahlrunde können die Parteien noch lokale Bündnisse schmieden, die den Wahlausgang beeinflussen. In der ersten Wahlrunde wurden 76 Sitze direkt vergeben, darunter 37 an Kandidaten des Rassemblement National. Für Präsident Macron ist das Ergebnis eine herbe Niederlage.
Nach Bekanntwerden der Ergebnisse haben Tausende Menschen gegen die extreme Rechte demonstriert. In Paris und etlichen anderen Städten gingen am Sonntagabend viele Menschen auf die Straße und demonstrierten gegen die Partei von Marine Le Pen und einen zu erwartenden weiteren Rechtsruck in Frankreich. In der Hauptstadt versammelten die Demonstranten sich nach einem Aufruf des Nouveau Front populaire auf der Place de la République. Auch in Nantes, Dijon, Lille, Marseille und weiteren Städten gab es Kundgebungen und Protestmärsche.
Seite 2 und Editorial
Gaza-Pier nutzlos
Nach einer wetterbedingten Schließung des provisorischen USA-Hafens am Gazastreifen verlagert die UNO Tausende Tonnen Hilfsgüter weg vom Pier-Bereich. Arbeiter sind dabei, die sich dort türmenden Hilfsgüter, vor allem Lebensmittel, in Lagerhäusern unterzubringen. Die vom USA-Militär errichtete provisorische Anlegestelle an der Gaza-Küste war Mitte Mai in Betrieb genommen worden, um laut offiziellen Erklärungen als »Drehscheibe für die Lieferung von Hilfsgütern« zu dienen. Sie war seither vorwiegend außer Betrieb. Wann der Pier wieder zum Einsatz kommen könnte, war unklar. Wegen massiver israelischer Angriffe in der Nähe des Piers hatte das WFP die Verteilung zuletzt ganz gestoppt.
Preise steigen schneller als Löhne
Die Reallöhne der Beschäftigten in der EU sind 2023 weiter gesunken. Trotz einiger Lohnzuwächse und sinkender Inflation sei die Kaufkraft im Schnitt um 0,6 Prozent gesunken, heißt es im aktuellen Tarifbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen deutschen Hans-Böckler-Stiftung. Schuld seien die Preissteigerungen, die von den Lohnerhöhungen nicht ausgeglichen werden konnten. Für das laufende Jahr zeichne sich zwar in fast allen EU-Ländern wieder ein Plus bei den Reallöhnen ab. Dies werde die Rückgänge der vergangenen Jahre aber nicht ausgleichen, so die WSI-Experten. Insgesamt gingen die Reallöhne 2023 in 12 der 27 EU-Länder zurück. Besonders deutliche Kaufkraftverluste gab es in Tschechien (minus 4,4 Prozent), auf Malta (minus 3,8 Prozent) und in Italien (3,3 Prozent). In einigen EU-Ländern legten die Reallöhne aber auch zu, so im Niedriglohnland Rumänien (plus 7,7 Prozent) und in Belgien (5,3 Prozent), wo die Löhne per Gesetz automatisch mit der Inflation steigen.
Spanien unterstützt Völkermord-Klage gegen Israel
Madrid – Spanien hat als erstes EU-Land den Beitritt zur Völkermord-Klage Südafrikas vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) gegen Israel beantragt. Spanien hatte vor kurzem bereits – wie zuvor Norwegen und Irland – Palästina als souveränen Staat anerkannt und will damit einen Beitrag zur Rückkehr des Friedens im Gazastreifen und im Nahen Osten leisten, schrieb das Außenministerium. »Ziel ist die Beendigung des Krieges und der Beginn von Fortschritten bei der Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung, die die einzige Garantie dafür ist, daß Palästinenser und Israelis in Frieden und Sicherheit zusammenleben können«, betonte das Ministerium.
Spaniens Außenminister José Manuel Albares hatte den Schritt bereits Anfang Juni angekündigt. Es handle sich um einen »großangelegten Krieg, der nicht zwischen zivilen und militärischen Zielen unterscheidet«, sagte Albares. »Das Risiko einer Eskalation wird jedes Mal größer«, warnte er.
Vor Spanien hatten bereits Nicaragua, Kolumbien, Libyen, Mexiko und der Staat Palästina entsprechende Anträge gestellt. Andere Staaten wie die Türkei, Ägypten und Chile hatten ebenfalls eine Unterstützung der südafrikanischen Klage verkündet.
Spaniens Regierung hatte schon im Oktober alle Waffenexporte nach Israel ausgesetzt.
Südafrika hatte Ende 2023 Klage gegen Israel eingereicht und dem Land die Verletzung der Völkermordkonvention vorgeworfen. Das UNO-Gericht hatte Israel in einer Eil-Entscheidung zu Schutzmaßnahmen verpflichtet, um einen Völkermord zu verhindern. Zudem müsse Israel mehr humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen zulassen. Ende Mai hatte der Internationale Gerichtshof Israel dann verpflichtet, den »Militäreinsatz« in Rafah im Süden des Gazastreifens unverzüglich zu beenden.
Israel bestreitet die Völkermord-Vorwürfe und beruft sich auf sein »Recht auf Selbstverteidigung«. Im Gazastreifen wurden seit Oktober mehr als 37.700 Menschen getötet, bei denen es sich überwiegend um Zivilisten handelt, in der Mehrheit Kinder und Frauen. Tausende weitere Menschen, darunter viele Kinder, werden vermißt oder unter den Trümmern der von Israel zerbombten Gebäude vermutet.
Zehntausende bei Großdemo gegen AfD in Essen
Essen – Ein Demonstrationszug mit vielen Tausend Menschen ist am Samstag zum Beginn des AfD-Bundesparteitags in Essen laut und friedlich durch die Stadt gezogen. Man gehe von rund 20.000 Demonstranten aus, hieß es aus dem Landesinnenministerium. Hinzu kämen weitere Protestveranstaltungen mit tausenden Menschen.
Ab Mittag fand eine Großveranstaltung mit mehr als 45.000 Teilnehmern statt. Zu der Großdemonstration aufgerufen hatte das Aktionsbündnis Gemeinsam Laut, dem mehrere Gruppen wie Aufstehen gegen Rassismus oder Essen stellt sich quer angehören. Zu den Protesten hatten auch die nDeutsche Kommunistische Partei (DKP) und die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) aufgerufen.
Vor Beginn des AfD-Bundesparteitags gab es laut Polizei mehrere gewalttätige Aktionen von Gegnern der Partei. Aktivisten versuchten am Samstagvormittag, die Anreise von Delegierten zum Parteitag zu verhindern. Mehrere mußten von der Polizei am Hotel abgeholt und zum Veranstaltungsort gebracht werden. Viele wurden einzeln unter starkem Polizeischutz zur Halle geleitet.
Neue Regierung für Bulgarien
Sofia – Drei Wochen nach einer vorgezogenen Parlamentswahl in Bulgarien hat der Wahlsieger Gerb-SDS eine prowestliche Regierung aufgestellt. Als künftiger Ministerpräsident wurde Ex-Parlamentschef Rossen Scheljaskow (Gerb) nominiert. Außenminister soll der überzeugte Euro-Atlantiker Daniel Mitow (Gerb) werden, der diesen Posten schon früher innehatte. Gerb-SDS-Chef und Ex-Regierungschef Boiko Borissow sagte, erste Aufgaben seien der neue Staatshaushalt sowie die Vorbereitung auf die angestrebte Einführung des Euro.
Das Parlament stimmt voraussichtlich an diesem Mittwoch über den Kabinettsvorschlag ab. Die Ministerriege besteht aus prominenten Gerb-Politikern sowie zu etwa einem Drittel aus Ministern des jetzigen Übergangskabinetts. Borissow warnte vor einer weiteren Neuwahl, sollte der erste Regierungsauftrag scheitern.
In der am 9. Juni gewählten Volksversammlung in Sofia sind insgesamt sieben politische Kräfte vertreten.
USA-Militär in Europa in erhöhter Alarmbereitschaft
Washington – Auf Militärstützpunkten in europäischen Ländern herrscht erhöhte Alarmbereitschaft wegen »Terrorgefahr«. Das Pentagon habe auf den Stützpunkten am Wochenende die zweithöchste Sicherheitsstufe ausgerufen, berichtete der Sender CNN unter Berufung auf zwei nicht namentliche genannte Regierungsvertreter. Diese Sicherheitsstufe namens »Force Protection Condition Charlie« gilt, wenn von einer »unmittelbar bevorstehenden Terrorbedrohung« ausgegangen wird.
Der Sender Fox News zitierte einen Beamten mit den Worten: »Es gibt glaubwürdige Informationen, die auf einen Angriff auf USA-Stützpunkte in der kommenden Woche oder so hinweisen.« Das Pentagon reagierte auf Nachfrage zunächst nicht.
Unklar blieb die Art der angeblichen Bedrohung. Der von Fox News zitierte Beamte sagte, daß diese nicht mit den Parlamentswahlen in Frankreich zusammenhänge.
Umsturzversuch in der Ukraine?
Kiew – Die ukrainischen Behörden haben einen Umsturzversuch verhindert. Eine »Gruppe von Störern« habe für den vergangenen Sonntag »Provokationen« in der Hauptstadt Kiew geplant, teilten der Geheimdienst SBU und die Staatsanwaltschaft am Montag mit. Unter anderem hätten sie im Rahmen einer Demonstration das Parlament besetzen und eine »provisorische Regierung« bilden wollen. Gegen vier Männer werde ermittelt, heißt es. Zwei seien vorläufig festgenommen worden. Bei Razzien seien Waffen und zugehörige Munition entdeckt worden. Den Verdächtigten drohen bis zu zehn Jahren Gefängnis. Die Ermittlungen wurden von den Behörden des westukrainischen Gebiets Iwano-Frankowsk geführt.
Neues Regierungskabinett in Südafrika
Pretoria – Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa hat sein neues Kabinett bekanntgegeben. In einer TV-Ansprache bestätigte das Staatsoberhaupt die Abgabe von zwölf Ministerposten an Oppositionsparteien.
Die größte Oppositionspartei, die Demokratische Allianz (DA), übernimmt sechs Ämter. DA-Parteichef John Steenhuisen fällt das Landwirtschaftsministerium zu. Mit 20 Ministerien, darunter Schlüsselministerien wie das Außen-, das Verteidigungs-, das Energie- und das Finanzministerium, behält der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) den Hauptanteil der Kabinettsposten.
Mit insgesamt 32 Ministerposten ist das Kabinett um zwei Sitze größer als in den Vorjahren. Hintergrund ist die Zusammensetzung der neuen Regierung. Diese besteht aus elf Parteien, die in einer Regierung der Nationalen Einheit (GNU) die Geschicke von Afrikas stärkster Volkswirtschaft leiten sollen. Ramaphosas Partei, der ANC, hat nach einem massiven Stimmenverlust bei den Parlamentswahlen am 29. Mai erstmals in 30 Jahren die absolute Mehrheit verloren und kann nicht mehr allein regieren.
Für die neue Regierung haben Wirtschaftswachstum, soziale Gerechtigkeit und eine demokratische Erneuerung des Landes Priorität. Ebenso die Bekämpfung von Armut, Arbeitslosigkeit und Kriminalität. Auch gegen Korruption und die Ausbeutung des Staates soll vorgegangen werden.
Wütende Proteste ultraorthodoxer Israelis
Jerusalem – In Israel haben Tausende ultraorthodoxe Männer gegen die gerichtlich verfügte Verpflichtung zum Wehrdienst in der israelischen Armee protestiert. Laut örtlichen Medienberichten kam es in Jerusalem zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei. Polizisten seien angegriffen und mit Steinen beworfen worden.
Auslöser der Proteste war ein kürzlich ergangenes Urteil des höchsten Gerichts des Landes, wonach fortan auch ultraorthodoxe Männer zum Wehrdienst verpflichtet werden müssen. Das Urteil gilt als Rückschlag für die rechtsreligiöse Regierung des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.
Jahrzehntelang galten Ausnahmen für ultraorthodoxe Männer bei der Wehrpflicht in Israel. Diese liefen aber vor drei Monaten aus. Netanjahus Regierung gelang es nicht, ein Gesetz zu verabschieden, das die Erleichterungen zementieren sollte. Daraufhin verfügte das höchste Gericht eine Streichung der staatlichen Subventionen für ultraorthodoxe Männer im wehrpflichtigen Alter, die in Religionsschulen studieren.
Ungarn übernimmt EU-Ratspräsidentschaft
Brüssel – Ungarn übernimmt an diesem Montag den alle sechs Monate rotierenden EU-Ratsvorsitz. Regierungsvertreter des Landes werden damit bis Ende Dezember die Leitung zahlreicher Ministertreffen übernehmen und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den EU-Staaten vermitteln.
Dabei wird es in den kommenden Wochen und Monaten vor allem um die laufenden Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Investitionen in die Wirtschaft gehen. Außerdem spielt das Thema »Verteidigung« eine Rolle – die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich erst kürzlich darauf verständigt, daß die EU in militärischen Belangen »unabhängiger werden und seine Rüstungsindustrie deutlich stärken« soll.
Eigene Impulse will Ungarn unter anderem bei der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit der EU setzen. Um das Wachstum zu fördern, wolle man ein neues Abkommen dazu verabschieden, teilte die Regierung mit. Zudem soll irreguläre Migration besser bekämpft werden – unter anderem durch Abkommen mit Drittstaaten.
Zuvor hatte die ungarische Regierung schon mit ihrem Motto für die Ratspräsidentschaft für Schlagzeilen gesorgt: »Make Europe Great Again« ist ein abgewandelter Wahlkampf-Slogan des Ex-US-Präsidenten Donald Trump.
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