Macron gegen Arbeitslose
Scharfes Regelwerk soll dem französischen Staat fast dreieinhalb Milliarden Euro »sparen« . Gewerkschaften toben
Die Umverteilung von unten nach oben im Frankreich Emmanuel Macrons wird fortgesetzt und trifft nun auch die ungefähr 5,6 Millionen Menschen ohne Arbeitsplatz. Der Staatschef ließ seinen rechtskonservativen Premier Edouard Philippe am Dienstagnachmittag ein neues, scharfes Regelwerk zur Arbeitslosenversicherung verkünden. Es sieht in erster Linie vor, das Recht auf finanzielle Unterstützung im Fall des Arbeitsplatzverlustes abzubauen. Betroffen sind vor allem Lohnabhängige, die sich in Zeiten des entfesselten Finanzkapitalismus gezwungenermaßen von Kurzvertrag zu Kurzvertrag hangeln müssen.
Die französischen Gewerkschaften reagierten entsprechend : Die Confédération générale du travail (CGT) erklärte, Macron setze »Sparmaßnahmen auf dem Rücken der Arbeitslosen« durch. Es sei außerdem klar, heißt es in einer Stellungnahme, daß Macron und seine Freunde im Patronatsdachverband Medef Menschen ohne Beschäftigung »zwingen wollen, jegliche prekäre Anstellung zu akzeptieren, schlecht bezahlt und unter schwierigsten Bedingungen« . Auch der Generalsekretär der Confédération française démocratique du travail (CFDT), Laurent Berger, verurteilte die »budgetäre Logik« des den neoliberalen Kurs des Präsidenten unterstreichenden Gesetzes. Es sei zusammengezimmert worden, »ohne die von Frauen und Männern gelebte Realität zu kennen« , und führe zu einer »drastischen Beschneidung« der bisherigen Rechte der Arbeitslosen.
Mit seinem Gesetz hat es der Staatschef offenbar auf jene von ihm wiederholt so genannten »Faulen« abgesehen, die es sich angeblich »im System bequem gemacht« hätten. Ab dem 1. November dieses Jahres sollen daher Lohnabhängige, die ihren meist prekären Job verloren haben, mindestens sechs der vergangenen 24 Monate – statt bisher vier – gearbeitet haben, um das Recht auf Arbeitslosenunterstützung zu erwerben. Allein diese Maßnahme werde der notorisch klammen Arbeitsbehörde UNEDIC ungefähr 2,85 Milliarden Euro in die Kassen spülen. Einen großen Batzen soll auch die Regelung bringen, geschaßten Lohnempfängern der mittleren Einkommensschicht – oberhalb von 4.500 Euro monatlich – nach sechs Monaten ohne Beschäftigung die Bezüge um 30 Prozent zu kürzen. Nicht unterschritten werden soll ein Basisbetrag von 2.200 Euro.
Premier Philippe und seine Arbeitsministerin Muriel Pénicaud, frühere Sozialdemokratin und Personalchefin des französischen Nahrungsmittelriesen Danone, wollen mit Hilfe des neuen Regelwerks rund »150.000 bis 200.000« Menschen ohne Arbeitsplatz »auf den Weg zu einer Arbeitsstelle führen« . Wie Philippe gestand, können derzeit 20 Prozent der Bezugsberechtigten »besser von der Stütze leben als von ihrer Arbeit« . Ziel der Regierung ist es offenbar, diesen Trend umzukehren – das heißt, die finanzielle Unterstützung zu senken und die Zahl der prekären Kurzverträge zu beschränken.
Unternehmen, die in erster Linie mit solchen zeitlich stark begrenzten Arbeitsverträgen wirtschaften, sollen mit einer wohl eher symbolischen Steuer in Höhe von zehn Euro pro Kurzarbeiter belegt werden. Ironische Reaktion des Medef-Präsidenten Geoffroy Roux de Bézieux : »Eine Strafmaßnahme, die keinerlei Folgen haben wird.« Im übrigen sei Macrons neuestes Kürzungspaket allerdings lobenswert. Es werde »den Anstellung Suchenden sicher erlauben, ganz schnell zur Arbeit zurückzufinden« .
Die seit März zu Gesprächsrunden eingeladenen sogenannten Sozialpartner – Gewerkschaften und Patronatsverbände – hatten die Verhandlungen in der vergangenen Woche aus unterschiedlichen Motiven abgebrochen. Weil Macron und Pénicaud keinen Zentimeter ihres festabgesteckten Terrains freigaben, hieß es bei der CGT. Mit Hinweis auf das im neoliberalen Duktus »Unbeweglichkeit« genannte Standvermögen von CGT und CFDT gab Macron schließlich Order, das Gesetz ohne Änderung des Wortlauts durchzuziehen. Nach dem Arbeitsmarktgesetz von 2017 und dem Gesetz zur Berufsausbildung von 2018, ist die Arbeitslosenversicherung bereits das dritte Regelwerk, das Macron per Dekret – also ohne weitere Diskussion im Parlament – durchbringt.
Hansgeorg Hermann, Paris
Proteste der französischen Gewerkschaften in Montpellier gegen die »Reformen« von Präsident Emmanuel Macron (22.5.2019) (Foto : EPA-EFE)