Ausland15. April 2009

Marschieren für den Frieden

Mehrere zehntausend Menschen gingen für Abrüstung, gegen Krieg und Atomwaffen auf die Straße

An den diesjährigen Ostermärschen der deutschen Friedensbewegung für Abrüstung und eine atomwaffenfreie Welt beteiligten sich in über 70 Städten mehrere zehntausend Menschen. Die Teilnehmerzahl von etwa 30.0000 an den traditionellen Veranstaltungen habe insgesamt über denen des Vorjahres gelegen, teilte das Ostermarschbüro am Montag in Frankfurt am Main mit.

An der größten Aktion nahmen im Norden des Landes Brandenburg rund 12.000 Menschen teil. Sie protestierten am Sonntag in Fretzdorf mit ihrer 17. Osterwanderung gegen den von der Bundeswehr geplanten Bombenabwurfplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide.

In der Kyritz-Ruppiner Heide will die Bundeswehr auf einem 14.000 Hektar großen Areal an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern Tiefflüge trainieren und Übungsbomben abwerfen. Seit 17 Jahren kämpfen Anwohner, Tourismusbranche und Landesregierungen dagegen. Zuletzt hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg Ende März einen Ausbau des einstigen sowjetischen Truppenübungsplatzes zu Deutschlands größtem Luft-Boden-Schießplatz untersagt. Zu der Osterwanderung in Fretzdorf hatte wie in den Vorjahren die örtliche Bürgerinitiative »Freie Heide« aufgerufen.

Bereits am Samstag waren in der BRD mehrere tausend Menschen auf die Straßen gegangen. Ostermärsche und Kundgebungen fanden unter anderem in Berlin, Düsseldorf, Duisburg, München, Bremen, Oldenburg und Augsburg statt. Zum Abschluß der diesjährigen Ostermärsche demonstrierten am Montag in Dortmund, Frankfurt am Main, Hamburg, Chemnitz und Kassel erneut tausende Bundesbürger.

In Köln starteten die »Motorradfahrer ohne Grenzen« zu einer Friedensfahrt, sie protestierten auch gegen die Einbindung der Post-Pakettochter DHL in die Bundeswehrlogistik. In Braunschweig waren Kriegsgegner mit Fahrrädern unterwegs. Im Eichsfeld trafen sich am Montag Ostermarschierer aus Wehnde (Thüringen) und Duderstadt (Niedersachsen) zu einer Kundgebung an der früheren deutsch-deutschen Grenze.

Politischer Schwerpunkt der Ostermärsche war der Protest gegen die Teilnahme der Bundeswehr am Afghanistan-Krieg und gegen die NATO als Kriegsbündnis. Im Mittelpunkt mehrerer Kundgebungen stand auch die Forderung nach Abschaffung aller Atomwaffen. Begrüßt wurde von einigen Rednern die Ankündigung von US-Präsident Barack Obama, sich für atomare Abrüstung stark zu machen. Kritisiert wurde der US-Präsident jedoch wegen seiner Afghanistan-Politik. Von der deutschen Bundesregierung wurde gefordert, für den Abzug der noch in Deutschland vorhandenen Atomwaffen zu sorgen. Kampf gegen die Atomwaffen gehöre zu den ureigenen Themen der Friedensbewegung, so der Bundesausschuß Friedensratschlag. Nach offiziell nie bestätigten Informationen befinden sich auf dem Gelände eines Fliegerhorstes im rheinland-pfälzischen Büchel noch rund 20 US-Atombomben.

Auf dem Frankfurter Römerberg erinnerte der Gießener Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter daran, daß der damalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow bereits 1987 die Vision einer atomwaffenfreien Welt bis zum Jahre 2000 beschworen hatte. Ohne das Engagement der Friedensbewegung sei auf Ankündigungen führender Politikern jedoch kein Verlaß, wie die Vergangenheit beweise. Vor dem Kasseler Rathaus beklagte der Schauspieler und Friedensaktivist Rolf Becker vor rund 600 Teilnehmern, daß Deutschland in den vergangenen zehn Jahren mit Jugoslawien, Afghanistan, Irak und Gaza an vier Kriegen direkt oder indirekt beteiligt gewesen sei. Der katholische Theologe Eugen Drewermann sprach sich am Montag für die Abschaffung der NATO aus. Bei dem Heide-Ostermarsch in Sachsen-Anhalt sagte er vor rund 300 Menschen in Stendal, das Militärbündnis sei ein Instrument der US-amerikanischen Hegemonialpolitik.

Trotz des traditionellen Charakters der fast 60 Jahre alten Bewegung beteiligten sich zunehmend junge Menschen an den Aktionen, erklärte das Ostermarschbüro. Den Initiativen sei es gelungen, mit ihren örtlichen Aktivitäten nahtlos an die zentralen Aktionen vor einer Woche gegen den NATO-Gipfel in Straßburg anzuknüpfen.

Die Ostermarsch-Bewegung hat ihren Ursprung in den 1950er Jahren in Großbritannien. Der erste Ostermarsch in der BRD fand 1960 statt. Nach einem Abflauen der Proteste wurde die Bewegung 1982 mit der Debatte über die NATO-»Nachrüstung« wiederbelebt. (Agenturen/jW/ND/ZLV)