Ausland22. Dezember 2009

Ein grandioser Flop

Politische Erklärung statt rechtsgültiges Abkommen: UNO-Klimagipfel in Kopenhagen endete ohne Ergebnis

Nichts. Keine verbindliche Zahlen für die Reduktion der Treibhausgasemissionen, keine klare Regelung, wie den Entwicklungsländern bei der Anpassung an den Klimawandel geholfen wird, kein irgendwie rechtsgültiges Abkommen. Lediglich eine politische Erklärung ist nach den zähen, zweiwöchigen Verhandlungen beim UNO-Klimagipfel herausgekommen. Dieser endete am Samstag nachmittag in Kopenhagen nach zwei schlaflosen Nächten mit fast einem Tag Verspätung.

Nicht einmal verabschiedet wurde die Erklärung. Die Versammlung nahm sie lediglich zur Kenntnis. In der Nacht von Freitag zu Samstag war sie in kleiner Runde von 28 Staaten ausgehandelt worden. Gegen das Verfahren und den wachsweichen Inhalt gab es unter den anwesenden Vertretern von 192 Ländern soviel Widerstand, daß der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen das Handtuch warf und den Konferenzvorsitz abgeben mußte. Schließlich einigte man sich doch noch auf die Formel der Kenntnisnahme.

Auch die Anwesenheit von fast 120 Staats- und Regierungschefs hatte nicht den Durchbruch gebracht. »Mit viel Spannung« war am Freitag die Rede von US-Präsident Barack Obama erwartet worden, allerdings wurden alle Hoffnungen enttäuscht. Oba­ma war mit leeren Händen nach Kopenhagen gekommen und wiederholte nur, was seine Vertreter schon vorher gesagt haben: Die USA wollen nicht das Kyoto-Protokoll ratifizieren, sie wollen ein gänzlich neues Abkommen, sie wollen das Prinzip nicht akzeptieren, daß zuerst die Industriestaaten ihre Emissionen absenken müssen, und sie wollen im nächsten Jahrzehnt ihren Treibhausgasausstoß nur um einen lächerlich geringen Betrag reduzieren.

Auch die Vertreter der EU waren in den Verhandlungen nicht gerade vorantreibend. Zum einen haben auch sie versucht, den Schwellenländern den schwarzen Peter zuzuschieben. Zum anderen haben sie mit eigenen Angeboten gegeizt. Hätte die EU mehr Finanzhilfen und vor allem eine stärkere Reduktion der Treibhausgase – zum Beispiel 30 oder gar 35 Prozent statt der bisher angekündigten 20 Prozent bis 2020 – zugesagt, dann wäre der Druck auf die USA größer gewesen.

Polizeistaat

Die Konferenz war also ein grandioser Fehlschlag, während sich auf den Straßen Kopenhagens ein großer Erfolg entwickelte, wie es Tadzio Müller, einer der Sprecher des Netzwerks Climate-Justice-Action (CJA) formulierte. 100.000 Menschen waren aus aller Welt zur bisher größten Demonstration für effektiven und gerechten Klimaschutz zusammengekommen. Nicht einmal völlig überzogene Polizeieinsätze, bei denen selbst einige Teilnehmer der offiziellen Konferenz Knüppel zu spüren bekamen, konnten die Umweltschützer davon abhalten, ihren Protest auf die Straße zu tragen.

Rund 1.800 Personen waren während der zwei Wochen – oft unter entwürdigenden Bedingungen – vorbeugend festgenommen worden. In Käfigen wurden sie gehalten, zwischen denen Hunde patrouillierten und in die die Beamten mitunter Pfeffergas sprühten. 21 Menschen waren am Wochenende noch in Haft. Auch Tadzio Müller war unter dem Vorwurf verhaftet worden, gewaltsame Proteste organisieren zu wollen. Man hatte unter anderem seine Handy-Gespräche abgehört. Tatsächlich war er einer der Pressesprecher des Bündnisses, der Vorgang also auch ein Angriff auf die Pressefreiheit. Außerdem hatte das Netzwerk CJA in der Öffentlichkeit und in Vorgesprächen mit der dänischen Polizei immer wieder klargestellt, daß es ihm um gewaltfreien zivilen Ungehorsam ging.

Wie weiter?

Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel. Die Klimakonferenz hat technisch aus zwei Tagungen bestanden. Dem Treffen der 192 Mitgliedstaaten der Klimarahmenkonvention, zu denen auch die USA gehören, und die Versammlung der 189 Mitglieder des Kyoto-Protokolls, zu denen die USA nicht zählen. Letztere Versammlung hat schon vor vier Jahren eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in der zwischen den Konferenzen über weitere Verpflichtungen der Industriestaaten zur Reduktion ihrer Emissionen verhandelt wird. Diese Arbeitsgruppe hatte wesentliche Vorarbeit für die Kopenhagener Konferenz geleistet, krankt jedoch daran, daß die USA nicht mit an Bord sind, weil sie sich als einer der ganz wenigen Staaten weigern, das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren. Das Mandat dieser Arbeitsgruppe wurde jedenfalls von der Konferenz für ein Jahr verlängert. Auf der nächsten UNO-Klimakonferenz in einem Jahr in Mexiko soll sie ihre Ergebnisse vorlegen.

Allerdings waren in Kopenhagen und schon vor dem Gipfel verschiedene Gruppen der Entwicklungs- und Schwellenländer so aktiv wie nie zuvor. Es ist nicht auszuschließen, daß aus ihrem Kreis in den nächsten Monaten soviel diplomatischer Druck erzeugt wird, daß schon vor Mexiko Bewegung in die Verhandlungen kommt.

Wolfgang Pomrehn