Elfter Jahrestag der Reaktorkatastrophe in Fukushima
In Japan droht die durch ein verheerendes Erdbeben und einen Tsunami ausgelöste Reaktorkatastrophe in Fukushima zu verblassen. Die weiter an der Atomkraftnutzung festhaltende Regierung von Premier Fumio Kishida entschied, daß der Staat ab diesem Jahr in Tokio keine zentrale Gedenkfeier für die Opfer mehr abhalten wird. Auch in der Katastrophenregion begingen am Freitag viele Gemeinden den elften Jahrestag des »Größten Anzunehmenden Unfalls« (GAU) zum ersten Mal ohne oder mit verkleinerten Gedenkzeremonien.
Während die Erinnerungen an die Reaktorkatastrophe verblassen, verbreite der Staat aktiv die Vorstellung, Atomkraftwerke seien »eine der Schlüssellösungen« gegen die Erwärmung des Erdklimas, beklagte anläßlich des Jahrerstages die japanische Sektion der Umweltschutzorganisation Greenpeace.
Eine gigantische Flutwelle hatte sich am 11. März 2011 an der japanischen Pazifikküste aufgebäumt und alles niedergewalzt: Städte, Dörfer und landwirtschaftliche Anbauflächen versanken in den Wasser- und Schlammmassen. Rund 20.000 Menschen riß die Flut in den Tod. In Fukushima kam es in Folge im dortigen Atomkraftwerk zu einem sogenannten Super-GAU. Seither sind rund 300 Kinder an Schilddrüsenkrebs erkrankt. Der Staat behauptet, es gebe keinen Zusammenhang mit der Reaktorkatastrophe.
Wenn die Kinder aus Fukushima sagten, sie seien wegen der radioaktiven Strahlung an Krebs erkrankt, würden sie als »Verbreiter schädlicher Gerüchte gebrandmarkt, die den Wiederaufbau behindern«, beklagte der Anwalt Kenichi Ido, der sechs Kläger vertritt, die zum Zeitpunkt der Reaktorkatastrophe zwischen sechs und 16 Jahre alt waren, und die im Januar dieses Jahres eine Sammelklage gegen den sofort nach dem Super-GAU verstaatlichten Betreiberkonzern TEPCO eingereicht haben.
Daneben sind vor Gerichten weitere Dutzende von Sammelklagen anhängig, in denen Tausende von Klägern Entschädigung für den erlittenen wirtschaftlichen Schaden fordern. Wegen der radioaktiven Strahlung können rund 38.000 der anfangs 165.000 Evakuierten bis heute nicht in ihre Dörfer zurück. Derweil sind zehn von zwischenzeitlich 59 abgeschalteten japanischen Atomreaktoren wieder am Netz, weitere sollen bald folgen.
Zudem plant die japanische Regierung, in wenigen Wochen mehr als 1,25 Millionen Kubikmeter radioaktiv verstrahlten Wassers, das bei der weiterhin nötigen Kühlung der zerstörten Atomreaktoren anfällt und in 1.000 Tanks gelagert wird, gefiltert und verdünnt ins Meer zu leiten. Örtliche Fischereiverbände, Umweltschützer sowie die Nachbarländer China und Südkorea sind empört und fordern eine Abkehr von den Verklappungsplänen.