Kaleidoskop23. August 2022

Jazzmusiker Rolf Kühn gestorben

von dpa/ZLV

Er hat mit Jazzgrößen wie John Coltrane, Chick Corea und Benny Goodman gespielt: Rolf Kühn war selbst doch eher ein stiller Star. Nun ist der im westdeutschen Köln geborene Klarinettist im Alter von 92 Jahren in Berlin gestorben. »Rolf wird immer als der inspirierende, sanfte, innovative und junggebliebene Künstler und Mensch in Erinnerung bleiben, der er war«, teilten Kühns Ehefrau Melanie, sein Bruder sowie die Agentur Jazzhaus Artists und das Label Edel/MPS am Montag mit. »Er lebte ein erfülltes Leben, das bis zu seinem letzten Tag der Musik, der Kultur und der Freude gewidmet war.« Kühn starb den Angaben zufolge am 18. August.

Als Sohn eines Akrobaten wurde er am 29. September 1929 in Köln geboren und wuchs in Leipzig auf. Eigentlich wollte er in die Fußstapfen des Vaters treten und trainierte als Kind jeden Tag. Um die akrobatischen Nummern aufzulockern, brachte sein Vater ihm Instrumente mit. Kühn probierte Akkordeon, Klavier, Saxofon und Hawaiigitarre aus – mit mäßiger Begeisterung. Bei der Klarinette war es dagegen »Liebe aufs erste Hören«, wie er vor einiger Zeit in einem Interview sagte.

Den Musikunterricht mußte er heimlich nehmen: Seine Mutter war Jüdin, ihr Tabakladen wurde in der Pogromnacht von 1938 von den Nazis zerstört. Rolf Kühn durfte nicht ans Konservatorium.

Während seiner klassischen Ausbildung war es eine Benny-Goodman-Platte, die ihn für den Jazz begeisterte. Als 17-Jähriger erhielt er sein erstes Engagement, 1950 begann er eine Karriere beim RIAS-Tanzorchester in Westberlin. Schon als junger Künstler entwickelte er einen warmen, strahlenden Ton, den Kritiker als unverwechselbar beschrieben.

Von Berlin aus zog es ihn 1956 nach New York. Dort stellte ihn der Pianist Friedrich Gulda, ein Bekannter aus Berlin, dem US-amerikanischen Produzenten John Hammond vor, der schon mit Benny Goodman, Count Basie und Billie Holiday gearbeitet hatte. Hammond ermöglichte ihm seine erste Platte und ließ ihn mit einem neugegründeten Quartett die Ostküste entlang bis in die Südstaaten touren. Zurück in New York, kannte er bald alle Größen der Szene und spielte in den angesagten Clubs.

1962 ging es zurück in die BRD, wo Kühn Leiter des NDR-Fernsehorchesters wurde. Außerdem begann er, als Dirigent und Komponist zu arbeiten. Er schrieb Musiken für Film und Fernsehen und war als musikalischer Leiter verschiedener Theaterhäuser tätig.

Rolf Kühns mehr als 14 Jahre jüngerer Bruder, der Pianist Joachim Kühn, kam 1966 ebenfalls nach Westdeutschland. Seitdem traten die beiden immer wieder auch zusammen auf. Drei Mal wurde Rolf Kühn beim europäischen Jazz-Wettbewerb zum besten Klarinettisten gekürt. 2011 erhielt er den »Echo« für sein Lebenswerk, 2018 die German Jazz Trophy.