Ausland14. November 2024

Oberhaupt der Anglikanischen Kirche tritt zurück

von dpa/ZLV

Das geistliche Oberhaupt der anglikanischen Kirche, der Erzbischof von Canterbury, tritt nach großem öffentlichen Druck wegen seiner Rolle in einem Mißbrauchsskandal zurück. Justin Welby (Foto) wird vorgeworfen, daß er die jahrzehntelangen Mißhandlungen von mehr als 100 Jungen und jungen Männern durch einen Anwalt der Kirche nicht öffentlich gemacht hat. Ranghohe Kirchenvertreter hatten seinen Rücktritt gefordert.

Zu den traditionellen Aufgaben des obersten Geistlichen der Church of England gehört die Krönung des britischen Monarchen. Der König ist seinerseits der Souverän der anglikanischen Kirche. Er hat zudem einen Platz in der zweiten Parlamentskammer, dem House of Lords.

Der 68-Jährige räumte »Fehleinschätzungen« ein. »Es ist völlig klar, daß ich die persönliche und institutionelle Verantwortung für die lange und erneut traumatisierende Zeit zwischen 2013 und 2024 übernehmen muß«, schrieb Welby an King Charles. Zuletzt hatten eine Bischöfin und ranghohe Vertreter der Kirche sowie Mißbrauchsopfer ihn aufgefordert, sein Amt niederzulegen. Tausende unterzeichneten eine entsprechende Petition.

»Ich hoffe, diese Entscheidung macht deutlich, wie ernst die Church of England die Notwendigkeit einer Veränderung und unser tiefes Engagement für eine sicherere Kirche nimmt«, sagte Welby. »Ich trete von meinem Amt zurück, in tiefer Trauer mit allen Opfern und Überlebenden von Mißbrauch.«

Ein vor ein paar Tagen veröffentlichter unabhängiger Untersuchungsbericht war zu dem Schluß gekommen, daß Welby den Mißbrauchsfall hätte melden können und müssen, als er 2013 kurz nach seiner Amtsübernahme die Details erfuhr. Demnach lud der Kirchenanwalt, der 2018 starb und nie vor Gericht stand, Jungen, die er in Sommerlagern kennengelernt hatte, in sein Haus ein und verabreichte ihnen Stockschläge.

Die Vorwürfe wurden erst 2013 der Polizei gemeldet, der Fall 2017 durch eine TV-Dokumentation bekannt. Dem Mann wurde laut Untersuchungsbericht nahegelegt, das Land zu verlassen, und er zog ins südafrikanische Simbabwe, ohne daß dies der Polizei mitgeteilt wurde.