Die eigentlichen Massenvernichtungswaffen
Hochprofitabler Handel verhindert schärfere Kontrollen
Am Hauptsitz der Organisation der Vereinten Nationen in New York begann am Montag eine Konferenz gegen die Überschwemmung der Welt mit sogenannten Kleinwaffen, durch die jährlich Hunderttausende Menschen ihr Leben verlieren.
Auf über 875 Millionen weltweit wird die Gesamtzahl von Kleinwaffen geschätzt. Ihr Name klingt harmlos, aber Mörser und Minen, Sturmgewehre und Maschinenpistolen, Revolver und Handgranaten töten jeden Tag, ob in bewaffneten Konflikten und Bürgerkriegen, im privaten Streit oder bei Verbrechen. Oftmals trifft es Unschuldige und Unbeteiligte. Zu Recht werden Kleinwaffen deshalb auch die eigentlichen Massenvernichtungswaffen unserer Zeit genannt.
Kleinwaffen sind laut Internationalem Roten Kreuz für 95 Prozent der Getöteten in heutigen Kriegen verantwortlich. Aber der Waffenhandel ist profitabel – jedes Jahr werden mit Kleinwaffen 960 Milliarden Euro verdient, ein beträchtlicher Teil davon durch Schmuggel und illegale Waffenverkäufe auf dem internationalen Schwarzmarkt.
Viele zivile Opfer
Führende UNO-Politiker verweisen deshalb darauf, daß nach den jüngsten Fortschritten bei Atomwaffen auch die »kleinen Waffen« nicht vergessen werden dürften. Denn »es sind die konventionellen Waffen, die jeden Tag Leben und Gesundheit so vieler Menschen zerstören«, mahnt UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon. Auch Vollversammlungspräsident Ali Treki äußert sich besorgt darüber, daß die meisten Opfer Frauen und Kinder sind, gerade in den Entwicklungsländern.
Bereits seit Jahren widmet sich die UNO diesem Problem. Seit das Thema nach dem Ende des Ost-West-Konflikts auf die Tagesordnung der multilateralen Diplomatie gelangte, wird in vielfältiger Weise um Lösungen gerungen. So fanden etwa Waffeneinsammelaktionen unter dem Motto »Waffentausch für Entwicklung« sowie symbolische Waffenverbrennungen u.a. in Albanien, Brasilien, Burundi, Liberia, Rumänien, Elfenbeinküste und Tansania statt. Die UNO-Vollversammlung verabschiedete stapelweise Resolutionen, und auch der Weltsicherheitsrat befaßte sich mehrfach mit dem Thema.
Lücken im Regelwerk
Im Jahre 2001 fand sogar eine internationale Konferenz ausschließlich zu Kleinwaffen und leichten Rüstungen statt und verabschiedete ein umfangreiches Aktionsprogramm. Das Internationale Aktionsnetzwerk zu Kleinwaffen (IANSA) bemängelt jedoch, daß es viele Lücken habe und nicht rechtsverbindlich sei. Auch die Überprüfungskonferenz von 2006 scheiterte am Widerstand der Waffenlobby. Neben Rußland, Indien, Pakistan, Iran und Israel gehörte die Bush-Regierung der USA bis dahin zu den Hauptbremsern einer internationalen Vereinbarung.
Nun scheint sich eine Änderung anzubahnen. »Die USA sind dazu bereit, die Probleme zu lösen, die auf verantwortungslose Waffenlieferungen zurückzuführen sind. Wir werden daran arbeiten, einen juristisch verbindlichen Vertrag über den Waffenhandel zu entwerfen«, versichert die für die Rüstungskontrolle und internationale Sicherheit zuständige USA-Staatssekretärin Ellen Tauscher.
Expertengruppen erarbeiteten in den vergangenen Jahren zahlreiche Empfehlungen zum weiteren Vorgehen. Zu ihnen gehört eine Vereinbarung zur Kennzeichnungspflicht von Kleinwaffen. Zumindest der illegale Handel könnte eingedämmt werden, wenn verborgene Waffenströme sichtbar gemacht werden. Eine weitere Expertengruppe regte strenge Restriktionen für Waffenhändler und Makler an. Allerdings gelang es bisher nicht, die Maßnahmen völkerrechtlich bindend zu machen, und so blieb es lediglich bei politischen Absichts-erklärungen.
Bereits rechtswirksam ist jedoch das Protokoll gegen die unerlaubte Herstellung von Feuerwaffen und den Handel mit ihnen. Wer Schußwaffen illegal herstellt, sie verkauft oder unerlaubt besitzt, kann jetzt bestraft werden. Die Vereinbarung, die allerdings erst von rund 80 Staaten signiert wurde, stellt die illegale Produktion und den unerlaubten Besitz von Schußwaffen sowie den Handel mit ihnen unter Strafe.
Trotz einiger Fortschritte bleiben viele Maßnahmen nur halbherzig. So sind die Waffenembargos, die die UNO bisher verhängt hat, systematisch gebrochen worden. Zwischenhändler und Transporteure liefern die Tötungsmittel selbst an Länder mit massiven Menschenrechtsverletzungen. Dadurch kommen diese Waffen auch bei Massakern, Vergewaltigungen und Vertreibungen von Zivilisten etwa in Sudan und im Kongo zum Einsatz. Als Herkunftsländer erscheinen immer wieder die USA, Italien, Israel, die Niederlande, Großbritannien, die Schweiz, die Ukraine, China, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Balkanländer. Auch aus Deutschland exportierte G3-Sturmgewehre werden in Pakistan und Afghanistan auf dem Schwarzmarkt gehandelt.
Konferenz der Hoffnungen
Auf die am Montag begonnene Konferenz, die sich in ähnliche alle zwei Jahre stattfindende Treffen einreiht, werden jetzt große Hoffnungen gesetzt. Tagungspräsident Pablo Macedo hat bereits im Vorfeld intensive Konsultationen geführt. So reiste der durch vielfältige Abrüstungsforen erfahrene Rechtsprofessor aus Mexiko unter anderem nach Genf, Kigali, New York, Sydney und Lima. In zwei Jahren treffen sich die Vertreter der Staaten dann zur nächsten Überprüfungskonferenz, auf der sie einschätzen, wie das Aktionsprogramm umgesetzt wird, und um die nächsten Schritte zu beraten.
Wolfgang Kötter