Auslands-Nachrichten
Gaza ist »die Hölle auf Erden«
Das UNO-Nothilfebüro OCHA fordert trotz der neuen israelischen Angriffe im Gazastreifen freien Zugang für Hilfskonvois. »Die humanitäre Hilfe muß ohne Vorbedingungen weitergehen«, schrieb die OCHA-Vertreterin vor Ort, Lynn Hastings, am Freitag auf X. In den vergangenen Tagen der Waffenruhe seien Tausende Tonnen an Nahrungsmitteln, Wasser, Treibstoff, Medizin und Decken für Palästinenser verteilt worden, sagte OCHA-Sprecher Jens Laerke in Genf. Doch seit Freitagmorgen sei der Gazastreifen erneut »die Hölle auf Erden«. Die Fortsetzung der Lieferungen sei nun ungewiß.
Israels Armee nahm am Freitag die Angriffe wieder auf und attackierte binnen weniger Stunden mehr als 200 Ziele im Norden und im Süden des abgeriegelten und zweigeteilten Küstenstreifens. Das Büro von Israels Ministerpräsident Netanjahu warf der Hamas einen Verstoß gegen die Vereinbarungen über eine Feuerpause vor. Nach Angaben von Vermittler Katar wurde aber zumindest weiter verhandelt. Vor einer Woche hatten Israel und die Hamas unter Vermittlung Katars, Ägyptens und der USA erstmals eine Feuerpause vereinbart, die zwei Mal kurz verlängert wurde. In der Zeit ließ die Hamas 105 Gefangene frei, und Israel im Gegenzug 240 palästinensische Häftlinge.
Derweil sorgte die »New York Times« für Aufsehen mit einem Bericht, daß Israel schon etwa ein Jahr vor dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober Hinweise auf genau solche Pläne hatte.
Dutzende Tote in Gaza
Gaza – Eine Verlängerung der Vereinbarung über eine Feuerpause gelang in der Nacht zum Freitag nicht mehr. Das Büro von Israels Ministerpräsident Netanjahu warf der Hamas vor: »Sie ist ihrer Verpflichtung, alle weiblichen Geiseln freizulassen, heute nicht nachgekommen und hat Raketen auf israelische Bürger abgefeuert.« Bei dem Beschuß aus dem Gazastreifen sollen nach israelischen Medienberichten in einem israelischen Grenzort fünf Soldaten verletzt worden sein.
Der Hamas-Funktionär Chalil Al-Haja sagte seinerseits dem arabischen TV-Sender Al-Dschasira, Israel habe »mehrere Angebote, Initiativen und Vorschläge« für eine Verlängerung der Feuerpause abgelehnt. »Wir standen bis heute Morgen mit den Vermittlern in Kontakt, aber die Gespräche über eine Feuerpause endeten, als die Bombenangriffe anfingen«, so der Hamas-Funktionär.
Nach Fristablauf um 6 Uhr am Freitagmorgen griffen israelische Kampfjets dann erneut Ziele in Gaza an. Der arabische Fernsehsender Al-Dschasira berichtete von schweren Kämpfen in der Stadt Gaza und anderen Gebieten im Norden. Im Zentrum des Küstenstreifens gebe es nahe der Flüchtlingslager Nuseirat und Bureidsch zudem Panzerbeschuß, hieß es. Die BBC meldete zudem Luftangriffe auch im Süden des Gazastreifens.
Israels Armee zog nachmittags eine erst Bilanz und sprach von 200 Zielen der Boden-, Luft- und Seestreitkräfte. Nach Angaben der Armee soll auf Gebiete gezielt worden sein, die mit Sprengstofffallen versehen waren, sowie auf »Schächte von Tunneln, Abschußrampen und operative Kommandozentralen«. Das Gesundheitsministerium in Gaza berichtete bei den Angriffen seien bis zum Nachmittag 109 Menschen getötet und hunderte weitere verletzt worden. Nur wenige Krankenhäuser seien noch in Betrieb und könnten Verwundete aufnehmen. Die Lage sei »katastrophal«.
UNO-Generalsekretär António Guterres schrieb auf der Plattform X: »Ich hoffe immer noch, daß es möglich wird, die Pause, die eingerichtet worden war, zu erneuern.«
USA-Außenminister Antony Blinken hatte am Vortag Israels Führung aufgefordert, Zivilisten im Gazastreifen zu schützen. Die zahlreichen Todesopfer unter der Zivilbevölkerung und die Vertreibung in einem Ausmaß, wie man sie im nördlichen Gazastreifen gesehen habe, dürfe sich im Süden nicht wiederholen, mahnte er.
UNICEF hat die Angriffe scharf verurteilt. »Heute haben die Machthaber entschieden, die Tötung von Kindern fortzusetzen«, sagte UNICEF-Sprecher James Elder am Freitag. Neue Angriffe auf die Menschen in Gaza würden nur »ein neues Blutbad« anrichten, aber sonst nichts bewirken, sagte er in einer Videoschalte aus dem Gazastreifen.
Israel war über Angriffspläne der Hamas informiert
New York – Hinweise auf einen geplanten Großangriff der Hamas lagen Israel laut einem Bericht der »New York Times« mehr als ein Jahr vor dem 7. Oktober vor. Es habe einen umfassenden Austausch israelischer Behörden zu einem 40 Seiten langen Dokument mit dem Codenamen »Jericho-Mauer« gegeben, das einen Gefechtsplan der Hamas skizzierte. Dieser soll bis ins Detail dem Angriff geähnelt haben, den Hamas-Leute dann Anfang Oktober aus dem Gazastreifen heraus ausführten, berichtete die Zeitung am Donnerstag (Ortszeit).
Jener Entwurf soll bereits »im vergangenen Jahr« in die Hände israelischer Behörden gelangt und dann in Militär- und Geheimdienstkreisen kursiert sein. Das Dokument, das der Zeitung übersetzt vorlag, habe zwar kein Datum für einen Angriff enthalten, aber einen genauen methodischen Überfall beschrieben, mit dem die Befestigungsanlagen um den Gaza-Streifen überwunden, israelische Ortschaften eingenommen und wichtige Militärstützpunkte, darunter eine Abteilungszentrale, gestürmt werden sollten. Vorgesehen waren Raketenbeschüsse zu Beginn, Drohnen, die die Überwachungskameras und automatisierten Maschinengewehre entlang der Grenze ausschalten, sowie Kämpfer, die in Massen mit Fallschirmen, Motorrädern oder zu Fuß nach Israel eindringen.
Drei Monate vor dem tatsächlichen Angriff warnte laut von der »New York Times« gesichteten Mails eine Geheimdienst-Analystin der Decodierungs-Einheit, daß die Hamas ein Training absolviert habe, das dem »Jericho-Mauer«-Dokument sehr nahekomme. »Ich widerspreche entschieden, daß das Szenario imaginär ist«, schrieb sie einem Armeeoberst der Gaza-Einheit. »Es ist ein Plan, konzipiert, um einen Krieg anzufangen. Es ist nicht nur ein Überfall auf ein Dorf.«
»Es gibt keinen Zweifel, daß der Angriff vom 7. Oktober ein Versagen unsererseits war. Natürlich war es ein Versagen«, sagte Israels Regierungssprecherin Tal Heinrich dazu dem USA-Sender CNN in der Nacht zum Freitag (Ortszeit). Auf die Frage, inwiefern Israels Premier Benjamin Netanjahu von dem Angriffsszenario gewußt beziehungsweise die Dokumente gelesen habe, sagte Heinrich: »Wir werden Untersuchungen anstellen. Der Ministerpräsident hat auch darüber gesprochen. Wenn es an der Zeit ist, wird er mehr sagen.«
Lula: »Wir haben nicht zwei Planeten Erde«
Dubai – Brasilien will als Vorreiter beim Klimaschutz vorangehen. »Wir haben nicht zwei Planeten Erde«, sagte Präsident Luiz Inácio Lula da Silva am Freitag bei der Weltklimakonferenz in Dubai. Es gelte, dringend schneller voranzukommen und die »einzigartige Spezies der Menschheit« zu schützen. Brasilien habe die Entwaldung im Amazonas bereits deutlich reduziert, bis 2030 soll sie auf Null sinken. Unter vergleichbaren Ländern habe man einen der ambitioniertesten Klimaschutzpläne. Auch die Treibhausgasemissionen wolle man um 53 Prozent bis 2030 reduzieren.
Brasilien wird 2025 Gastgeber der Weltklimakonferenz sein Es leidet selbst unter extremen Dürren. So ist der Pegelstand der Flüsse im Amazonasgebiet der niedrigste seit 120 Jahren. »Ich hätte mir nie vorstellen können, daß dies an einem Ort passieren würde, an dem wir das größte Süßwasserreservoir der Welt haben«, sagte Lula.
Aber die Zukunft des Amazonas hänge nicht nur von den Bewohnern dort ab, mahnte er. »Selbst wenn wir keinen einzigen Baum mehr fällen würden, könnte der Amazonas einen Punkt erreichen, an dem es kein Zurück mehr gibt, wenn andere Länder nicht ihren Beitrag leisten.« Der Anstieg der globalen Temperatur könne einen unumkehrbaren Prozeß der »Savannisierung« des Amazonas auslösen.
Euro beendet Höhenflug
Frankfurt/Main – Der Euro hat am Freitag nachgegeben und ist deutlich unter die Marke von 1,09 US-Dollar gefallen. Am späten Nachmittag kostete die Eurozonenwährung im Tief 1,0841 Dollar, nachdem sie am Morgen noch bei 1,0913 Dollar notiert hatte. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0875 (Donnerstag: 1,0931) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,9195 (0,9148) Euro.
Seit Donnerstag steht der Euro unter erhöhtem Druck, wohingegen er in den Tagen und Wochen zuvor meistens zugelegt hatte. Die Erwartung, daß die EZB ihre Leitzinsen schon ab dem Frühjahr 2024 reduzieren könnte, belastet die Währung. Derzeit ist eine erste Zinssenkung an den Finanzmärkten für kommenden April eingepreist. Terminkontrakte deuten auf Zinssenkungen um insgesamt mehr als einen Prozentpunkt im Jahresverlauf hin.
Verstärkt wurde der Druck auf den Euro am Freitagnachmittag. Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau sagte, die Inflation im Währungsraum gehe schneller zurück als erwartet. Bankvolkswirte bleiben allerdings skeptisch in der Frage, ob das Inflationsziel bald wieder nachhaltig erreicht werden kann. »Der Markt setzt wohl auf zu frühe EZB-Zinssenkungen«, meint Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
OSZE-Chefin behält vorerst ihren Posten
Skopje – Die deutsche Diplomatin Helga Schmid wird nach einer Kompromißlösung mit Rußland vorerst weiter die Organisation für Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa (OSZE) leiten. Die 57 OSZE-Staaten einigten sich am Freitag, Schmids Vertrag als Generalsekretärin um neun Monate zu verlängern. Das kündigten Nordmazedoniens Außenminister Bujar Osmani als OSZE-Vorsitzender und weitere Diplomaten am Ende des Außenministertreffens in Skopje an.
Die gleiche Lösung wurde für die drei OSZE-Vertreter für Minderheiten, Pressefreiheit sowie Demokratie und Menschenrechte gefunden. Das Leitungsteam der OSZE war Anfang Dezember 2020 für drei Jahre bestellt worden.
Bevor Schmid die Leitung des OSZE-Sekretariats in Wien übernahm, diente sie als Generalsekretärin des Auswärtigen Dienstes der Europäischen Union. Sie war führend an den Verhandlungen über das Atomabkommen mit dem Iran beteiligt, das 2015 abgeschlossen wurde.
Tusk will neue Regierung für Polen vorstellen
Warschau – Zwei Monate nach dem Wahlsieg der Opposition in Polen könnte das Land am 11. Dezember eine neue Regierung bekommen. Der Liberalkonservative Donald Tusk, unter dessen Führung drei prowestliche Parteien eine Mehrheit errungen hatten, rechnet damit, daß das Parlament an diesem Tag einen neuen Regierungschef gemäß dem Wählerwillen bestimmen wird. Noch am selben oder am nächsten Tag werde der neue Premier eine Regierungserklärung abgeben, kündigte Tusk am Freitag nach einem Gespräch mit Parlamentspräsident Szymon Holownia in Warschau an.
Es wird erwartet, daß der amtierende Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von der PiS am 11. Dezember im Parlament die Vertrauensfrage verliert. Präsident Andrzej Duda, der selbst aus den Reihen der PiS stammt, hatte trotz der Mehrheitsverhältnisse im Parlament Morawiecki mit der Regierungsbildung beauftragt und dessen Kabinett vereidigt. Da die PiS im Parlament aber nur 194 von 460 Sitzen hält und keinen Koalitionspartner hat, dürfte Morawieckis Kabinett bei der Vertrauensabstimmung durchfallen.
Das Parlament kann dann aus seiner Mitte eine von der Mehrheit gestützte Regierung bilden. In einem weiteren Schritt muß dieses Kabinett dann vom Präsidenten vereidigt werden.
Bahnstreik in Italien
Der am Donnerstag begonnene landesweite Bahnstreik hält am Freitag an. Neben den Beschäftigten der staatlichen Bahngesellschaft sind die Trenord und Italo Nuovo beteiligt. Die Gewerkschaften Filt-CGIL, Fit Cisl, Uiltrasporti, UGL Ferrovieri, Orsa Trasporti und Fast Confsal hatten zu dem Streik nach dem Zugunglück vom 28.November aufgerufen, bei dem ein Lastkraftwagen mit dem Regionalzug 5677 kollidierte und der Zugbegleiter und der Lastwagenfahrer ums Leben kamen. Die Gewerkschaften fordern eine Verbesserung der Eisenbahninfrastruktur und höhere Sicherheitsstandards. Am 15. Dezember soll ein weiterer Streik im Transportwesen folgen.
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