Ausland30. Dezember 2009

Rumänen sollen Zähne zusammenbeißen

Präsident und Regierungschef bleiben die alten – ihre Politik ebenso

Die rumänischen Präsidentenwahlen 2009 sind seit vergangener Woche endgültig Geschichte. Nach Fälschungsvorwürfen, Nachzählungen und Gerichts­entscheiden wurde die Gültigkeit der Stichwahl vom 6. Dezember bestätigt. Das heißt: Traian Basescu wird eine weitere Amtszeit zugebilligt. Obwohl seine erste Amtsperiode reich an Skandalen und Konflikten mit dem Parlament war. Sogar ein Amtsenthebungsverfahren hatte der einstige Hochseekapitän über sich ergehen lassen müssen.

Zum Ministerpräsidenten ernannte Basescu erneut Emil Boc, den Vorsitzenden der Liberaldemokratischen Partei (PDL), der seine erste Regierung nach den Parlamentswahlen Ende 2008 gebildet hatte. Schon nach sechs Monaten war das Kabinett jedoch durch den Austritt der Sozialdemokraten auseinandergefallen, so daß Boc bis Oktober mit einer Minderheitsregierung amtierte, die schließlich durch ein Mißtrauensvotum gestürzt wurde. Da ein neues Kabinett wegen des Zwistes zwischen Präsident und Parlamentsmehrheit nicht gebildet werden konnte, führte Boc jedoch im Auftrag des Präsidenten weiter die Geschäfte – bis er jetzt auf Vorschlag Basescus mit überraschend großer Mehrheit (276 gegen 135 Stimmen) wiedergewählt wurde.

Die Regierung Boc wird getragen von seiner PDL, der Demokratischen Union der Ungarn in Rumänien (UDMR), der Fraktion der nationalen Minderheiten und einer Gruppe von Unabhängigen, die aus anderen Parteien ausgetreten sind. In der Opposition verbleiben die Sozialdemokratische Partei (PSD), die größte des Landes, und die Nationalliberalen (PNL). Beide Parteien hatten einander im Präsidentenwahlkampf unterstützt, erlitten aber eine unerwartete Niederlage.

So konnte der Präsident denn die »Modernisierung der rumänischen Gesellschaft« zum Hauptvorhaben für seine zweite Amtszeit erklären. Bestandteil dieses Konzepts ist die »Verwirklichung der Reform des Staates«. Basescu hatte parallel zum ersten Durchgang der Präsidentenwahl am 22. November eine Volksabstimmung durchgedrückt. 77 Prozent der Wahlteilnehmer sprachen sich dabei für die Schaffung eines Einkammerparlaments aus, das Senat und Abgeordnetenkammer ersetzen soll. Sogar 88 Prozent stimmten für die Reduzierung der Zahl der Abgeordneten von derzeit insgesamt 471 auf höchstens 300. Dadurch sieht sich Basescu ermächtigt, diese Vorhaben auch gegen den Widerstand der Parlamentarier durchzusetzen. Weiterer Streit ist also programmiert.

Zur beabsichtigten Reform des Staates gehören überdies die Fortsetzung der Justizreform und die Bekämpfung der Korruption. Dadurch solle das »Verhältnis zwischen Staat und Bürgern« verändert werden. Den bisherigen Mangel an gegenseitigem Vertrauen führt Basescu auf die Vergangenheit Rumäniens zurück. Die Gesellschaft habe noch immer das Gefühl, daß nicht die ganze Wahrheit über 1989 gesagt wurde und daß »nicht alle Schuldigen bestraft wurden«. Schon die erste Amtszeit Basescus war stark durch die Verurteilung der »kommunistischen Vergangenheit« geprägt.

Außenpolitisch sieht sich Rumänien der Teilnahme an den Prozessen in der EU verpflichtet, ausdrücklich erklärt Basescu jedoch die strategische Partnerschaft mit Frankreich und den USA zum Stützpfeiler der rumänischen Außenpolitik. Die USA würden als ein Land bewundert, »das die Demokratie verteidigt hat und verteidigt und sie symbolisiert«.
Ministerpräsident Emil Boc verlangte von den Rumänen, daß sie in den nächsten sechs Monaten »die Zähne zusammenbeißen«, vor allem die ersten sechs Monate des neuen Jahres würden »schwierig«.

Wenn im Januar mit erheblicher Verspätung der Haushalt 2010 verabschiedet wird, darf das Land auf die Auszahlung der nächsten Rate jenes 20-Milliarden-Euro-Kreditpakets hoffen, daß der Internationale Währungsfonds (IWF) und die EU Rumänien im vergangenen Frühjahr zugesagt hatten. Die Zahlungen waren wegen der politischen Krise gestoppt worden. Ohnehin sind sie an einschneidende Sparmaßnahmen gebunden. So rechnet man mit dem Ausscheiden von mindestens 100.000 Staatsbediensteten, die Gewerkschaften fürchten insgesamt 280.000 Entlassungen.

Am politischen Kurs soll sich indessen wenig ändern. Nach wie vor geht es der Regierung darum, günstige Bedingungen für ausländische Investitionen in Rumänien zu schaffen. Deshalb soll der einheitliche Steuersatz von 16 Prozent unangetastet bleiben, die Mehrwertsteuer bleibt bei 19 Prozent. Für 2010 verspricht man sich ein Wirtschaftswachstum um ganze 1,3 Prozent. Ausdrücklich betonte Boc, daß der IWF diese Erwartung teile. Auch alle anderen Kennziffern seien in Verhandlungen mit den internationalen Finanzinstitutionen abgestimmt worden.

Eine Verbesserung der sozialen Lage ist nicht vorgesehen. Wohl aber wiederholte Boc die Versprechungen bisheriger Regierungen bezüglich des Straßen- und Autobahnbaus, der Verbesserung des Schienenverkehrs und der Beseitigung der Bürokratie. Mit anderen Worten: Rumänien wird nicht nur von der alten Regierung geführt, die Bürger erwartet auch die alte Politik.

Anton Latzo