Gefährlicher Präzedenzfall: Bewertungssystem durch die Hintertür wieder eingeführt
CGFP wirft der Regierung Verstoß gegen das Gehälterabkommen vor
Im Dezember 2022 hatten sich die Regierung und die Staatsbeamtengewerkschaft CGFP auf ein neues Gehälterabkommen im öffentlichen Dienst für die Jahre 2023 und 2024 geeinigt und festgehalten, dass das umstrittene Bewertungssystem im Staatsdienst zum 1. Januar dieses Jahres abgeschafft würde.
Um so erstaunter waren die Gewerkschafter, als sie feststellen mussten, dass im Gesetz, mit dem die Armee einen neuen gesetzlichen Rahmen erhält, und das in der letzten Chamberwoche im Juli verabschiedet wurde, ohne dass eine Rücksprache mit der Berufskammer der öffentlich Bediensteten stattfand, erneut ein Beurteilungssystem durch die Hintertür eingeführt wird. Zurückgegriffen wurde auf ein Benotungssystem, das in den 1950er Jahren durch einen großherzoglichen Beschluss eingeführt wurde.
Die CGFP sieht darin einen klaren Verstoß gegen das jüngste Gehälterabkommen und fordert daher, wie CGFP-Präsident Romain Wolff am Mittwoch anläßlich einer Pressekonferenz betonte, auch nach der Verabschiedung des Gesetzes, dass Artikel 32 über die Wiedereinführung des Bewertungssystems ersatzlos gestrichen wird. Erschwerend kommt hinzu, dass Militärangehörige nicht nur aufgrund beruflicher, sondern auch ethnischer Kriterien bewertet würden.
Schlichtungsverfahren gegen die Regierung in die Wege geleitet
Weil die Gewerkschaft in dieser Nacht- und Nebelaktion der Regierung einen gefährlichen Präzedenzfall erkannte, beschloss der CGFP-Nationalvorstand bereits am 18. Juli dieses Jahres einstimmig, sofort ein Schlichtungsverfahren gegen die Regierung in die Wege zu leiten, so dass innerhalb der nächsten Wochen eine erste Schlichtungssitzung stattfinden müsste.
Die Sache ist dringend, denn offenbar findet der Vorstoß der Regierung gegen die mit der CGFP getroffenen Vereinbarung über die vollständige Abschaffung des Bewertungssystem im Staatsdient, bereits Nachahmer. Laut CGFP zieht die Staatsbank und Staatssparkasse BCEE bereits in Erwägung, zur »Rentrée« im Herbst wieder ein Benotungssystem für die Beschäftigten einzuführen.
Der Vertragsbruch der Regierung ist umso gravierender, als auch die drei Regierungsparteien in ihren Antworten auf die Wahlprüfsteine der CGFP angaben, dass sie nicht gedenken, die Abschaffung des Bewertungssystems rückgängig zu machen.
Das ist in gewisser Weise eine Neuerung, denn bisher wurden die Wahlversprechen immer erst nach den Wahlen gebrochen, wenn die Parteien es dank ihrer unehrlichen Versprechen geschafft hatten, in die Regierung zu kommen.
Wahlprüfsteine
Gelegentlich der gestrigen Pressekonferenz stellte die CGFP die Ergebnisse der Wahlprüfsteine vor, welche die Gewerkschaft im Juni dieses Jahres neun Parteien (LSAP, DP, Gréng, CSV, adr, déi Lénk, Focus, KPL, Piraten) in Form von 50 Fragen zum öffentlichen Dienst und zu einer Reihe von aktuellen Themen zukommen ließ.
Die Fragen und die Antworten der Parteien zum öffentlichen Dienst im Allgemeinen, zum neuen Gehälterabkommen für den öffentlichen Dienst, zum Wohnungsbau, zur Steuerpolitik, zur Sozialpolitik, zur Bildung, zu Wirtschaft und Wachstum, zum Gesundheitswesen und zur Klima- und Umweltpolitik sieht die CGFP als Orientierungshilfe für die Wähler, »als Beitrag, damit die Bürger – insbesondere die Staatsbediensteten – in voller Kenntnis der Sachlage die Wahlkabine betreten«.
Die Fragen und Antworten sind im Wortlaut auf 23 Seiten in einer Sondernummer der CGFP-Publikation »fonction publique« zu finden, welche den knapp 34.000 Gewerkschaftsmitgliedern diese Woche zugestellt wurde. Eine Wahlempfehlung spricht die CGFP nicht aus.