Seenot-Retter in Sizilien vor Gericht
Das Rettungsschiff »Ocean Viking« hat am Donnerstag vor der Küste Libyens 158 Menschen aus zwei Booten im Mittelmeer geborgen. Wie SOS Méditerranée mitteilte, befanden sich in den seeuntauglichen und überladenen Schlauchbooten unter anderem sechs schwangere Frauen, ein verletzter Mann und »mehrere Kinder«. Die Überlebenden hatten bis zu neun Stunden auf See verbracht, ehe sie gerettet wurden. Das zentrale Mittelmeer ist nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) die gefährlichste Fluchtroute der Welt. In dieser Region wurden im vergangenen Jahr 1.553 Tote und Vermißte registriert.
Unter den Seerettern befinden sich die deutschen Staatsbürger Kathrin Schmidt, Dariush Beigui, Sascha Girke und Uli Tröder, die 2016/2017 mehr als 14.000 Menschen im zentralen Mittelmeer vor dem Ertrinken gerettet haben. Als sie vor fünf Jahren mit Flüchtlingen im Hafen von Trapani auf Sizilien anlanden wollten, wurde ihr Schiff »Iuventa« beschlagnahmt und die Besatzung beschuldigt, irreguläre Einwanderung und libysche Menschenhändler zu begünstigen. Vor einem Gericht in der Hafenstadt Trapani auf Sizilien werden sie jetzt wegen »Beihilfe zur illegalen Einwanderung und anderer Verbrechen« angeklagt. Insgesamt stehen 21 Besatzungsmitglieder der »Iuventa« sowie anderer Schiffe sowie Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen und Save the Children vor Gericht. Bei einer Verurteilung drohen ihnen Haftstrafen bis zu 20 Jahren. Das Gericht wird am heutigen Samstag über den Antrag des Staatsanwalts entscheiden. Die gesamte Iuventa-Crew nimmt an der Anhörung teil, um zu beweisen, daß die Angeklagten nicht allein sein werden.
Die Anhörung wird von einer Welle von Protesten begleitet. Unterstützergruppen aus ganz Europa rufen zur Solidarität auf. In vielen europäischen Städten finden Aktionen und Demonstrationen statt. Vereine, Künstler und Persönlichkeiten fordern, die Anklage fallenzulassen und die Kriminalisierung der Solidarität mit Flüchtlingen zu stoppen.
Rechtsanwalt Nicola Canestrini, der die Angeklagten vertritt, erklärte, daß »in den 30.000 Seiten der Prozeßakte kein einziger Kontakt mit einem libyschen Schlepper« nachzuweisen ist: Sein Fazit: »Leben retten ist kein Verbrechen.« Er weist darauf hin, daß das Schiff in ungesetzlicher Weise überwacht wurde. »Die Brücke des Schiffes und die Angeklagten wurden abgehört, es gab verdeckte Agenten, Journalisten und Anwälte wurden abgehört«.
Zum Hintergrund dieses Justizskandals gehört, daß die sogenannte »Flüchtlingsabwehr«, die Tatsache, daß Zehntausende Menschen auf der Flucht vor Kriegen und Krisen dem Tod ausgeliefert wurden, unter dem Chef der faschistischen Lega Matteo Salvini, seit 2018 bis 2019 Innenminister, offizielle Regierungspolitik Italiens wurde. NOGs und andere Helfer wurden als Unterstützer der irregulären Einwanderung, der Schlepper und Menschenhändler diffamiert, was jetzt die Staatsanwaltschaft von Trapani zur Grundlage ihrer Anklage nimmt.