Luxemburg02. September 2025

Würdige Erinnerung

Gedenken zum 83. Jahrestag des Generalstreiks in Wiltz

von ZLV

Am 30. August 1942 verkündete der Chef der faschistischen deutschen Zivilverwaltung, Gauleiter Simon, auf einer Massenkundgebung in den Hallen auf dem Limpertsberg die sogenannten »Wehrpflichtbestimmungen« für Luxemburg. Damit wurde die Zwangsrekrutierung aller jungen Männer der Jahrgänge 1920 bis 1924 angeordnet.

Die Resistenz hatte im Vorfeld bereits im Untergrund auf einen Arbeitsausstand hingearbeitet. Emile Gerson, zusammen mit Josy Merres und Nuckes Hansen Mitglied der Personaldelegation der großen Lederfabrik »Ideal«, erfuhr an jenem Sonntag von den Plänen der Widerstandsbewegung. Am darauffolgenden Montag, dem 31. August 1942, um 7 Uhr morgens blieb er mit seinen Ausschuss-Kollegen vor dem Werkstor stehen, ihrem Beispiel folgten rund 600 bis 700 Arbeiter, welche die Arbeit niederlegten und in den Streik traten. Eine Stunde später verweigerten ebenfalls die Angestellten die Aufnahme der Arbeit.

Nur wenig später schlossen sich weitere Belegschaften an: die Arbeiter der beiden Wiltzer Brauereien, die Angestellten der Gemeindeverwaltung, der Lebensmittelverwaltung, des Arbeitsamtes, der Krankenkasse und der Post. Lehrerinnen und Lehrer blieben mit ihren Klassen vor den Schulgebäuden stehen, viele Geschäfte öffneten nicht, und durch die Straßen von Wiltz zog ein Protestmarsch.

Im Laufe des Tages erreichten neue Meldungen Luxemburg-Stadt: Arbeitsniederlegungen in der Tuch- und Tabakfabrik in Ettelbrück, auch in Diekirch, Echternach und Mondorf stand die Arbeit in vielen Betrieben still. In Kehlen weigerten sich Bauern, Milch abzuliefern. Am Nachmittag wurde im Schifflinger Hüttenwerk ein Streikkomitee gebildet. Um 18.02 Uhr ertönte die Werksirene, und 2.000 Arbeiter verließen geschlossen das Werk.

Spätestens in diesem Moment erkannten die faschistischen Besatzer, dass es sich nicht um vereinzelte Proteste handelte, sondern um eine landesweite Erhebung gegen ihre Gewaltpolitik. Am 1. September 1942 weitete sich der Streik auf Esch, Belval, Rümelingen, Junglinster und Luxemburg-Stadt aus: Arbeiter legten die Arbeit nieder, Lehrlinge verweigerten den Hitlergruß. Am 2. September stand auch das Differdinger Hüttenwerk still.

Während des Streiks und in den darauffolgenden Tagen wurden 85 Männer vor nächtliche Standgerichte gezerrt. 20 von ihnen erhielten ein Todesurteil und wurden im Morgengrauen erschossen: sieben Arbeiter, fünf Lehrer und Professoren, zwei Postbeamte, zwei Eisenbahner, zwei Gemeindebeamte und zwei Handwerker. Weitere 45 Männer überstellte man der Gestapo. 125 blieben in Haft, ohne vor Gericht gestellt zu werden – sie wurden in das SS-Sonderlager Hinzert verschleppt oder im Grundgefängnis sowie in den Kellern der Villa Pauly, dem Sitz der Gestapo in Luxemburg, festgehalten.

Auch Jugendliche traf der Terror: Lehrlinge aus Belval, minderjährige Postbeamte, Schülerinnen und Schüler mehrerer Lyzeen sowie Studentinnen der Lehrerinnen-Normalschule in Walferdingen wurden in deutsche Umerziehungslager deportiert.

Der Blutzoll der Stadt Wiltz war besonders hoch. Vier Lehrer und zwei Beamte wurden aufgrund ihres mutigen Handelns von den Nazis standrechtlich erschossen, das heißt ermordet: Michel Worré und Nicolas Müller sowie die Primärschullehrer Charles Meyers, Josy Ewen, Alfred Brück und Célestin Lommel.

In der »ville martyre« finden traditionell am 31. August jeweils zwei miteinander verbundene Gedenkfeiern statt, sowohl an der Erinnerungstafel am Werkstor der ehemaligen Lederfabrik »Ideal« mit einer Schweigeminute als auch auf dem Vorplatz des von den Wercollier-Brüdern gestalteten Streikdenkmals, wo die offiziellen Reden gehalten werden. Um Punkt 11 Uhr erschallt fünf Minuten lang die Streiksirene, dann wird der mutigen Initiatoren des Streiks und der Opfer der faschistischen Vergeltung auf dem ehemaligen Industrieareal in Niederwiltz mit der Niederlegung von Blumenkränzen gedacht.

Von offizieller Seite waren am Sonntag u.a. seitens der Chamber der Vize-Präsident des Parlaments, seitens der Regierung der Kulturminister und seitens der Stadt Wiltz der Schöffenrat sowie die Verantwortlichen der Gemeindeverwaltung vertreten, auch Delegationen der weiterhin in Wiltz produzierenden Industrieunternehmen sowie der Gewerkschaften, vor allem des OGBL, der »devoir de mémoire«- und Resistenz-Verbände nahmen an der Kommemoration teil und legten Blumen an der Gedenktafel am Eingangstor des ehemaligen Industrieviertels sowie beim Streikdenkmal mit dem bekannten Widerstands-Relief nieder.

Im Rahmen der Erinnerungszeremonie gedachten die Bürgermeisterin der Stadt Wiltz und der Kulturminister ohne ideologischen Ballast – so wie es sich für eine solche Gedenkveranstaltung an sich gehört – in erster Linie der historischen Ereignisse, teils mit Beispielen aus der eigenen Familie, und wiesen auf die hohe Bedeutung einer Erziehung zum Frieden hin.

Was in diesen Reden freilich nicht erwähnt wurde und worauf die Kommunisten nicht müde werden hinzuweisen, ist der Umstand, dass der Frieden unter den aktuellen weltpolitischen Voraussetzungen nur mit der Errichtung eines Systems echter kollektiver Sicherheit, kurzum friedlicher Koexistenz gesichert werden kann. Völkerfreundschaft, internationaler diplomatischer Austausch, Abrüstungsverträge sowie ein Verbot der Massenvernichtungswaffen sind das Gebot der Stunde.

In diesem Sinne und in stillem Gedenken an die beispiellos couragierten Opfer des Generalstreiks legte Alain Herman, Vizepräsident der KPL, Blumen an der Gedenktafel beim Ausgangspunkt des Generalstreiks nieder.