Vulkanologin erwartet Ausbruch am größten Gletscher Europas
Reykjavík – Nach einer heftigen Erdbebenserie wird in Island mit einem möglichen Vulkanausbruch am größten Gletscher Europas gerechnet. Magma häufe sich rund zehn Kilometer unterhalb des Vulkans Bárðarbunga im Nordwesten des Gletschers Vatnajökull an, sagte die für Vulkane und Erdbeben zuständige Abteilungsleiterin der isländischen Meteorologiebehörde, Kristín Jónsdóttir, dpa. In den vergangenen Monaten habe die Aktivität zugenommen, und man habe größere Erdbeben in der Region erlebt, weil sich unterirdisch Druck aufbaue.
»Und das kann nur zu einem führen: Letztendlich wird es eine Eruption geben.« Es sei jedoch äußerst schwierig, den Zeitpunkt vorauszusagen – möglicherweise könne es sogar noch Jahre dauern, bis es so weit sei. Auch könne es ganz unterschiedliche Arten von Ausbrüchen geben: Käme es zu einem unter dem Gletscher, dann würde dies zu katastrophalen Fluten führen, warnte Jónsdóttir.
Der Vatnajökull gilt als der größte Gletscher Europas außerhalb der Polargebiete. Rund um das riesige Vulkansystem Bárðarbunga, das von dem Eiskoloß zum Teil bedeckt wird und zum Teil nicht, war es am Dienstag zum heftigsten Erdbebenschwarm seit zehn Jahren gekommen – damals hatte es anschließend einen monatelangen Vulkanausbruch gegeben. Innerhalb weniger Stunden wurden nun 130 Beben verzeichnet, darunter 17 mit einer Stärke von 3,0 auf der Richter-Skala und höher und ein Erdbeben der Stärke 5,1.
Die isländische Zivilschutzbehörde rief daraufhin die Unsicherheitsstufe aus, was bedeutet, daß sie die Lage und ihre mögliche Bedrohung für Mensch, Umwelt und Infrastruktur genau beobachtet. Seitdem hat sich die Erde zunächst wieder beruhigt.
Die Vulkangefahr an einem isländischen Gletscher erinnert unweigerlich an den Ausbruch am Eyjafjallajökull, der 2010 mit einer kilometerhohen Aschewolke tagelang den internationalen Flugverkehr lahmgelegt hatte. Wie damals handle es sich auch im aktuellen Fall um einen von einem Gletscher bedeckten Vulkan, doch derjenige damals sei deutlich kleiner als der Bárðarbunga gewesen, gab die Vulkanologin zu bedenken.
Bei einer Eruption innerhalb des Gletschergebietes müsse man wohl mit einer ähnlichen Situation rechnen, sagt Jónsdóttir – einschließlich Aschewolke mit möglichen Folgen für den Flugverkehr. Alles hänge davon ab, wie kräftig der Ausbruch sei, wie lange er dauere und wohin der Wind wehe. Zugleich habe man damals vom Eyjafjallajökull gelernt, wodurch die Auswirkungen auf den Luftverkehr diesmal vermutlich geringer ausfallen würden.
Die Lage am Bárðarbunga ist deutlich anders als auf der Reykjanes-Halbinsel südwestlich der Hauptstadt Reykjavík, wo es seit 2021 immer wieder zu Spalteneruptionen kommt. Dabei bildet sich ein meist kilometerlanger Erdriß, aus dem glühendheiße Lava sprudelt.
Trotz der Regelmäßigkeit dieser Naturschauspiele weist Vulkanologin Jónsdóttir darauf hin, daß die Bedrohung durch solche Ausbrüche immer wieder real sei – und der nächste bevorstehe. »Wir erwarten die nächste Eruption Anfang Februar oder schon Ende Januar, also sehr bald«. Ihre Folgen seien aber weitgehend lokal begrenzt, während der Bárðarbunga eine viel größere Region betreffen könnte.