Ausland

Ärzte sind streikbereit

Junge Mediziner wollen sich in England gegen Kürzungen wehren

Den englischen Assistenzärzten – »Junior Doctors« – reicht es. Im Dezember wollen sie an drei Tagen streiken – der erste Termin ist am 1. Dezember. Assistenzärzte sind Mediziner in Ausbildung nach Abschluß ihres Studiums. Es handelt sich sowohl um angehende Haus- als auch um Krankenhausärzte. Diese praktische Ausbildung dauert fünf bis zehn Jahre. Danach sind sie aufgrund der hohen Studiengebühren mit 40.000 Pfund verschuldet. Das Einstiegsgehalt liegt bei etwas über 22.000 Pfund pro Jahr. Dafür arbeiten sie mindestens 60 Stunden pro Woche – in der Regel auch am Wochenende.

Nun möchte die britische Regierung längere Arbeitszeiten und niedrigere Löhne für die englischen Assistenzärzte erzwingen. Ab August 2016 soll eine Normalarbeitszeit von 90 Stunden pro Woche gelten. Zusatzzahlungen für Abend- und Wochenenddienste sollen drastisch gestrichen werden. Gesundheitsminister Jeremy Hunt will mit der Ärztegewerkschaft BMA nur verhandeln, wenn sie die Forderungen akzeptiert. Eine ähnliche Strategie hat die Regierung in den vergangenen Jahren auch bei den Bedien­steten staatlicher Behörden verfolgt. Von den Gewerkschaften wurde bereits vor den Gesprächen erwartet, Gehaltskürzungen und Stellenabbau zu akzeptieren.

Daß die überwiegende Mehrheit der angehenden Mediziner diese Methoden für nicht akzeptabel hält, wurde in den vergangenen Wochen bewiesen. Immer wieder gab es vorwiegend über das Internet organisierte Demonstrationen. Am vergangenen Samstag protestierten 20.000 Assistenzärzte in London gegen die Regierungspläne.

Auch der geplante Streik hat ein eindrucksvolles Mandat. 76 Prozent aller englischen Assistenzärzte beteiligten sich an der Urabstimmung. 98 Prozent von ihnen waren für Streiks, 99,4 Prozent für zusätzliche betriebliche Kampfmaßnahmen. Nach Verkündung des Abstimmungsergebnisses am Donnerstag rief die Ärztegewerkschaft den britischen Gesundheitsminister zu einem Mediationsverfahren auf. Doch der weigert sich bislang.

Für die Konservativen geht es um viel. Die Tageszeitung »The Guardian« berichtete unter Berufung auf anonyme Regierungsquellen, daß diesem Arbeitskampf »dieselbe Bedeutung wie dem Bergarbeiterstreik 1984« eingeräumt wird. Konkret geht es um die geplante Zerschlagung und Privatisierung des staatlichen Gesundheitssystems (NHS). Das Gesundheitswesen wurde gezielt ruiniert und hat mittlerweile Schulden bei diversen privaten Konzernen in Milliardenhöhe. Bis 2020 sollen 22 Milliarden Pfund eingespart werden. Seit 2010 wurde das jährliche Budget nur um 0,8 Prozent erhöht.

Die neue Militanz der Jungärzte kommt da ungelegen. Sie könnte auch die Wahrscheinlichkeit von Streiks bei anderen Berufen im Gesundheitswesen erhöhen. Bislang vertreten die Spitzen der großen Gesundheitsgewerkschaften die Position, daß es keine Bereitschaft zum Arbeitskampf gebe.

Derzeit ist nur England von geplanten Kampfmaßnahmen betroffen. In Schottland, Wales und Nordirland haben sich die jeweiligen Regionalregierungen zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen bereit erklärt. Genau das fordert inzwischen selbst das Führungspersonal des englischen NHS.

Kommt es zum Streik, würde schnell klarwerden, wie abhängig das Gesundheitswesen von der Ausbeutung der Assistenzärzte ist. Die Rede ist von 100.000 Operationen, die dann abgesagt werden müßten. Das will die NHS-Führung unter allen Umständen verhindern.

Christian Bunke, Manchester