Ausland29. März 2024

Einfluß auf politische Entscheidungen

Sechs Milliardärsfamilien kontrollieren französische Medienlandschaft

von Hansgeorg Hermann

Kriege vorbereiten, Kriege führen, Gesellschaft programmieren – ohne Unterstützung wichtiger Medien undenkbar. In Frankreich bedient sich Staatschef Emmanuel Macron ihrer ebenso wie seine Kollegen anderswo. Und sie bedienen sich des Präsidenten und seiner Regierung.

Sechs Milliardärsfamilien beherrschen weitgehend den medialen Markt Frankreichs. Die Mohns aus Gütersloh sind, grenzüberschreitend, auch dabei. Jüngster Raubritter: Der franko-libanesische Reeder Rodolphe Saadé, der sich vor zwei Wochen den erfolgreichen Nachrichtensender BFM TV unter den Nagel gerissen hat. Der Unternehmer gibt sich als Unterstützer Macrons und Gegenspieler des ultrarechten Medienmoguls Vincent Bolloré, der mit Zeitungen, Radio und Fernsehen den Faschisten Éric Zemmour 2022 zum Präsidentschaftskandidaten aufbaute. Für den Pariser Kommunikationsspezialisten Philippe Moreau Chevrolet allerdings kein Grund, dem »Neuen« im Kreis der Medienzare über den Weg zu trauen.

In einem Interview mit der Tageszeitung »Libération« warnte Moreau Chevrolet am 18. März: »Daß Rodolphe Saadé mit großem Medienrauschen zu einer Art Anti-Bolloré hochstilisiert worden ist, macht aus ihm keinen ›weißen Ritter‹«. In der Tat ist er Partner in einer unheiligen Allianz mit der Staatsführung. Macron selbst habe den Deal unterstützt. Der Staatschef, hieß es vor einer Woche in der Hauptstadt, arbeite mit Saadé an der Schaffung eines »Konglomerats moderater Medien«, einem Gegenpol zu Bollorés Imperium, in dessen Struktur Bernard Arnaults Luxuskonzern LVMH als verbindendes Element zwischen Kapital und Politik eine entscheidende Rolle spielen werde.

Bernard Arnault, der reichste Mann der Welt – oder auch nur der zweit- oder drittreichste, die Rangliste ändert sich oft wöchentlich – ist einer der wichtigsten Helfer des Präsidenten. Er war es, der Macron 2016 zum Kandidaten und 2017 zum Gewinner der Präsidentschaftswahl aufbaute. Mit der Wirtschaftszeitung »Les Échos« und dem auflagenstarken Hauptstadtjournal »Le Parisien« – täglich rund 183.000 verkaufte Exemplare – hat sich der Spezi des Präsidenten neben nahezu unbegrenzt einsetzbarem Kapital gewaltigen Einfluß auf politische Entscheidungen gesichert.

Ebenso wie sein angeblicher Widerpart, der streng katholische Bretone Vincent Bolloré, der seit Jahren die zur Volkspartei geratene ultrarechte Bewegung Rassemblement National (RN, früher Front National) der Faschistin Marine Le Pen bedient. Oder, was ihm besser zu Gesicht zu stehen scheint, lieber gleich Zemmours Fascho-Verein Reconquête (Zurückeroberung), der nicht nur sogenannte illegale Immigranten, sondern gleich alle »Fremden«, selbst solche mit französischem Personalausweis, »zurück nach Afrika« schicken will. Mit seinen TV-Sendern »C-News« und »C 8« erreichen Bolloré und seine medialen Helfer täglich ein Millionenpublikum und tragen dazu bei, Le Pen zur Favoritin für die nächste Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2027 zu machen.

Nicht zu vergessen im Reigen der Reichsten und Mächtigsten die Familie Dassault, die nicht nur schweres Kriegsgerät – unter anderem die Jagdbomber Mirage und Rafale – herstellt, sondern über ihre erzkonservative Zeitung »Le Figaro« auch dafür sorgen kann, daß sich Staatschefs als gewöhnliche Waffenhändler betätigen und die Produktion mit Zustimmung des Volkes nach Indien, Ägypten oder Griechenland verscherbeln dürfen. Da mag auch der deutsche »Kulturträger« Bertelsmann nicht fehlen, inzwischen kostengünstig in eine Stiftung umgepolt, in der allerdings nach wie vor die Familie Mohn 51 Prozent der Anteile hält und mit den Trash-Sendern RTL und RTL 2 gleichzeitig für Stimmung und Ruhe in den flacher angesiedelten Gesellschaftsschichten sorgt.

Eine »informationelle Fusion« sieht Moreau Chevrolet übrigens im gleichzeitigen Wirken von TV, Radio, Printmedien und sozialen Netzen. Der Verbraucher »konsumiert« das, was die »Journalisten« und Entertainer von Bolloré und Arnault produzieren, »mehr und mehr über die sozialen Netzwerke«. Auch draußen im Land, wo Milliardär Saadé sich die Provinzblätter »La Tribune« und »La Provence« besorgt hat.