Ausland19. Juni 2025

Frankreichs Sozialisten weit entfernt von erneuter Regierungsfähigkeit

Zerstrittene PS-Lager fanden auf Parteikongreß keinen Kompromiß

von Ralf Klingsieck, Paris

Der 81. Kongreß der französischen Sozialistischen Partei am vergangenen Wochenende in Nancy endete mit einem Eklat. Es konnte kein Kompromiß für den bereits fertig ausgearbeiteten Entwurf eines Regierungsprogramms und eines gemeinsamen Appells an die Franzosen gefunden werden.

Dem vor Tagen mit knapper Mehrheit zum Ersten Sekretär wiedergewählten Olivier Faure gelang es nicht, angesichts der für 2026 und 2027 bevorstehenden Kommunal-, Präsidentschafts- und Parlamentswahlen den PS wieder zusammenzuführen und damit zur früheren Regierungsfähigkeit zurückzufinden. Faures Appell, die politische Linie der Sozialistischen Partei nicht auf Mélenchon und LFI zu reduzieren, so wichtig die Abgrenzung von den populistischen und linksradikalen Kräften auch sei, verhallte ohne Wirkung.

Seine Gegenspieler in der Partei, die fast genauso viele Mitglieder hinter sich wissen wie der Parteivorsitzende selbst, forderten von Faure ultimativ eine schriftliche Erklärung, daß er sich »unter keinen Umständen« noch einmal auf eine Union mit Mélenchon und LFI einlassen werde. Das lehnte der Parteichef mit der Begründung ab, daß das eine unangemessene Aufwertung der radikalen Kräfte wäre und den Eindruck aufkommen ließe, die Sozialisten seien durch Mélenchon und LFI »psychologisch dominiert«.

Dieses Thema ist verantwortlich für den Niedergang der Partei, den Austritt zahlreicher PS-Politiker, die von außen gegen ihre ehemalige Partei polemisieren, und für den Mitgliederschwund von 90.000 im Jahre 2012 auf heute nur noch etwa 40.000.

Zwar rief Faures Gegenspieler, der Bürgermeister von Rouen Nicolas Mayer-Rossignol, von der Tribüne des Kongresses aus zu »Befriedung«, »Sammlung« und »Zusammengehen« auf, gleichzeitig ließ er es nicht an Seitenhieben gegen Faure fehlen, dem er »fehlendes Charisma« und »mangelnde Führungsstärke« vorwarf.

Dabei hat Olivier Faure bei der Suche nach Partnern für eine neue Union der Linken – ohne Mélenchon und LFI – bereits einige Erfolge zu verzeichnen. Aufgeschlossen zeigen sich sowohl die Grünen und die Kommunisten sowie auch verschiedene linke Gruppierungen. Dazu gehören beispielsweise die von dem Philosophen Raphael Glucksmann gegründete und geführte Bewegung Place publique oder der Kreis um den Abgeordneten François Ruffin, der sich enttäuscht und verbittert von seinem früheren Idol Jean-Luc Mélenchon und von La France insoumise abgewandt hat.

Mit diesen linken Partnern stimmt Faure – und somit offiziell auch der PS – überein, daß zur Ermittlung eines repräsentativen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2027 eine interne Vorauswahl stattfinden sollte, an der sämtliche Mitglieder aller beteiligten Parteien und Formationen teilnehmen können. Das lehnt Mayer-Rossignol ab, der statt dessen anstrebt, daß die Sozialistische Partei aus ihren Reihen einen – möglichst sozialdemokratisch orientierten – Politiker als Kandidaten nominiert und eventuellen Partner-Parteien und -Organisationen anbietet, sich dieser Kandidatur anzuschließen.

Der Graben zwischen den durch Faure und Mayer-Rossignol angeführten beiden großen Lagern in der Partei – die dritte, durch den Fraktionsvorsitzenden Boris Vallaud angeführte Strömung spielt dagegen kaum noch eine Rolle – läßt bei nicht wenigen Sozialisten die Befürchtung aufkommen, daß es zu einem erneuten Auseinanderbrechen der Partei kommen könnte wie bereits einmal vor reichlich 100 Jahren. Auf dem Parteikongreß von Tours Ende Dezember 1920 ging es darum, sich der Zweiten oder der Dritten Internationale anzuschließen, und entsprechend zerfiel damals die Sozialistische Partei in die kleine Partei SFIO und die viel größere Kommunistische Partei.