Das enteignete Volk unterstützen!
Die Kommunistische Partei Chiles lehnt die neoliberale Verfassung ab
Am Anfang des neoliberalen Projekts in Chile stand die Diktatur Pinochets mit ihrer Verfassung von 1980. Der 26. Parteitag der Kommunistischen Partei Chiles benannte Ende 2020 als Etappenhauptwiderspruch entsprechend den zwischen Demokratie und Neoliberalismus.
Während der Präsidentschaft von Ricardo Lagos (2002 – 2006) gab es einige Änderungen an der Verfassung, aber man wollte ihr die demokratische Legitimität nicht absprechen und die von der Diktatur gemachte politische und wirtschaftliche Herrschaft verewigen.
In den vergangenen vier Jahren haben sich die Klassenwidersprüche verschärft; es gab unter der Rechtsregierung von Sebastián Piñera die monatelangen Aufstände vom Oktober 2019, die entscheidend zum Verfassungsprozeß beitrugen. Sie waren die Summe von jahrelangen Kämpfen, die Millionen um ihre Rechte betrogener und Ungleichheit und Ausgrenzung ausgesetzter Chileninnen und Chilenen auf die Straße brachten. Nachbarschaftskomitees, Suppenküchen, Versammlungen und gewerkschaftliche Koordinierung wurden eingeführt.
Die Piñera-Regierung reagierte mit schwersten Menschenrechtsverletzungen. Es gab Tote und Verletzte; Menschen erlitten Augenverletzungen und tausende junge Leute wurden inhaftiert. Am 15. November 2019 wurden Piñera, die Parteien der extremen Rechten und sogar die Sozialdemokraten und andere fortschrittliche Kräfte gezwungen, die »Vereinbarung für den sozialen Frieden und eine neue Verfassung« zu unterzeichnen, wozu die KP Chiles nicht eingeladen wurde. Man einigte sich auf Regeln, wie der Verfassungskonvent gewählt und der Verfassungstext geschrieben werden sollte; die Parteien der Rechten wollten dabei mehr eine Fortführung als einen Bruch mit der 1980er Verfassung.
Vertreterinnen und Vertreter der sozialen Bewegungen schafften es in einem demokratischen Prozeß, einen nie da gewesenen Entwurf gesellschaftlicher Veränderung zu machen – aber leider erlitt diese Bewegung inmitten der Pandemie eine Schwächung, zu der sich das Fehlen einer politischen Führung der Bewegung gesellte. Gleichzeitig aktivierte die herrschende Klasse ihre Medienmonopole gegen den Verfassungsentwurf.
Die Regierung von Präsident Gabriel Boric startete am 11. März 2022 mit einem fortschrittlichen Programm, unterstützt vom Bündnis »Apruebo Dignidad«, dem die KP Chiles als mitgliederstärkste Partei des Landes ebenfalls angehört wie der Regierung selbst – dank ihrer Verankerung in der Volksbasis. Für unsere Partei ist es notwendig, das fortschrittliche Programm zu unterstützen, weil unsere Arbeiterklasse und das enteignete Volk nicht länger warten können.
Die präsidentielle Macht hängt von der für die Finanzierung sozialer Vorhaben notwendige Verabschiedung von Reformgesetzen im Parlament ab, in dem die Regierung allerdings keine Mehrheit hat. Zum Beispiel konnte die rechte Opposition das wichtige Steuerreformgesetz blockieren, das das Regierungsprogramm treiben sollte. Dennoch hat die Regierung wichtige Dinge wie die Arbeitszeitreduzierung auf vierzig Stunden, die höchste Mindestlohnanhebung seit zwanzig Jahren, die Gratisstellung im staatlichen Gesundheitssystem, den Plan »Straßen ohne Gewalt«, das Elternverantwortungsgesetz oder die Minenbesteuerung umgesetzt.
Der bitterste Moment im ersten Jahr war für Boric und unsere Partei der 4. September 2022, als 62 Prozent den Vorschlag einer neuen, die Institutionen tiefgreifend verändernden Verfassung ablehnten. Durch die Einführung der Wahlpflicht kamen 5,4 Millionen Menschen gegenüber der Wahl zum Verfassungskonvent von 2020 hinzu, was zum Sieg des »Nein« führte.
Es war offensichtlich falsch, Themen von Wirtschaft, Arbeit, Gewalt und Sicherheit nicht priorisiert zu haben, aber auch Defizite in der Arbeit auf dem Land und an der Basis sowie die Unfähigkeit, der Desinformations- und Fake-News-Kampagne der Rechten etwas entgegenzusetzen, die mit Sicherheit die gewalttätigste in der Geschichte der »Social Media« war. In der Folge ging die Republikanische Partei in die Offensive, während die Parteien des »Demokratischen Sozialismus« der von Boric umgebauten Regierung beitraten, was politisch eine Schwächung, parlamentarisch aber eine Stärkung bedeutete.
So kam es zu einem zweiten Entwurf einer neuen Verfassung durch die »Chile-Übereinkunft« vom 12. Dezember 2022, die vom Präsidenten des Senats und der Abgeordnetenkammer initiiert wurde. Am 7. Mai 2023 fand die Wahl des Verfassungsrats statt, in der die ultrarechte Republikanische Partei und die Liste »Sicheres Chile« klar gewannen, was der Rechten dazu diente, die Kontrolle und Funktion des Rats zu übernehmen und die Ausarbeitung der neuen Verfassung zu sichern. Die Parteien, die Boric mit der Liste »Vereint für Chile« unterstützen, erlitten hingegen eine schwere Niederlage. Das Ergebnis ist ein Entwurf, der die Menschenrechte in der Verfassung zu einer Handelsware werden läßt – es ist laut Lautaro Carmona, Vorsitzender der KP Chiles, nichts weiter als die Neugründung des extremsten neoliberalen Modells.
Der Gewerkschaftsdachverband CUT rief die organisierte Gesellschaft auf, eine soziale Front zu bilden, die sich dem Rückschritt zu Lasten der Arbeiterklasse entgegenstellen soll, und für die Chilenische Menschenrechtskommission handelt sich der Entwurf um einen schweren zivilisatorischen Rückschritt und ein Hindernis für den gesellschaftlichen Frieden.
Am 17. Dezember wird es ein Plebiszit über den Verfassungsentwurf geben. Was wir brauchen, ist eine breite Einheit, die die Offensive der Rechten und der vom USA-Imperialismus unterstützten Oligarchie bricht.