Ausland11. November 2009

Schweinegrippe in der Ukraine oder die Angst vor vernichtender Wahlniederlage

Juschtschenko denkt an Ausnahmezustand und Verschieben der Präsidentenwahl

In einem Beitrag der Internet-Zeitung »Russland-Aktuell« vom 2. November äußerte deren Chefredakteur Gisbert Mrozek die Vermutung, daß der ukrainische Präsident Juschtschenko die gegenwärtige Grippewelle in der Ukraine aus einer vorwiegend üblichen herbstlichen Grippe zu einer Schweinegrippeepidemie aufbauscht um den Ausnahmezustand zu verhängen und die für den 17. Januar geplante Präsidentenwahl hinauszuschieben. Er schreibt: »Natürlich denkt Präsident Viktor Juschtschenko schon über die Verhängung des Ausnahmezustands nach – und läßt seinen Außenminister bei der NATO um Hilfe nachfragen – denn je größer die vermeintliche Gefahr, desto heldenhafter erscheint hinterher die Rettung.

Und tatsächlich braucht Juschtschenko dringendst irgendeinen richtig großen Sieg für sich, denn sonst wird nichts aus dem Sieg bei den Präsidentenwahlen. Und die Gefahr, aus der Juschtschenko die Ukraine retten will, müßte schon so groß sein, daß die Heldentat ihn von gegenwärtig etwa 3 Prozent der Wählerstimmen auf 51 Prozent bringt.«

Wer dieses Szenario nicht glauben wollte oder für übertrieben hielt, wurde schon wenige Tage später eines Besseren belehrt. In einem Artikel, der am 6. November in der Zeitung »Ukrainskaja Praw­da« veröffentlicht wurde, verkündete Igor Popow, der stellvertretende Leiter des Sekretariats des ukrainischen Präsidenten, die Ansicht, die Wahl werde später stattfinden, sollte im Land wegen der Grippe-Epidemie der Notstand ausgerufen werden. »Falls der Notstand zwei Monate lang vor dem Wahldatum, dem 17. Januar bestehen sollte, könnte die Präsidentenwahl am 30. Mai durchgeführt werden, zeitgleich mit den Regionalwahlen.« Um den Wählern den Ausnahmezustand und den Versuch Juschtschenkos und seiner Clique, ihren Abtritt von der Regierungsmacht hinauszuzögern, schmackhaft zu machen, fügt Popow hinzu, durch die Zusammenlegung der Wahltermine könne der Staat eine Milliarde Griwna sparen.

Willi Gerns