Kaleidoskop21. Dezember 2024

Wie Archäologen in Ägypten zufällig das Grab einer Priesterin fanden

von dpa/ZLV

Berlin – Auch nach vielen Jahren der Feldarbeit und Erfahrung war es für den Ägyptologen Jochem Kahl ein Highlight. Ein von ihm geleitetes Forscherteam hat im Sommer im ägyptischen Assiut ein fast 3.900 Jahre altes und sehr gut erhaltenes Grab einer altägyptischen Priesterin entdeckt. »Es war nie die Absicht, Idy zu finden«, sagte der Wissenschaftler, der Professor an der Freien Universität Berlin ist, dpa. »Das war völlig überraschend.«

Das Grab befindet sich in einem etwa 200 Meter hohen Berg aus Kalkstein, in dem zur Zeit der Pharaonen ungefähr 10.000 Menschen bestattet wurden, schätzt der Experte. Vor allem Reiche wurden dort begraben. Das Grab von Priesterin Idy wurde von der Forschung jahrhundertelang übersehen. Der Fund ist Kahl zufolge ein absoluter Glücksfall: »Es ist selten, heutzutage ein Grab in Ägypten zu finden, das ein relativ komplettes Grabinventar hat.«

Neben den zwei ineinandergeschachtelten und mit kunstvollen Zeichnungen und Texten versehenen Holzsärgen fand das internationale Forscherteam in der Kammer unter anderem Statuen, einen Dolch und Kanopen (Gefäße für die menschlichen Eingeweide). Idys Mumie sei von antiken Grabräubern zerfleddert worden, sagte Kahl. Ihre Knochen hätten nicht mehr im Sarg, sondern in einer Ecke der Kammer gelegen.

Idy sei Priesterin der Göttin Hathor gewesen und habe den Ehrentitel »Herrin des Hauses« getragen, was sie als Sproß einer reichen Familie ausweise. Die Wissenschaftler schätzen, daß sie ungefähr 40 Jahre alt wurde.

Die Ritualtexte auf dem Sarg enthielten Ratschläge, wie der Übergang vom Dies- ins Jenseits gelinge, oder Frage-und-Antwort-Spiele, die Idy habe bestehen müssen. »Also zum Beispiel: Ich bin das Gestern. Ich kenne das Morgen, was bedeutet das?«, übersetzte der Ägyptologe. Auch sei eine Liste mit Opfergaben auf die Innenseite des Deckels gezeichnet worden, die ihr symbolisch mit auf den Weg gegeben worden seien. Darunter unter anderem Brot, Bier, Öl, aber auch Pfeil und Bogen und 2.000 Harfen.

Die Grabkammer befindet sich in der Seite eines rund 14 Meter tiefen Schachts innerhalb des Grabes ihres Vaters Djefai-Hapi I., das aus der Zeit um das Jahr 1880 vor unserer Zeitrechnung stammt. Im Oktober wurde erstmals über den Fund berichtet. Das Grab hat Räume, die bis zu elf Meter hoch und 28 Meter tief sind. Sie sind 70 Meter weit in den Berg gebaut. »Das ist das größte nichtkönigliche Grab seiner Zeit in Ägypten«, so Kahl.

Für die Ausgrabung mußten er und seine Kollegen durch enge Schächte krabbeln. Bei 40 Grad und feuchter Luft sei das eine richtige Knochenarbeit. Sie erfordere »Unerschrockenheit und viel Herzblut«. Rund 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und 40 bis 80 ägyptische Grabungsarbeiter seien jedes Jahr von Mitte August bis Mitte Oktober in Assiut beschäftigt. Die Arbeiten finden in Zusammenarbeit mit den Universitäten Sohag in Ägypten und Kanazawa in Japan sowie der Polnischen Akademie der Wissenschaften statt.

Nun werden die Funde aus Idys Grab von Ägyptologen, Grabungstechnikern, Restauratoren, Archäozoologen, Holzanatomisten, Anthropologen, Fotografen und Grabungstechnikern untersucht und auch der Schacht soll genau inspiziert werden. Was passiert mit Idy, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind? »Sie wird wieder auf den Berg zurückgebracht.«