Libanon auf der Suche
Ausländische Kräfte mischen im Wahlkampf mit
Am Sonntag, 15. Mai finden im Libanon Parlamentswahlen statt. In 48 Ländern haben Auslandslibanesen bereits am 8. Mai gewählt. Es ist das zweite Mal, das Libanesen im Ausland an den Parlamentswahlen in ihrer Heimat teilnehmen können. Die Wahlen werden von einer EU-Delegation beobachtet.
Nach Angaben des libanesischen Außenministeriums hatten sich zu den diesjährigen Wahlen 195.000 Wahlberechtigte in libanesischen Botschaften und Konsulaten im Ausland registrieren lassen. Anderen Bei den letzten Wahlen 2018 waren es 224.000 Wahlberechtigte. Die größte libanesische Diaspora lebt in lateinamerikanischen Ländern wie Brasilien, Argentinien und Venezuela. Auch in den USA, Kanada, Australien, Rußland, in EU-Ländern und in afrikanischen Staaten konnten Auslandslibanesen wählen, hieß es in einer Meldung der Nachrichtenagentur AP.
In zehn muslimischen Ländern, darunter Iran, Irak, Syrien, Saudi Arabien und Katar, waren die Wahllokale für Libanesen schon am Freitag den 6. Mai geöffnet. Der Freitag gilt in muslimischen Ländern als religiöser Feiertag. In Dubai, in den Vereinigten Arabischen Emiraten bildeten sich trotz großer Hitze lange Schlangen vor dem Konsulat. In Doha, der Hauptstadt des Emirats Katar, lag die Wahlbeteiligung der in Katar registrierten 7.340 libanesischen Wahlberechtigten nach Angaben der Libanesischen Botschaft bei 66 Prozent (4.872 Personen). 2018 hatten sich demnach nur 1.800 Libanesen in Doha für die Wahl registriert.
Die Zahl der im arabischen Ausland lebenden Libanesen hat sich seit Beginn der Wirtschaftskrise im Zedernstaat 2019 deutlich erhöht. Schätzungen zufolge haben seitdem jährlich mehrere zehntausend – darunter ganze Familien – das Land auf der Suche nach Arbeit verlassen. Besonders hart ist der Libanon von der Abwanderung junger Menschen betroffen, die ihr Studium abgeschlossen haben. Ärzte, medizinisches Fachpersonal, aber auch Lehrer und Professoren suchen im Ausland nach Arbeit.
Das libanesische Außenministerium veröffentlichte bereits erste Zahlen über die Wahlbeteiligung im Ausland. Danach beteiligten sich in Australien 55%, in den Vereinigten Emiraten 44,6% in Europa 20% und in afrikanischen Ländern 13% an den Wahlen.
Das libanesische politische System unterliegt einem konfessionellen Proporzsystem, das die französische Mandatsmacht dem Land als schwere Hypothek hinterlassen hat. Große Überraschungen sind bei den Wahlen nicht zu erwarten. Die höchsten politischen Ämter sind ebenso wie die Verteilung im Parlament als auch bei den Wahllisten nach Christen, sunnitischen Muslimen und schiitischen Muslimen aufgeteilt. Der Präsident ist demnach ein maronitischer Christ, der Ministerpräsident ein sunnitischer Muslim und der Parlamentspräsident ein schiitischer Muslim.
Aktuell sind diese Posten von Präsident Michel Aoun, Ministerpräsident Najib Mikati und Parlamentspräsident Naji Berri besetzt. Die Amtszeit von Präsident Aoun läuft im Oktober aus, das neue Parlament muß dann einen neuen Präsidenten bestimmen. Ministerpräsident Mikati hat angekündigt, nicht erneut für das Amt zur Verfügung zu stehen. Parlamentspräsident Berri steht selbst bei eigenen Anhängern in Kritik.
Die Parlamentswahlen im Libanon finden alle vier Jahre statt. Aus den letzten Wahlen 2018 ging die libanesische Hisbollah mit einer verbündeten Allianz als Sieger hervor. Seitdem ist das Land schweren Herausforderungen ausgesetzt. Im Oktober 2019 führten Proteste zum Rücktritt der damaligen Regierung von Saad Hariri. Das Land befindet sich in einer beispiellosen wirtschaftlichen und Finanzkrise, die die politischen Eliten und Verantwortliche der Zentralbank zu verantworten haben.
Nach dem Rückzug des ehemaligen Ministerpräsidenten Saad Hariri aus der Politik und der Auflösung seiner Mustaqbal Partei, befinden sich besonders die sunnitischen Muslime in einer schwierigen Situation. Arabische Golfstaaten versuchen auf die sunnitischen Muslime Einfluß zu nehmen und unterstützen neue Listen, die sich der Öffentlichkeit als Unabhängige präsentieren.
Auch die Europäische Union versucht Einfluß auf die Parlamentswahlen zu nehmen. Deutschland agiert dabei durch einige der politischen Stiftungen, die diejenigen unterstützen, die als »Revolution« und »Opposition« auftreten. Die Unterstützung erfolgt in Form der Finanzierung von Projekten, Medien, Seminaren und Auslandsbesuchen seit 2019, als eine große Protestbewegung im Libanon den Rücktritt des damaligen Regierungschefs Saad Hariri erzwang.
Deutsche Diplomaten in Beirut bis hin zu Botschafter Andreas Kindl treffen sich regelmäßig mit Vertretern verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen, die auch finanziell unterstützt werden. Angehörige traditioneller Parteien, die bei den Wahlen am 15. Mai als »Unabhängige« antreten, werden ebenfalls gefördert.
Kritisch beobachtet werden sie dabei von libanesischen Medien, die seit längerem die Arbeit ausländischer und auch deutscher politischer Stiftungen unter die Lupe nehmen. Die Tageszeitung »Al Akhbar«, die der Hisbollah nahesteht, berichtete Ende April darüber, wie »Deutsche bei den Wahlen im Libanon« antreten.
»Politische Institutionen, die deutschen Parteien verbunden sind«, machten Wahlwerbung, schrieb Al Akhbar. Namentlich genannt wurden die Konrad Adenauer- und die Friedrich-Ebert-Stiftung, die der deutschen CDU bzw. der SPD nahestehen. Dabei wurde darauf verwiesen, daß die Stiftungen mit Geld der deutschen Bundesregierung finanziert würden (95% ihre jährlichen Budgets) und damit Regierungsgelder für Wahlwerbung im Libanon für Debatten bei sozialen Medien, in Podcasts oder Videos eingesetzt würden. Ziel sei es, Alternativen zur »korrupten aktuellen Macht« zu präsentieren. Auf Anfrage von Al Akhbar hieß es seitens der Friedrich-Ebert-Stiftung, man sehe keinen Grund, die libanesische Regierung über die Projekte zu informieren.