Das Schicksal der Armata Italiana in Russia
120.000 Italienische Soldaten marschierten an der Seite der Hitlerwehrmacht in den Tod. Eine Warnung an die neuen Ostlandreiter
Nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die UdSSR am 22. Juni 1941 setzte Italiens faschistischer Diktator Mussolini bereits vier Tage später zur Unterstützung der Wehrmacht ein Expeditionskorps an die Ostfront in Marsch. Es bestand zunächst aus drei Divisionen der 8. Italienischen Armee und erhielt die Bezeichnung Corpo di spedizione italiano in Russia – CSIR (Italienisches Expeditionskorps in Rußland). Insgesamt zählte das Korps 62.000 Mann, darunter eine Abteilung von 600 Schwarzhemden, der italienischen SS.
Die Wehrmacht erlitt in der Schlacht vor Moskau und beim Vormarsch auf Stalingrad Verluste von 1,1 Millionen an Menschen, Gefallenen und Vermißten. Allein bei der Heeresgruppe Mitte waren Ende Dezember 1941 23 Infanterie-, 11 Panzer- und vier motorisierte Divisionen nicht mehr gefechtsbereit. Hitler forderte zur Ersetzung der deutschen Verluste 20 weitere italienische Divisionen. Mussolini kam dem jedoch nur mit der Entsendung von acht weiteren, darunter zwei Gebirgsjäger-Divisionen, aus dem Bestand der 8. Armee nach. Im Vergleich mit Ungarn, das 800.000 Soldaten schickte, Finnland 600.000 und Rumänien mit 500.000, fiel Italiens Hilfstruppe geringer aus.
Schlecht ausgerüstet
Das so aufgestockte Expeditionskorps wurde in Armata Italiana in Russia (ARMIR) umbenannt. Diese Armee war unzureichend motorisiert, verfügte über keine modernen Panzerverbände, nur 19 leichte Panzerwagen, besaß nur knapp 900 Geschütze, 52 Fliegerabwehrkanonen, 300 Panzerabwehrkanonen und 64 Flugzeuge. Aus deutschen Beständen wurden ihr 54 Panzerabwehrkanonen zugeteilt. Wie den Wehrmachtsverbänden fehlte auch den Italienern eine ausreichende Winterausrüstung.
Der »Duce« war Hitlers Forderung nur widerwillig gefolgt, denn die Kriegsziele waren unterschiedlich. Während es dem »Führer« vordergründig um die Eroberung von »Lebensraum im Osten« ging, war Mussolinis Ziel die Vorherrschaft Italiens im Mittelmeerraum und die Eroberung von Kolonien in Afrika. Mit dem deutschen Einmarsch in Wien am 12. März 1938 waren die Beziehungen schwer belastet worden. Denn Mussolini hatte Österreich als Sprungbrett für seine Einflußsphäre, den Balkan, betrachtet. Danach lehnte er eine Teilnahme am Krieg gegen Polen ab. Aber in dem am 22. Mai 1939 unterzeichneten »Freundschafts- und Bündnisvertrag«, dem »Stahlpakt«, hatte sich Italien – ganz gleich aus welchen Gründen – zum gegenseitigen Beistand bei »kriegerischen Verwicklungen mit einer anderen Macht« verpflichtet. Zwar hatte Mussolini in einer Note geltend gemacht, militärische Konflikte in Europa bis 1943 unbedingt zu vermeiden, da Italien darauf nicht vorbereitet sei. Aber Hitler hatte das, wie bereits beim Überfall auf Polen und danach gegen Frankreich und de Nenelux-Länder, nicht von seinen Zeitplänen abgehalten.
Zweifel am Sieg
Mussolini beschlichen bereits zu dieser Zeit Zweifel am Sieg der Wehrmacht im Osten. Am 1. Dezember 1942 äußerte er gegenüber Göring bei dessen Besuch in Rom, »daß auf die eine oder andere Weise das Kapitel des Krieges gegen Rußland, der keinen Zweck mehr hat, abgeschlossen werden müsse«, um Kräfte für den Kampf gegen die Anglo-Amerikaner im Westen und im Mittelmeerraum zu gewinnen. Sein Schwiegersohn, Außenminister Graf Ciano, der am 18./19. Dezember im Führerhauptquartier »Wolfsschanze« empfangen wurde, übermittelte Hitler den Standpunkt des »Duce«, ob es zur Vermeidung eines Zwei-Fronten-Krieges nicht möglich sei, mit Rußland zu einer Lösung der Art »neuer Brest-Litowsk-Friede« zu kommen. Hitler entgegnete, das strategische Hauptziel bleibe, »den bolschewistischen Koloß zu zerschlagen«. Mussolini fügte sich, und so ging die ARMIR ihrem Schicksal entgegen.
Schwere Verluste
Am Don wurde den Italienern zwischen Truppen aus Ungarn und Rumänien im Bestand der deutschen Heeresgruppe B ein 270 Kilometer breiter Frontabschnitt zugewiesen. Es war ein für ihre Personalstärke viel zu breiter Abschnitt, auch dann noch, als die Gebirgsjäger nicht im Kaukasus eingesetzt wurden, sondern am Don verblieben.
Hier traf die Verbände der ARMIR die volle Wucht der am 19. November 1942 zur Entlastung der Front um Stalingrad einsetzenden Offensive der Roten Armee. Bis zum 22. Dezember wurden die Italiener zusammen mit deutschen und ungarischen Truppen bei eisiger Kälte in die verschneite Donezsteppe getrieben und eingekesselt. Dabei ließ das deutsche Kommando die Satellitenverbände in den vordersten Stellungen »die ersten Schläge« auffangen.
Bis Ende Januar 1943 wurden elf faschistische Divisionen, darunter die meisten italienischen Verbände, zerschlagen. Von 229.00 Mann bezahlten rund 120.000 italienische Soldaten und 4.300 Offiziere den Marsch nach Osten mit Tod. Bis auf ein paar Tausend Überlebende, die nach Italien zurückkehrten, geriet der Rest in Gefangenschaft. Die ARMIR hörte faktisch auf zu bestehen.
Ihrem Schicksal überlassen
Während des Rückzuges in der verschneiten Steppe überließen die deutschen »Verbündeten« die Italiener erbarmungslos ihrem Schicksal, versagten ihnen »stets jegliche Hilfe, bemächtigten sich aller verfügbaren Kraftfahrzeuge, ließen unsere Verwundeten ohne Transportmittel, ohne Nahrungsmittel und ohne erforderliche Versorgung zurück«, hieß es in einem Bericht des italienischen Generalstabes. Der Bericht, der in Italien unter Soldaten und Offizieren bekannt wurde, steigerte antideutsche Ressentiments, die aus dem Ersten Weltkrieg herrührten, als Italien 1915 auf die Seite der Entente wechselte. Seitens Berlins setzte sich das im Zweiten Weltkrieg fort, in dem die Italiener nie als »vollwertige« Verbündete angesehen wurden.
Schon in dem von Rommel kommandierten deutsch-italienischen Afrika-Korps hatte, wie der renommierte Militär-Historiker Gerhard Schreiber einschätzte, gegenüber den Italienern »rassistischer Tenor« geherrscht, und für Rommel verkörperten die Italiener »eben kein Kriegsvolk«. Diese Haltung steigerte sich nach dem Sturz Mussolinis im Juli 1943 dazu, die Italiener als »niedere Wesen« zu diffamieren und den »Duce« als Chef dieses »lächerlichen, aufgeblasenen italienischen Imperialismus« zu titulieren. Die von Hitler ausgehende Legendenbildung, »dem Achsenpartner die Schuld am Verlust des Ostfeldzuges« zu geben, begann bereits nach den italienischen Niederlagen in Griechenland im Oktober 1940/März 1941 und setzte sich gegenüber der ARMIR fort, die noch bevor sie Ende 1942 von der Roten Armee zerschlagen wurde, als ein »lendenlahmer Bundesgenosse« gesehen wurde.
Das Schicksal der ARMIR trug dazu bei, daß Träger der faschistischen Diktatur – Industriekreise und Militärs – in Italien zu der Erkenntnis gelangten, daß in den Schlachten an Wolga und Don der »Mythos von der Unbesiegbarkeit« der Hitlerwehrmacht unterging und der Krieg nicht mehr zu gewinnen war. Nach Stalingrad folgte am 13. Mai 1943 bei Tunis die Kapitulation des 250.000 Mann starken Afrika-Korps. Nach der Landung der Alliierten am 9. Juli auf Sizilien stürzten die Palastverschwörer am 24./25. Juli Mussolini und bildeten unter Marschall Pietro Badoglio eine Regierung, die mit der Kapitulation am 8. September mit der faschistischen Achse brach und mit der Kriegserklärung an Hitlerdeutschland am 13. Oktober 1943 auf die Seite der Anti-Hitler-Koalition übertrat.
Ein Fazit und eine Warnung
229.000 Soldaten waren es, die Italiens faschistischer Diktator Mussolini 1941 an der Seite der Hitlerwehrmacht an den Don schickte. Noch bevor die Reste der 300.000 Mann zählenden 6. Armee von Generalfeldmarschall Paulus zwischen dem 31. Januar und dem 2. Februar 1943 im Kessel von Stalingrad kapitulierten, hatte die ARMIR dieses Schicksal bereits ereilt. Im November/Dezember 1942 war sie von der Roten Armee bei eisiger Kälte in die verschneite Donezsteppe getrieben, eingekesselt und danach größtenteils zerschlagen worden.
Die Niederlagen, die die Wehrmacht seit August 1942 in den Schlachten zwischen Don und Wolga erlitt, leiteten die Wende im Zweiten Weltkrieg ein.
Das Ende am 8. Mai 1945 in Berlin ist bekannt. Es sollte den neuen Ostlandreitern, die in Washington und Brüssel, Berlin, Kiew und wo sie sonst noch, wie jetzt wieder mit dem mit dem Säbel rasseln, ein Warnung sein. Rußlands Antwort werde »schnell und hart sein«, warnte Präsident Putin kürzlich. Wer Rußland provoziere, werde es »auf eine Art und Weise bereuen, wie noch nie«.