Bei Minusgraden auf die Straße geworfen
Lkw-Fahrer aus Simbabwe bestreiken jetzt zwei Tochterfirmen der Spedition Hegelmann
Zehn Lkw-Fahrer aus Simbabwe sind am 24. Januar an Raststätten in Deutschland, Frankreich und Italien in Streik. Sie fordern die Auszahlung ausstehender Löhne und menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Laut Informationen der gewerkschaftsnahen Organisation Road Transport Due Diligence (RTDD) sowie ver.di arbeiten die Fahrer für Global Transporte Slovakia, einer Tochter der Spedition Hegelmann Group, die in Baden-Württemberg ansässig ist.
Die Fahrer werden mit 30 Euro pro Tag abgespeist, berichtet ver.di. Davon müssen sie auch noch Mautgebühren begleichen, sagt Edwin Atema von RTDD.
Aus eins mach zwei: Den Streik von zehn Lkw-Fahrern aus Simbabwe, die von Global Transporte Slovakia nach Europa gelockt worden waren und dann um den Großteil der vereinbarten Löhne geprellt wurden, haben sich Lkw-Fahrer der polnischen Spedition Flare Trans zum Vorbild genommen. Etwa ein Dutzend von ihnen, ebenfalls in Simbabwe angeworben, streiken auf Rastplätzen in ganz Deutschland.
Mehrere der streikenden Flare-Trans-Fahrer berichteten Medien gegenüber, ihnen sei ein Monatslohn von 2.500 Euro versprochen worden. Ausgezahlt bekämen sie deutlich weniger, teils nicht einmal 1.500 Euro. »Sie sollen uns geben, was sie uns versprochen haben«, sagte Adam M. gegenüber »SWR aktuell«. M. streikt auf einem Parkplatz an der Karlsruher Südtangente. Er bekomme auch Schäden an dem Lkw, den er fahre, in Rechnung gestellt. M. berichtete dem SWR, er werde täglich von Flare-Trans-Mitarbeitern unter Druck gesetzt. »Sie kommen hier vorbei und wollen den Lkw mitnehmen.« Die Polizei Karlsruhe bestätigte gegenüber SWR zwei Einsätze in der Sache. »Ich bin traurig und habe Angst«, sagte Adam M.
Seine Angst ist begründet. Der 39-jährige Lkw-Fahrer Roberto Midolo ist einer der zehn Streikenden bei Global Transporte Slovakia. Nach knapp zwei Wochen Streik wurde er von Gesandten seines Ausbeuters aus seinem Lkw gescheucht, berichtete das Regionalmagazin »buten un binnen« von Radio Bremen am 7. Februar. Midolo sei bei Minusgraden auf einer Raststätte in Wildeshausen zurückgelassen worden, mit seiner Kleidung und Lebensmitteln in Plastiktüten. Das Personal der Raststätte habe ihm Unterschlupf gewährt.
Edwin Atema von der gewerkschaftsnahen Stiftung Road Transport Due Diligence berichtete »buten un binnen«, fast zeitgleich seien »Trupps« auf Rastplätzen in Deutschland, Frankreich und Italien aufgetaucht, um die Lkws von Global Transporte Slovakia zurückzuholen. Den Streikenden sei mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht worden. Einige Männer sollen sich als Interpol-Beamte ausgegeben haben, um den Fahrern Angst zu machen. Sie sollen die Streikenden zudem genötigt haben, Aufhebungsverträge zu unterschreiben, in denen die Fahrer auf sämtliche Ansprüche verzichten. Robert Midolo verweigerte seine Unterschrift und leistete auch der Anordnung, mit den Männern in die Slowakei zu fahren, keine Folge.
In Alsfeld verhinderte ein Polizist den Abtransport des Sattelaufliegers eines streikenden Fahrers von Flare Trans, berichtete die »FAZ« am 12. Februar. Die Ladung sei nicht ordnungsgemäß gesichert gewesen. Er habe den Sattelauflieger nach Aufforderung von Flare Trans übernommen, sagte der streikende Fahrer. Für die Sicherung sei ein Kollege zuständig gewesen.
Global Transporte Slovakia, Flare Trans und Hegelmann Group streiten die Vorwürfe gegen sie ab, was wenig glaubwürdig ist.
Um einige der Streikenden von Flare Trans kümmert sich Thorsten Dossow, Geschäftsführer des ver.di-Bezirks Mittelbaden-Nordschwarzwald. Die Gewerkschaft bringt Essen und Getränke und leistet auch rechtlichen Beistand. Den Fall von Adam M. nannte er gegenüber »SWR aktuell« einen »Fall von moderner Sklaverei«. Den Fahrern aus Simbabwe werde das Blaue vom Himmel versprochen. »Letztendlich bekommen sie dann aber hier nicht mal einen Apfel und ein Ei.«
Wolfgang Evers, ver.di-Sekretär im Bezirk Bremen-Nordniedersachsen, erklärte gegenüber »buten und binnen«: »Solche Machenschaften in der Branche nehmen immer mehr zu – es wird höchste Zeit, politisch gegenzusteuern.«
Ungewöhnlich: In Alsfeld hilft auch ein lokaler Transportunternehmer zwei Streikenden. Das Branchenmagazin »eurotransport.de« berichtete in einem gut recherchierten Beitrag vom 13. Februar darüber. Man habe »auf der einen Seite Sklaventum«, in Deutschland hingegen gingen immer mehr Transportunternehmen pleite, »weil sie halt zu diesen Preisen nicht fahren können«. Das Magazin kritisiert, die Auftraggeberhaftung durch das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz werde kaum durchgesetzt. Die Auftraggeber nutzten bewußt intransparente Subunternehmerstrukturen, um Kosten zu senken. Viele Auftraggeber würden erst durch öffentlichen Druck aktiv, wenn ihr Name genannt werde.
Drei der streikenden Fahrer haben laut Medienberichten mittlerweile ihre ausstehenden Löhne überwiesen bekommen – wohl auf Druck der Auftraggeber hin. Die Fracht ihrer weiterhin streikenden Kollegen scheint den Firmen weniger wichtig zu sein.

