Luxemburg15. Juli 2023

Unendliche Arbeitswelten

Seit dem 4. Juli gilt auch für Lohnabhängige in Luxemburg außerhalb der Arbeitszeit ein Recht auf Nichterreichbarkeit. Strafen werden aber erst in drei Jahren verhängt

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Die neuen »SocioNews« der Chambre des salariés (CSL) haben das Gesetz vom 28. Juni 2023 über eine Änderung des Arbeitsgesetzbuchs hinsichtlich der Einführung einer Regelung zum Recht auf Abschalten (Loi du 28 juin 2023 portant modification du Code du travail en vue d’introduire un dispositif relatif au droit à la déconnexion) zum Thema.

Schon Anfang 2021 hatte das EU-Parlament die Kommission aufgefordert, ein entsprechendes Gesetz für alle EU-Staaten auf den Weg zu bringen, aber die Mühlen der EU mahlen bekanntlich langsam. Frankreich war schon 2016 vorgeprescht und verbot Unternehmen, Lohnabhängigen außerhalb der Arbeitszeit zu belästigen. 2017 folgte Italien, wo nun ein Gesetz vorschreibt, daß das Patronat für »Smart Worker, also Schaffende mit flexiblen Arbeitsregelungen, eine Vereinbarung aufsetzen muß, in der ihr Recht auf Nichterreichbarkeit und die Regeln für Ruhe- und Arbeitszeiten dargelegt werden. Seit November vergangenen Jahres riskiert das Patronat in Portugal Geldstrafen, wenn Schaffende nach Arbeitsschluß per SMS, Anruf oder E-Mail kontaktiert werden. Denn die Kontaktaufnahme nach Feierabend wird als Verletzung der Privatsphäre betrachtet.

Auch in Belgien soll das Recht auf Nichterreichbarkeit vom öffentlichen auf den Privatsektor ausgedehnt werden, während es ein solches Recht in Deutschland nicht gibt. Dort stellen die Arbeitsgerichte bei Streitfällen aber meist darauf ab, daß es auch keine Pflicht zur Erreichbarkeit außerhalb der vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten gibt. Der Tenor: Wer Freizeit hat, arbeitet nicht – und muß daher auch nicht erreichbar sein.

Für Luxemburg legt das Gesetz vom 28. Juni 2023 fest, daß »Unternehmen, deren Beschäftigte digitale Geräte für berufliche Zwecke nutzen«, seit dem 4. Juli angehalten sind, auf betrieblicher oder sektorieller Ebene »Maßnahmen zu ergreifen, die die Einhaltung und die praktische Umsetzung des Rechts auf Nichterreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit gewährleisten«, schreibt die CSL. Dazu gehörten praktische Modalitäten und technische Maßnahmen zur Trennung digitaler Werkzeuge genauso wie Sensibilisierungs- und Schulungsmaßnahmen sowie Entschädigungsregelungen in begründeten Ausnahmefällen.

Die Regelung des Rechts auf Nichterreichbarkeit werde entweder in den Kollektivvertrag aufgenommen oder es müsse eine betriebliche Regelung geben. Hat ein Betrieb mit weniger als 150 Lohnabhängigen eine Personaldelegation, müssen die gewählten Salariatsvertreter vorab unterrichtet und angehört werden. In Betrieben ab 150 Lohnabhängigen solle die Regelung von der Unternehmensleitung und der Personaldelegation »im gegenseitigen Einvernehmen« eingeführt werden.

Betrieben, die sich nicht an das Gesetz halten, droht eine Strafe zwischen 251 und 25.000 Euro, die vom Direktor der Arbeitsinspektion ITM unter Berücksichtigung der Umstände und der Schwere des Verstoßes sowie des Verhaltens des Urhebers nach Feststellung des Verstoßes verhängt wird. Im Gesetz ist jedoch vorgesehen, daß die Sanktionen erst nach Ablauf einer dreijährigen Schonfrist, also ab dem 4. Juli 2026, verhängt werden können. Das Gesetz schreibt zudem fest, daß alle Kollektivvertragsverhandlungen auch eine Nichterreichbarkeitsregelung zum Thema haben müssen.