Drei Oscars für Roadmovie »Nomadland«
Bester Film, beste Regie, beste Hauptdarstellerin: Das Roadmovie »Nomadland« triumphiert bei der Oscar-Verleihung. Chloé Zhao bekommt damit als zweite Frau überhaupt die begehrte Regie-Trophäe.
Das Roadmovie »Nomadland« hat drei der vier Haupt-Oscars gewonnen: Das Werk wurde zum besten Film gekürt, die aus China stammende Filmemacherin Chloé Zhao bekam den Oscar für die beste Regie und Schauspielerin Frances McDormand den Preis für die beste weibliche Hauptrolle. Sie spielt in »Nomadland« eine Frau, die aus wirtschaftlicher Not ihr Hab und Gut in ein Auto lädt und als Nomadin durch die USA zieht. Für die 63-jährige US-Amerikanerin ist es bereits der dritte Oscar als Hauptdarstellerin.
Mit Zhao wurde erst zum zweiten Mal in der 93-jährigen Oscar-Geschichte eine Frau mit dem Regie-Oscar geehrt. Vor ihr war das nur Kathryn Bigelow mit dem Kriegsdrama »Tödliches Kommando – The Hurt Locker« im Jahr 2010 gelungen.
Zum besten Hauptdarsteller wählten die rund 9.000 Mitglieder der Filmakademie den Briten Anthony Hopkins für seine Darstellung eines demenzkranken Mannes in »The Father«. Der 83-Jährige konnte den zweiten Oscar seiner Karriere jedoch nicht persönlich in Empfang nehmen. So endete die Preisverleihung etwas unvermittelt ohne Dankesrede. Denn der für die Show verantwortliche Filmregisseur Steven Soderbergh hatte diesmal mit einer langjährigen Tradition gebrochen: Als letzte Kategorie wurde nicht wie sonst üblich der beste Film gekürt, sondern der beste Schauspieler, was zu Verwunderung und Kritik im Netz führte.
Wegen der Corona-Pandemie hatte die 93. Verleihung der Academy Awards einen deutlich kleineren Rahmen als sonst. Als Hauptschauplatz der Oscar-Show diente das historische Bahnhofsgebäude der Union Station in Los Angeles. Die Nominierten saßen wie in einem Varieté in Sitzgruppen an Tischen und nicht wie sonst üblich im Saal des großen Dolby Theatre, was der Gala einen intimeren und persönlicheren Anstrich verlieh. Auch auf einen Moderator wurde diesmal verzichtet, es gab lediglich die prominenten Laudatoren, die die Gewinner verkündeten. Aufgrund der Reiseschwierigkeiten durch die Corona-Auflagen konnten aber nicht alle Oscar-Kandidaten und Laudatoren nach Hollywood kommen – sie wurden von ausländischen Standorten per Video zugeschaltet.
In den Nebendarsteller-Kategorien triumphierten zwei nicht-weiße Nicht-Amerikaner: Die Südkoreanerin Yuh-Jung Youn und der schwarze Brite Daniel Kaluuya. Die 73-jährige Youn wurde für ihre Leistung in »Minari – Wo wir Wurzeln schlagen« ausgezeichnet. Darin spielt sie die Großmutter einer koreanischen Familie in den USA.
Der Oscar für den besten Nebendarsteller geht an Daniel Kaluuya. Der 32-jährige schwarze Brite wurde für seine Leistung in »Judas and the Black Messiah« ausgezeichnet. Er spielt in dem Film über die Black Panther Party in den 1960er Jahren den Bürgerrechtler und Aktivisten Fred Hampton. Kaluuya wurde bereits 2018 für seine Rolle in dem Horrorfilm »Get Out« für den Oscar nominiert. Bekannt wurde er mit der britischen Fernsehserie »Skins – Hautnah«. »Judas and the Black Messiah« bekam auch den Oscar für den besten Song: »Fight For You« von H.E.R., Dernest Emile II und Tiara Thomas.
Mit weiteren Preisen wurden ebenfalls Filme über Nicht-Weiße gewürdigt: Sergio Lopez-Rivera, Mia Neal und Jamika Wilson etwa gewannen in der Sparte Make-up/Frisur für das Musikdrama »Ma Rainey's Black Bottom« über die schwarze Sängerin Ma Rainey. Für das beste Kostümdesign wurde Ann Roth ausgezeichnet – für denselben Film.
Den Auslands-Oscar erhielt die dänische Sozialsatire »Der Rausch« von Regisseur Thomas Vinterberg. Er widmete den Preis seiner Tochter Ida. Sie sollte Teil des Films werden, doch kurz nach Beginn der Dreharbeiten war sie bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.
Zudem politische Töne bei den Oscars: ein halbstündiger Spielfilm über Polizeigewalt und Rassismus hat in der Sparte »Bester Kurzfilm« gewonnen. Sichtlich gerührt dankten die Macher von »Two Distant Strangers« hinter den Kulissen der Filmakademie. »Es ist erstaunlich, daß wir hier einen Oscar in der Hand halten, für einen Film über Polizeibrutalität«, sagte der Afroamerikaner Travon Free vor Journalisten. »Das ist unglaublich.«
Der Rapper Joey Badass spielt darin einen Mann, der in einer Zeitschleife feststeckt und täglich neu von einem Polizisten getötet wird. Die Idee dazu sei ihm bei den Demonstrationen der »Black Lives Matter«-Bewegung nach den vielen Fällen von tödlicher Polizeigewalt gegen Schwarze gekommen, sagte Travon Free. »Das fühlte sich an, als würde man die die schlimmste Version des Films ‚Groundhog Day’ (Und täglich grüßt das Murmeltier) immer wieder erleben.«
In seiner Dankesrede auf der Bühne hatte der Filmemacher dazu aufgefordert, gegenüber der täglichen Gewalt nicht gleichgültig zu werden. Jeden Tag würden Polizeibeamte in den USA im Durchschnitt drei Menschen töten. Das seien rund 1.000 Opfer jedes Jahr, mahnte Travon Free. Ko-Regisseur Martin Desmond Roe dankte dem Streamingdienst Netflix dafür, daß der Kurzfilm weltweit ein Publikum finden konnte.
Auch bei ihrer achten Oscar-Nominierung ist Glenn Close leer ausgegangen – doch für viele war sie trotzdem der Star des Abends. Der Grund: Eine besondere Tanzeinlage. Während der Show in der Nacht zu Montag sprang die 74-Jährige von ihrem Platz auf und ließ ihre Hüften zum Song »Da Butt« kreisen. Filmregisseur Spike Lee hatte das Lied für seinen »brillanten« Film »School Daze« (1988) schreiben lassen, erzählte Close. Sie kritisierte, daß der Film damals nicht für einen Oscar nominiert wurde. Im Netz sorgte ihre Tanzeinlage für viel Begeisterung.
Anders als in den Jahren zuvor ist die 93. Verleihung der Academy Awards nicht mit der Krönung des besten Films zu Ende gegangen. Statt dem bisher klassischen Finale mit den wichtigsten Kategorien am Schluß (Regie, bester Hauptdarsteller, beste Hauptdarstellerin und Film) wurde die Regie-Auszeichnung deutlich nach vorne gezogen und schon als 7. von 23 Preisen überreicht. Und auch auf den »Besten Film« mußte das Publikum diesmal nicht bis zum Ende warten. Stattdessen wurde als letzte Auszeichnung die des besten Hauptdarstellers an Anthony Hopkins überreicht – der allerdings nicht anwesend war.