Luxemburg03. Juli 2021

Ablenken, herumreden, nichts tun außer falschen Fährten legen:

Eine Verschwörung der Profiteure der Wohnungsnot

von Jean-Marie Jacoby

Letzten Samstag haben wir in diesen Spalten betont, es profitierten nicht nur 160 Großgrundbesitzer-Familien von der aktuellen Lage am Wohnungsmarkt. Wir haben gezeigt, wie die aushaftenden Hypothekarkredite explodiert sind in den letzten Jahren, das ganz ohne eine vergleichbare Explosion bei der Zahl fertiggestellter Wohnungen. Das ganze Gerede der aktuell Regierenden über eine Wohnbauoffensive hat in keinem Jahr dazu geführt, daß genug fertiggestellt worden wäre, um die neu ins Land Zuziehenden ordentlich unterzubringen.

Diese Woche verschwendeten die Abgeordneten sehr viel Zeit aufs Thema Wohnen. Die von uns gelieferten Angaben, unterlegt mit Tabellen von www.statec.lu, spielten dabei überhaupt keine Rolle.

Auslandskapital wird angelockt

Sie wurden genauso wenig einer Erwähnung für würdig gehalten wie die Tatsache, daß der Premier als aktiver »cogestionnaire« einer  »Société Commerciale Immobilière« in Paris tätig ist. Mit der SCI Arlux und seinem Ehegespons als zweiten »cogestionnaire« versucht er wie andere Immobilienfirmen vagabundierendes ausländisches Kapital, das auf der Suche nach einer profitablen Anlage ist, auf den Luxemburger Immobilienmarkt zu lenken.

Auf www.immotop.lu – wie auf vielen anderen vergleichbaren Seiten – heißt es unter »immobilienbezogene Vorteile: »höheres Wachstum des Immobilienwerts als in den Nachbarländern, die Nachfrage liegt seit mehreren Jahren über dem Angebot, sehr wenige leer stehende Immobilien, vor allem in Großstädten«.

Gut, über die Großstädte können wir den Kopf schütteln, aber das dient ja dazu, Kunden anzulocken. Sie bekommen das, falls sie nicht gleich verstanden hätten, noch klarer gesagt: »Für Investoren, die sich für das Großherzogtum Luxemburg interessieren, stehen alle Ampeln auf Grün. Die Kaufpreise sind nach wie vor sehr hoch und könnten deshalb ein Hindernis darstellen. Da die Nachfrage das Angebot aber seit einigen Jahren übersteigt, stehen die Chancen gut, daß sich ein Mieter für Ihre Immobilie findet. Für eine gewinnbringende Investition müssen Sie lediglich sicherstellen, daß Ihre Mieteinnahmen höher sind als Ihre monatlichen Kreditabzahlungen.« Und dazu kommt der jährliche Wertzuwachs, der letztes Jahr den historischen Höchststand von +14,5% erklomm.

 In der Chamber aber wird parliert, als ob es dies nicht gäbe. Da wir öfter darauf hingewiesen haben, kann Unwissen nicht die Ursache sein.

Altersarmut droht

Preissteigerungen nicht nur durch Inlandsnachfrage, sondern auch durch auf den Markt drängendes Auslandskapital, zeitigt bereits deutlichen Folgen. Immer mehr im Land wohnen nicht mehr in einer Eigentumswohnung, etwas das in Luxemburg Tradition hat, weil es die bestmögliche Altersabsicherung des Lebensstandards ist. Da die Pension weniger hoch ausfällt als der Lohn davor, hilft es enorm, im Alter keine Miete zahlen zu müssen!

2007 wohnten noch 74,5 Prozent im Eigentum, 2019 sind das gerade noch 70,9%, womit sich Luxemburg immer weiter von den Werten der Karibik-Insel Kuba entfernt, wo über 90% in einer Wohnung leben, die ihnen gehört. Das tut weh, umso mehr so Altersarmut heranwächst.

Aber auch das war diese Woche in der Chamber keiner Erwähnung wert, nicht einmal in einem Nebensatz. Gut, deren Mitglieder, ebenso wie jene der Regierung, sind davon nicht bedroht. Im Gegenteil, die meisten dieser Leute besitzen deutlich mehr als das, in dem sie wohnen. Sie gehören zu den Profiteuren steigender Mieten. Darüber hinaus sind die führenden Köpfe der Baufirmen, der Bauträger und der Immobilienfirmen wie die 160 Großgrundbesitzer-Familien ihre engsten Freunde.

Eine verschworene Gemeinschaft

All diese Leute gehören zu den oberen Tausend des Landes, und sie arbeiten für ihre Interessen. Das ist wenig verwunderlich. Verwunderlich ist vielmehr, wenn das Wahlvolk glaubt, es könne anders sein, und die Abgeordneten und Minister seien bereit so einzugreifen, daß sie ihren Profit mit der Wohnungsnot abschießen könnten.

Dafür bräuchte es rasch 40.000 soziale Mietwohnungen und übers Land verteilt 1.000 Wohnungen für ein »Housing-First-Konzept«, womit das Recht auf Wohnen für alle abgesichert wäre und die Mietpreise und in ihrem Gefolge jene für den Kauf nach unten gingen. Das wäre nur machbar mit deutlich mehr Bauarbeitern, also gilt es das unbedingt zu verhindern.

So werden falsche Fährten gelegt. Es wird ein wenig auf die Großgrundbesitzer geklopft, die angeblich keine Grundstücke rausrücken. Und es wird lamentiert über die lange Zeit, die von den bürokratischen Prozeduren bis zur Baugenehmigung verbraten wird. »Es muß etwas geschehen«, schallt es von allen Seiten, aber es geschieht nichts.

Kürzere Prozeduren würden auch nichts ändern, denn dieselbe Zahl Bauarbeiter kann aus mehr Baugenehmigungen nie mehr fertiggestellte Wohnungen zaubern. Und es war noch nie ein Problem, die nötigen Grundstücke zu kriegen für die Wohnungen, die dien aktuellen Bauarbeitern bauen können.

Eine weitere falsche Fährte ist jetzt das Versprechen, die öffentlichen Bauträger würden mehr fertigstellen – und das mit Verweis auf Großprojekte, die allerdings alle maximal fünf Dutzend Wohnungen pro Jahr abwerfen. Das ist nichts anderes als eine Nebelkerze mehr, um eine profitable Situation für wenige auf Kosten der Vielen zu verewigen!