Leitartikel16. November 2024

»Bommeleeër« ohne Hintermänner demnächst erneut auf der Anklagebank?

von Ali Ruckert

Ende Oktober dieses Jahres teilte der Kommunikations- und Pressedienst der Justiz mit, die richterliche Ratskammer des Berufungsgerichts habe entschieden, dass der »Bommeleeër«-Prozeß, der 2014 unterbrochen worden war, neu aufgerollt werden soll, und dass es ein separates Verfahren gegen acht Angeklagte geben wird.

Fünf ehemalige Führungskräfte der Gendarmerie, Charles Bourg, Aloyse Harpes, Pierre Reuland, Armand Schockweiler und Guy Stebens, sollen allerdings nicht als mutmaßliche Bombenleger, sondern wegen Falschaussage unter Eid angeklagt werden. Wegen Falschaussage werden sich auch die ehemaligen Ermittler in der »Bommeleeër«-Affäre, Guillaume Büchler und Paul Haan, sowie der frühere Angehörige der Gendarmerie-Spezialeinheit »Brigade Mobile de la Gendarmerie Grand-Ducale« (BMG) zu verantworten haben. Nicht mehr angeklagt ist hingegen der BMG-Gründer Ben Geiben.

Gegenwärtig sieht es danach aus, als würden bei dem zukünftigen Bombenleger-Prozeß die zwei bisher angeklagten Ex-BMG-Gendarmen Marc Scheer und Jos Willmes erneut die einzigen sein, die den Kopf herhalten werden für die Durchführung von anderthalb Dutzend Terroranschlägen, die während der Jahre 1984 und 1986 hierzulande durchgeführt wurden.

Die fünf ehemaligen höchsten Gendarmerie- und Polizeifunktionäre werden lediglich wegen Falschaussage unter Eid belangt. Der Anklagepunkt der Justizbehinderung wurde inzwischen fallengelassen. Und wie steht es mit versuchtem Mord, Körperverletzung, Brandstiftung, Verstößen gegen das Gesetz über die Stromversorgung und das Waffengesetz? Hatte es im ersten Prozeß nicht geheißen, dass mindestens sechs Bombenanschläge »nur durch ihren Schutz, ihren Rat und ihre Leitung möglich wurden«?

Noch während der Bombenserie und lange vor Beginn des ersten Prozesses war offensichtlich, dass die Terroranschläge nur von einer größeren Gruppe von Männern mit militärischer Erfahrung, großem Insiderwissen und Unterstützung bis in die höchsten Ränge von Gendarmerie, Polizei, Armee und Geheimdienst geplant und durchgeführt werden konnten.

Zu dieser Schlußfolgerung waren bereits damals unter anderem der viel zu früh verstorbene kommunistische Abgeordnete und KPL-Präsident René Urbany und der bekannte Rechtsanwalt Gaston Vogel gekommen. Anders als viele andere hatten sie sich auch intensiv mit der Frage beschäftigt, wer denn die Auftraggeber für die Terroranschläge waren, welche das Land während zwei Jahren in Atem gehalten hatte.

Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang, dass die damaligen Bombenanschläge keineswegs einzigartig waren, sondern, dass in einer ganzen Reihe von europäischen NATO-Ländern Terroranschläge durchgeführt wurden. Mit der von den USA und der NATO entwickelten »Strategie der Spannung« sollte die Bevölkerung dazu gebracht werden, einer Aufrüstung der Sicherheitskräfte und deutlich höheren Ausgaben für Aufrüstung und Militarisierung widerspruchslos zuzustimmen. Aber in diese Richtung wurde nicht ermittelt, denn das hätte geheißen, die Staatsräson in Frage zu stellen.

Im Gegensatz zu damals bedarf es heute allerdings keiner Terroranschläge, um die Sicherheitskräfte massiv aufzustocken, Rekordsummen für neue Waffen, Militärfahrzeuge und Spionagesatelliten zu verpulvern und die Bevölkerung ideologisch auf den nächsten Krieg vorzubereiten.

Der »Ennemie« ist der gleiche wie damals, außer dass er keinen roten Stern mehr auf der Pelzmütze trägt.