Ausland03. April 2024

Verbranntes Land

Israel hinterläßt eine Spur der Verwüstung – Die USA liefern weiter Waffen

von Karin Leukefeld

Nach zwei Wochen hat Israel seine Truppen aus dem Al-Shifa-Krankenhaus in Gaza zurückgezogen und eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Luftaufnahmen zeigen den zerstörten und verbrannten Krankenhauskomplex. Nahaufnahmen dokumentieren eine Ruine. Die Parkanlagen und Zugangsstraßen sind durch Bombeneinschläge zerstört und das Erdreich aufgewühlt. Israelische Panzer und Bulldozer haben auch die umliegenden Gebäude und Infrastruktur zerstört.

Das Krankenhaus war 1946 von der damaligen Britischen Mandatsmacht für Palästina gebaut und in den folgenden Jahren unter ägyptischer Verwaltung und nach dem israelischen Eroberungskrieg 1967 von der israelischen Besatzungsmacht erweitert worden. 2005 zogen die israelischen Besatzungstruppen ab, Siedlungen wurden aufgelöst. In den folgenden Gaza-Kriegen (2008/09; 2014; 2021 und 2023/24) berichteten palästinensische und ausländische Journalisten und medizinische Helfer aus der Klinik über das Geschehen.

Im November 2023 griff die israelische Armee erstmals das Al-Shifa-Krankenhaus an. Die Armeeführung behauptete, die Hamas nutze die Klinik als Basis für Angriffe und verfüge über ein unterirdisches militärisches Operationszentrum. Die Hamas und die Klinikleitung wiesen das zurück.

»Urbane Kriegsführung«

Nach offiziellen israelischen Angaben sei der Angriff im November nicht erfolgreich gewesen, weil die Hamas-Kämpfer »rechtzeitig abgezogen« seien. Der Angriff vom 18. März sei überraschend gewesen, daher habe man 200 »Terroristen« in der Klinik töten können, andere hätten »sich ergeben«. 900 »Verdächtige« seien verhaftet worden, erklärte ein Armee-Sprecher, 500 von ihnen seien von der Hamas und vom Islamischen Jihad, darunter angeblich auch »hochrangige Kommandeure«. Zivilisten in der Klinik seien nicht verletzt worden, wird behauptet, die Armee habe rund 6.000 Personen, die in verschiedenen Gebäuden Zuflucht gesucht hätten, mit Nahrung, Wasser und Medikamenten versorgt. Medizinisches Personal und Übersetzer der Armee hätten den Menschen geholfen, die Klinik zu verlassen.

Israelische Militärs bezeichneten die Kriegsführung Israel im Gaza-Streifen als »Neuen Standard der urbanen Kriegsführung«. Die israelische Armee habe »einmalige Vorsichtsmaßnahmen« getroffen, »um Unschuldige im Al-Shifa-Krankenhaus zu schützen«, hieß es in verschiedenen israelischen Medien. Ein israelischer Regierungssprecher sagte, Israel habe im Al-Shifa-Krankenhaus »den Goldstandard der urbanen Kriegsführung« gesetzt.

Unabhängige Berichte sprechen hingegen von willkürlichen Verhaftungen, außergerichtlichen Tötungen und davon, daß die gesamte Versorgung im Krankenhaus weitgehend unterbunden wurde.

»Al Jazeera« verbieten

Schwachpunkt der israelischen Kriegsführung und Propaganda ist weiterhin die Berichterstattung arabischer Medien aus dem Kriegsgebiet. Insbesondere der katarische Nachrichtensender »Al Jazeera« stört Israel mit seinen Berichten von Angriffen auf die zivile Infrastruktur, Bildern von Menschen unter Trümmern und Augenzeugen, die über die Tötung ganzer Familien sprechen. Am Montagabend verabschiedete das israelische Parlament mit 71 zu 10 Stimmen ein Gesetz, das es der Regierung Netanjahu ermöglicht, ausländische Nachrichtensender zu verbieten, sollten sie »die nationale Sicherheit Israels gefährden«. Das Verbot gilt für jeweils 45 Tage und kann erneut um 45 Tage verlängert werden. Die Ausrüstung des Senders wird beschlagnahmt.

Er werde »Al Jazeera in den kommenden Tagen« schließen, erklärte der israelische Kommunikationsminister Shlomo Karhi, der dem Hardliner Flügel der Likud-Partei von Netanjahu angehört. In Israel werde es »keine Meinungsfreiheit für ein Sprachrohr der Hamas« geben.

Das Herz von Gaza

Der Direktor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Tedros Adhanom Ghebreyesus erklärte, daß in den zwei Wochen der Belagerung des Al-Shifa-Krankenhauses 21 Patienten in der Klinik gestorben seien. 107 Patienten seien zurückgelassen worden, darunter Kinder und Erwachsene in kritischem Zustand. Es gebe keine medizinische Versorgung, keinen Vorrat. 15 Personen müßten sich eine Flasche Wasser teilen, die Vorräte gingen zu Ende. Wegen »extrem unhygienischer Umstände« breiteten sich ansteckende Krankheiten aus.

Margret Harris, WHO-Sprecherin in Genf, sagte am Dienstag, die Zerstörung des Al-Shifa-Krankenhauses bedeute, daß dem Gesundheitssystem im kriegsverwüsteten Gazastreifen »das Herz herausgerissen« wurde. Hier hätten die Menschen im Gaza-Streifen »eine wirklich gute Gesundheitsversorgung« gehabt, wie man sie für eine Gesellschaft erwarte.

Das palästinensische Gesundheitsministerium berichtete, medizinisches Personal sei im Al-Shifa-Krankenhaus verhaftet und brutal behandelt worden. Journalisten, darunter auch ein Team von »Al Jazeera«, sei gefesselt und mit verbundenen Augen zwölf Stunden festgehalten worden. Die Mitarbeiter des festgenommenen Teams bestätigten die Festnahme. Sie hätten sich bis auf die Unterwäsche ausziehen müssen. Der Übertragungswagen, Kameras und Aufnahmegeräte seien zerstört worden.

Augenzeugen und Bewohner der umliegenden Gebäude des Krankenhauses berichteten von nahezu ununterbrochenen Bombardierungen durch die israelische Luftwaffe. Ein Mann berichtete, das Haus seines Onkels sei bei einem Luftangriff zerstört und sieben seiner Familienangehörigen wurden getötet. Viele Menschen, die am Montagmorgen zu der zerstörten Klinik strömten, begannen nach vermißten Angehörigen mit den Händen zu graben oder trugen getötete Angehörige fort, um sie zu beerdigen. Die israelische Armee hatte mit Bulldozern Leichen unter dem aufgeworfenen Erdreich begraben.

Neue USA-Waffen an Israel

Um Israel weiter in seinem Krieg zu unterstützen, hat USA-Präsident Biden hat eine neue Waffenlieferung an Israel bewilligt. Die »Washington Post« berichtete am Osterwochenende, daß das Weiße Haus »trotz der Sorge ziviler Opfer in Gaza« Bomben, Raketen und Kampfjets im Wert von 2,5 Milliarden US-Dollar bewilligt habe. Die Lieferung umfaßt mehr als 1.800 MK84 Bomben mit einem Gewicht von 2000 Pfund (900 kg). Bei diesen Bomben handelt es sich um ungelenkte, freifallende sogenannte »Mehrzweck-Bomben«, die erstmals im Vietnam-Krieg eingesetzt wurden. Hinzu kommen 500 MK82 Bomben mit einem Gewicht von 500 Pfund (225 kg). Diese Munition wird bei Flächenbombardierungen eingesetzt, um größtmögliche Zerstörung der Infrastruktur zu hinterlassen und führt zu Massentötungen der Bevölkerung.

Die Munitionslieferungen der USA an Israel enthalten auch Waffen mit giftigen Substanzen wie Uran für bunkerbrechende Bomben oder Weißen Phosphor, dessen Einsatz wegen schwerer Verbrennungen nach dem internationalen Kriegsrecht in bewohnten Gebieten verboten ist. Die USA haben beide Waffen bereits in Afghanistan und im Irak eingesetzt, Israel in allen bisherigen Gaza-Kriegen. Im Libanon setzte Israel erstmals 1982 Weißen Phosphor ein. Die von dem giftigen Stoff ausgelösten Verbrennungen dringen tief in das Gewebe von Menschen und Natur ein, die von innen heraus weiterbrennen. Agrarland wird auf Jahre hinaus unfruchtbar.

Angriff auf iranisches Konsulat in Damaskus

Am Ostermontag bombardierte Israel das Konsulatsgebäude der iranischen Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Das Gebäude liegt direkt in einem Wohnviertel an der viel befahrenen Mezzeh-Schnellstraße. Sieben Angehörige der iranischen Revolutionsgarden, darunter zwei Kommandeure, wurden getötet. Die Revolutionsgarden halten sich in Syrien mit Zustimmung der syrischen Regierung seit dem Beginn des Krieges in Syrien auf. Sie sind Militärberater und Verbindungspersonen zur libanesischen Hisbollah und den palästinensischen Widerstandsorganisationen.