Ausland18. September 2018

Ohne Trump zum Frieden

USA außen vor: Nord- und Südkorea wollen Gipfeltreffen in Pjöngjang für Entspannung auf der Halbinsel nutzen

Entscheidende Tage für den Friedensprozeß auf der Koreanischen Halbinsel: Nach bisher zwei Treffen am 27. April und 26. Mai im Grenzort Panmunjom reiste am Dienstag der Staatschef Südkoreas, Moon Jae In, zu einem dreitägigen Staatsbesuch in die Koreanische Demokratische Volksrepublik (KDVR). Auf seiner Reise begleiten den Präsidenten mehr als 200 hochrangige Politiker und Repräsentanten der führenden Wirtschaftsunternehmen des Landes, die von Seoul aus direkt in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang fliegen, wo auf Einladung von Staatschef Kim Jong Un am Dienstag abend ein Staatsbankett vorgesehen ist.

Moon will die »Denuklearisierung« der Halbinsel in den Mittelpunkt dieses dritten Gipfeltreffens mit seinem nordkoreanischen Amtskollegen stellen. Neben diesem Kernthema sollen, so Moons Stabschef Im Jong Seok auf einer Pressekonferenz am Montag in Seoul, die Verbesserung der zwischenstaatlichen Beziehungen, ein Besucheraustausch sowie Maßnahmen zur Entspannung der militärischen Lage auf der Agenda stehen. Bereits in der vergangenen Woche wurde in der nordkoreanischen Stadt Kaesong ein Verbindungsbüro eröffnet, in dem beide Seiten täglich direkt zusammenarbeiten. Seoul hat dazu eigens 20 Beamte in das Nachbarland entsandt.

»Wir können nicht sicher voraussagen, wie erfolgreich der Ausgang dieses Gipfeltreffens sein wird«, betonte Im. Doch Moon werde alles tun, um bei den Atomverhandlungen, die bislang vor allem zwischen der KDVR und den USA geführt wurden, zu vermitteln und konkrete Schritte einzuleiten. Kim Jong Un hatte bei seinen früheren Gesprächen mit Moon sowie beim Treffen mit USA-Präsident Donald Trump am 12. Juni in Singapur seine Bereitschaft zur »kompletten Denuklearisierung« erklärt und seitdem mehrere Gesten des guten Willens gezeigt. Eine Raketentestanlage wurde zerstört, die vormals allgegenwärtigen martialischen Anti-USA-Propagandaposter sind weitgehend verschwunden, und bei den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Staatsgründung wurde auf das Zurschaustellen von Interkontinentalraketen verzichtet. Es gab eine neuerliche Begegnung von Familienbeider koreanischer Staaten, und den USA wurden die Überreste gefallener GIs aus dem Koreakrieg (1950–53) übergeben.

Washington beharrt indes weiterhin darauf, die gegen die KDVR verhängten Sanktionen aufrechtzuerhalten. Politische Hardliner und mächtige konservative Medien in den USA werden nicht müde, eine nie und nirgendwo vereinbarte »sofortige und vollständige Denuklearisierung« zu verlangen. Die atomare Abrüstung sei jedoch, so kontern die Medien der KDVR, ein Prozeß, der jeweils abgestimmter gegenseitiger Schritte bedarf.

In Pjöngjang hat man im Vorfeld der Moon-Visite eingewilligt, erstmals eine teilweise Liveberichterstattung des Gipfeltreffens beider Staatschefs zu gewährleisten. »Der Norden und der Süden sollten aktiv die neue Geschichte von Frieden, Wohlergehen und Wiedervereinigung gestalten, indem beide Seiten Kraft und Weisheit entfalten, um die Errungenschaften auf dem Weg zur Umsetzung der Panmunjom-Deklaration wertzuschätzen«, schrieb die »Rodong Sinmun«, das offizielle Organ der in der KDVR regierenden Partei der Arbeit Koreas, zum Wochenbeginn. Soviel Eintracht war noch nie.

Rainer Werning

Empfang des südkoreanischen Präsidenten Moon am Dienstag in Pjöngjang (Foto: AFP)