Ausland12. November 2021

Italiens Innenminister will Proteste in Stadtzentren verbieten

von Gerhard Feldbauer

Angesichts der auch in Italien wieder stark ansteigenden Corona-Infizierungen will Italien die anhaltenden Proteste gegen den »Green Pass« in den Stadtzentren praktisch verbieten. Der Verzicht auf Anti-Covid-Regelungen habe oft zu einer gefährlichen Ansteckungszunahme geführt, heißt es zur Begründung in einem am Mittwoch veröffentlichten Rundschreiben des Innenministeriums an die Präfekten. Es weist an, die Demonstranten seien »von sensiblen Zielen wie Parteizentralen, Gewerkschaften und institutionellen Orten fernzuhalten«.

Innen-Staatssekretär Carlo Sibilia betonte: »Aufmärsche werden verboten, und dies gilt für alle Demonstrationen, nicht nur für die der Impfgegner«. Laut dem Mailänder »Corriere della Sera« dürfen Demonstrationen auch nicht mehr durch Einkaufsstraßen verlaufen. Angesichts des Ansteigens der Infektionen in der Stadt von 70.000 auf 230.000 begrüßte der Präfekt von Triest die Richtlinie, die »konsequent angewendet« werde.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums gab es am Dienstag mit einem Anstieg von 4.197 vom Montag auf 6.032 Covid-Testpositive, davon eine Zunahme von 38 auf 68 Todesfälle, einen Höchststand in den letzten Wochen. 3.436 Infizierte mußten in Krankenhäuser eingewiesen werden. Insgesamt sind wieder 100.205 Menschen Covid-Positiv und die Todesfälle seit Beginn der Pandemie betragen 132.491, womit Italien weltweit an siebter Stelle steht. Die Zahl der Erkrankten und Geheilten beträgt 4.586.009.

Ab 15. Oktober hatte die Draghi-Regierung per Dekret in Italien als erstem EU-Land den »Green Pass« mit einem sogenannten 3G-Nachweis (geimpft, genesen, getestet) auch am Arbeitsplatz eingeführt. Ohne ihn gibt es seitdem keinen Zutritt zur Arbeitsstätte, zum Ristorante, Fitnesscenter, Kino oder Theater, keine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Während danach laut dem Impfkoordinationszentrum die Impfquote um 35 Prozent anstieg und dieses Niveau gehalten wurde, hielten die Proteste gegen den »Green Pass« in Rom, Triest, Mailand und zahlreichen Städten weiter an. Wie ANSA berichtete, riefen die Behörden »die Demonstranten vergeblich auf, Mundschutz zu tragen und Abstand zu halten«. Der Mailänder Bürgermeister Giuseppe Sala verurteilte die Proteste.

Insbesondere Gaststätten und Einkaufszentren hatten gefordert, Demonstrationen gegen den »Green Pass« in den Geschäftsvierteln nicht länger zuzulassen, da sie Kunden fernhalten. Der Chef des Verbandes der Einzelhändler Confcommercio, Carlo Sangalli, hatte gegenüber ANSA erklärt, daß durch die Demonstrationszüge bis zu 30 Prozent des Umsatzes verloren gingen.

Vor allem die Lega Matteo Salvinis hatte vor den Wahlen zu den Kommunalparlamenten und der Bürgermeister im Oktober versucht, Anti-Corona Proteste für einen Sieg der faschistischen Kandidaten zu nutzen – eine Strategie, die bekanntlich scheiterte. Wo Impfgegner auftraten, mischten sich die Legisten unter sie oder zogen sie bei eigenen Protesten auf ihre Seite. So auch bei den schweren Ausschreitungen der faschistischen Forza Nuova (FN), bekanntermaßen ein Stoßtrupp der Lega, vor der Stichwahl am 17./18. Oktober. Dabei überfielen und verwüsteten ihre Schläger die Zentrale der Gewerkschaft CGIL, weil diese dem »Green Pass« zugestimmt hatte.

Danach hatten u.a. die Gewerkschaften, der sozialdemokratische Partito Democratico (PD), die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), der Partisanenverband ANPI an Premier Draghi die Forderung gestellt, alle diese Formationen, die sich auf den Faschismus beziehen, müssten aufgelöst werden. Der mit den Faschisten der Lega und der Forza Italia (FI) Berlusconis regierende Draghi, der laut Verfassung dazu berechtigt ist, hat das abgelehnt. Er läßt erstmal eine »juristische Studie« anfertigen, die »die Möglichkeit der Auflösung von Gewalt anwendenden Formationen wie Forza Nuova« klären soll. Draghis Haltung ist eindeutig. Sein Ziel ist klar: Die Sache soll im Sande verlaufen, weshalb dieser Hintergrund beim Vorgehen gegen Corona-Proteste tunlichst ausgeklammert wird.