Leitartikel13. Januar 2023

Lützerath: Ein grünes Fanal

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Nun hat sie also begonnen, die Räumung des Weilers Lützerath bei Erkelenz im nordrhein-westfälischen Braunkohlegebiet. Nachdem die Bewohner des Dorfes bereits zwischen 2006 und 2022 ausgesiedelt wurden, gehört das Gelände nun dem Energiekonzern RWE, welcher den Braunkohletagebau Garzweiler um dieses Areal ausdehnen will.

Nach vereinzelten Versuchen von Einwohnern, sich gegen die Enteignung durchzusetzen, waren es zum Schluß nur noch angereiste Umwelt- und Klima-Aktivisten, die durch ihre Anwesenheit und unterschiedlichste Arten von aktivem und passivem Widerstand versuchten, die Räumung durch ein massives Polizeiaufgebot zu behindern.

Während ein Vertreter der sogenannten »Gewerkschaft« der Polizei in der ARD jammerte, die Beamten seien 12 Stunden auf den Beinen und müßten sich auch noch den Widerstand antun, machten Fotos und Videos in sozialen Netzwerken die Runde, in denen eindeutig zu sehen war, daß friedliche Aktivisten teils mit »Schmerzgriffen« zur Aufgabe bewegt werden sollen. Gleichzeitig wurde im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, und nicht etwa in den privat-konservativen TV-Angeboten hausfrauenschreckartig immer wieder betont, daß sich »Antifa-Aktivisten« vor Ort befänden, von denen Gewalt zu erwarten sei.

Eine äußerst tendenziöse Berichterstattung also, die allerdings nicht nur die Polizeigewalt übersieht, sondern auch, wie die steuerfinanzierte Exekutive eines Staates die Interessen eines Großkonzerns durchsetzt, dessen fossiles Gebaren sich auch im Angesicht der Klimakatastrophe nicht geändert hat. Dazu gehört etwa, daß RWE Gefangenentransporter zur Verfügung stellt, die dann von der Polizei mit festgesetzten Personen befüllt und dem nordrhein-westfälischen Steuerzahler in Rechnung gestellt werden.

Dazu gehört, daß sich die in Regierungsverantwortung befindliche Partei Bündnis90/Die Grünen mit 2023 gleich fünf Landtagswahlen vor der Brust einiges an Kritik aus den vermeintlich eigenen Reihen anhören muß. Die Aktivisten sind sauer und werfen der Partei vor, Klimaschutz zu plakatieren, doch nach den Wahlen nun Handlanger von RWE zu sein. Der Lützerath-Kompromiß, nach welchem dieser Weiler abgebaggert werden soll, um fünf andere Dörfer in der Umgegend vor dem gleichen Schicksal zu bewahren, sei ein Witz. Der grüne Bundesvorsitzende Nouripour hatte zuvor von einem Kompromiß gesprochen »mit dem man leben kann«.

Die Gegner des Braunkohleabbaus erklärten, es handele sich um Augenwischerei, da genauso viel CO2 ausgestoßen werde, wie bei einem Kohleausstieg in 2038.

Unterdessen läßt sich gut auf Rußlands Angriffskrieg schieben, was eigentlich RWE zu Profiten dienen soll. Jahrzehntelang wurde eine Energiewende verpaßt oder unterdrückt. Gleichzeitig zeigt sich nach der Polizeigewalt in Lützerath ein weiteres Mal, mit welchen Mitteln die Staatsgewalt Konzerninteressen durchsetzt, als am Mittwoch etwa Journalisten gedrängt wurden, unliebsame Fotos zu löschen.

Maßnahmen, wie das Festkleben auf Straßen, wovon auch berufstätige MIndestlöhner auf dem Weg zur Arbeit betroffen sind, die man mit anderen Maßnahmen vielleicht für die Sache gewinnen könnte, sind durchaus schwierig zu verstehen. Nichts falsch zu verstehen hingegen gibt es an den Protesten in Lützerath, wo ein Konzern für die Maximierung seiner Gewinne unter dem Vorwand der Energie-Sicherung die Zukunft unserer Kinder und des Planeten aufs Spiel setzt. Gleichzeitig ist eine grüne Partei, die an anderer Stelle nicht müde wird, die Bürger in CO2-Schranken zu weisen, der Handlanger der Konzerne. Wann begreifen es auch die letzten, daß die grüne Farbe einer Partei nicht automatisch grüne Politik bedeutet?