Ausland16. März 2020

Spuk vorbei!?

Keiner will die »Nazi-Expo« aus Den Bosch

Die Ausstellung »Design van het Derde Rijk« (Design des Dritten Reiches) verschaffte dem kleinen Designmuseum im niederländischen Den Bosch in vier Monaten 120.000 Besucher – dreimal so viele wie bei jeder anderen Schau in dem Haus. Nun verschwinden die Hakenkreuzfahnen, SS-Uniformen und die Kommode aus Adolf Hitlers Büro größtenteils wieder in Kellern deutscher Archive.

Ursprünglich sollte die im September unter Protesten eröffnete Ausstellung auf Reisen gehen, doch kein Museum will sie übernehmen. »Wir haben Gespräche mit Museen in Amerika und Deutschland geführt, aber daraus sind keine konkreten Pläne geworden«, wurde Museumsdirektor Timo de Rijk in der Onlineausgabe der Tageszeitung »De Volkskrant« zitiert. Man kann nur hoffen, daß es dabei bleibt. Das Haus der Kunst in München will seine nach Den Bosch verliehenen Exponate allerdings in andere Ausstellungen integrieren, sagte eine Sprecherin auf Anfrage der Tageszeitung »junge Welt«.

Wie kalkulierte Formgebung die perfide Naziideologie stützte, hatten Museumschef de Rijk und Gastkonservator Almar Seinen (der ein SS-Sporthemd aus seiner Sammlung beisteuerte) mit der Schau zeigen wollen, lieferten dann aber nur dürftige Erklärungsansätze zu hübsch drapierten Nazidevotionalien, weshalb der Bund der niederländischen Antifaschisten (AFVN) die Stadtverwaltung erfolglos zum Eingreifen aufforderte.

Eine lange Suche nach Exponaten hatten Direktor und Gastkonservator auch nach München geführt, ins Haus der Kunst und ins Zentralinstitut für Kunstgeschichte. Beteiligen wollten sich die Bayern ausdrücklich nicht. »Ihre Einstellung war eher, wir gucken mal wie es läuft und was wir daraus lernen können«, erinnerte sich De Rijk in »De Volkskrant«.

Dem Museum in Den Bosch war sein Publikum offenbar selbst nicht ganz geheuer. Es stellte, obwohl nur eine kleine Anzahl an Besuchern zeitgleich ins Museum durfte, zusätzliche Sicherheitsleute ein, die vor allem Selfies vor Hakenkreuzfahnen und Hitler-Porträts verhindern sollten; ein Team des Museums fahndete in »sozialen Medien« nach solchen Fotos. Auffallend: Vor allem ältere Männer besuchten die Ausstellung – sonst sind es zu zwei Dritteln Frauen im Designmuseum.

Bei den Protesten erhielt die Schau, der Verherrlichung des Faschismus vorgeworfen wurde, den Beinamen »Nazi-Expo«. Die Kommunistische Jugendbewegung der Niederlande (CJB), die eine Demonstration organisierte, erklärte, es sei unmöglich, eine »objektive Ausstellung« über Faschismus und faschistische Kunst zu machen.
Direktor De Rijk ist da anderer Meinung: »Ist die Kunst des Nationalsozialismus Teil der Kunstgeschichte? Ich denke schon, und das muß man zeigen«, sagte er gegenüber »De Volkskrant«. Er betrachte die Ausstellung als Mahnung. Wie konnten die Nazis so viele auf ihre Seite ziehen? Design habe dabei eine wichtige Rolle gespielt, glaubt De Rijk.

Die Wogen der Empörung glätteten sich mit der Zeit, schlugen aber noch einmal hoch, als die Ausstellung auch am 26. Januar öffnete, dem Tag der Befreiung von Auschwitz. Das Designmuseum liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der ehemaligen Synagoge der Stadt, wo drei Marmortafeln an die 293 von den Nazis ermordeten Juden aus Den Bosch erinnern.

Gerrit Hoekman

Protest gegen die Eröffnung der »Nazi-Expo« am 28. September 2019 in Den Bosch (Foto: EPA-EFE/Rob Engelaar)