Ausland10. Februar 2024

Keine Ehre unter Dieben

Von den USA mißachtet und vom eigenen Wirtschaftskrieg getrieben, verspricht die deutsche Bundesregierung neue Milliarden für Konzerne

von Vincent Cziesla

Wenigstens haben sie Autobahnen gebaut, soll man später einmal sagen können. Kaum war der Kriegshaushalt in trockenen Tüchern, begann für die aus Trier stammende stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Verena Hubertz, die Arbeit am Vermächtnis der deutschen Bundesregierung. Im »Deutschlandfunk« warb sie für die Einrichtung eines »Deutschlandfonds«, der »massiv privates Kapital« heben soll. Das könne dann »auch mal für die Infrastruktur investiert werden«. Als potentielle Geldgeber brachte Hubertz Großanleger und »Pensionskassen«, also private Versicherungskonzerne, ins Spiel. Das sei »ein sehr kluger Vorschlag«, lobte sie sich selbst für ihre Idee, die Reste der öffentlichen Infrastruktur an das Finanzkapital zu verscheuern.

Wer privates Kapital »aktivieren« möchte, muß seine Vermehrung in Aussicht stellen. Wer bestimmt zukünftig, was gebaut wird? Wer zahlt für den Profit? Über das »Geschäftsmodell« müsse noch gesprochen werden, sagte Hubertz. Daß die Investitionen Rendite einbringen, versprach sie schon einmal vorab. »Wir sind ja keine Planwirtschaft.«

Der »Deutschlandfonds« war nur der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Reihe von radikal kapitalfreundlichen Vorschlägen, die im Bundestag ihren Anfang nahmen. Soeben war jeder Euro dreimal umgedreht worden, um die Rekord-Rüstungsausgaben zu finanzieren. Der Kahlschlag für Bauern und Arbeitslose, Kinder und Gesundheit war durchgesetzt, als der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck ans Pult trat. »Zu Recht« würden die Unternehmen »Tax Credits« wollen. Als Umfang schwebte ihm ein »Wachstumschancengesetz mal 10, vielleicht mal 50« vor. Zur Einordnung: das angesprochene Gesetz soll Konzernen Steuereinsparungen von rund sieben Milliarden Euro einbringen. Um seine Steuersenkungen zu finanzieren, schlug Habeck ein neues »Sondervermögen« vor.

Davon wollte Finanzminister Christian Lindner von der FDP jedoch nichts wissen. Steuererleichterungen wolle er zwar auch, aber keine neuen Schulden. Deshalb regte er an, den Solidaritätszuschlag, der nur Kapitalgesellschaften und Spitzenverdiener betrifft, zu streichen. Der so gereichte goldene Löffel sollte nach den Vorstellungen des Finanzministers durch weitere Kürzungen im Haushalt refinanziert werden.

Daß die deutsche Bundesregierung nicht einmal eine Anstandswoche vergehen ließ, um von den Sozialkürzungen für Alle zu Milliardengeschenken für Wenige überzugehen, hat seine Gründe. Am Dienstag vergangener Woche halbierte die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihre Konjunkturprognose für Deutschland. Mit einer erwarteten Wachstumsrate von 0,3 Prozent bildet die Bundesrepublik das Schlußlicht unter den westlichen Industriestaaten. Ein Grund für die ungebrochene Krisenstimmung sei das große Gewicht der energieintensiven Industrie hierzulande, erläuterte »tagesschau.de«.

Dieses Problem wird jedoch weder durch einen »Deutschlandfonds« noch durch Steuersenkungen gelöst. Helfen würde es, den Wirtschaftskrieg gegen Rußland zu beenden. Allen diplomatischen Verwerfungen zum Trotz, hatte sich die russische Regierung als verläßlicher Lieferant erwiesen, was Habeck, Scholz und Co. nicht davon abhielt, auf extrem umweltschädliches Flüssiggas (LNG) aus Übersee zu setzen.

Die Tragweite dieser Entscheidung zeigte sich vor einer Woche, als USA-Präsident Joseph Biden ein Moratorium für die Genehmigung von LNG-Exporten verhängte.

Am 26. Januar wurde gemeldet, die US-Regierung habe angekündigt, ausstehende Genehmigungen für den Export von Flüssiggas (LNG) auf Eis zu legen. Es solle untersucht werden, wie sich Exporte auf Energiekosten, die Energiesicherheit der USA und auf die Umwelt auswirken, hieß es in einer Mitteilung des Weißen Hauses. Dies gelte für Exportprojekte in alle Länder, mit denen die USA kein Freihandelsabkommen haben – die Staaten der Europäischen Union gehören dazu.

Auch Verträge mit Deutschland sind davon betroffen. Dabei hatte die Bundesregierung ja gerade auf wachsende Exporte der USA und mittelfristig sinkende Preise für EU-Länder spekuliert, als sie sich selbst von der Pipeline-Versorgung aus dem Osten abschnitt. Zwischen dem 1. Januar 2023 und dem 25. Januar 2024 bezog Deutschland nach Angaben des Energiewirtschaftsverbands (BDEW) den weitaus größten Teil seines LNG (83 Prozent) aus den USA.

Das billige Gas bleibt nun absehbar in den USA. Der ehemalige Standortvorteil liegt beim transatlantischen Konkurrenten.

Beim Versuch, Rußland zu ruinieren, plündern das deutsche Monopolkapital und seine Regierung die eigene Bevölkerung und werden dabei selbst von Washington über den Tisch gezogen. Es war nicht alles schlecht, wird es einmal heißen. Es kommt nur darauf an, wen man fragt.