An der Seite der Macht
Macht wird im Kapitalismus nicht gewählt, sondern vererbt. Das gilt auch für die geballte Medienmacht von Bertelsmann, Europas größtem und einflußreichsten Medienkonzern. Dessen absolute Herrscherin ist spätestens seit 2009, als ihr Mann Reinhard Mohn das Zeitliche segnete, Liz Mohn, der Premier Xavier Bettel am Montag in Berlin das Komturkreuz im Orden der Eichenlaubkrone des Großherzogtums Luxemburg verlieh.
Das geschah einer Mitteilung des Pressedienstes der Regierung zufolge »aufgrund besonderer Verdienste um die Weiterführung und Vertiefung der Beziehungen zwischen dem Staat Luxemburg und der Bertelsmann-Gruppe, die besonders durch die in Luxemburg gegründete RTL Group verkörpert werden«. Die mit 53 TV- und 28 Radiostationen größte Werbesenderkette Europas wird nämlich genauso von Bertelsmann kontrolliert, wie der Zeitschriftenriese Gruner+Jahr (»Stern«, »Capital«, »Geo«, »Brigitte« und ca. 100 weitere Titel plus eine 25-prozentige Beteiligung am »Spiegel«) und der weltgrößte Buchverlag Random House.
Der 1835 von Carl Bertelsmann gegründete Verlag machte zunächst in religiösen Gesangbüchern, wurde aber erst während des Faschismus groß. Zwischen 1933 und 1945 verachtfachte Bertelsmann seinen Umsatz. Allein »Flieger am Feind«, das 1934 zum »Weihnachtsbuch der Hitlerjugend« gekürt wurde, verkaufte sich im zweiten Jahr der Nazidiktatur 124.000 Mal. Später kamen gut 20 Millionen Feldpostbüchlein für die Wehrmacht hinzu, womit Bertelsmann in diesem Marktsegment sogar den Zentralverlag der Nazipartei überholte.
Seine braune Vergangenheit hielt die britische Militärregierung nicht davon ab, dem Verlag ab Juni 1945 Aufträge für den Druck von Schulbüchern zu geben, erst als 1947 die NSDAP-Mitgliedschaft von Ursula Mohn ans Licht kam, wurde deren Bruder Reinhard Mohn vorgeschoben, der so seine Karriere als Konzernerbe starten konnte.
Der frühere Wehrmachtsoffizier baute den mittelständischen Verlag zu einem global agierenden Konzern aus. Das geschah ab 1984 mittels des von BRD-Kanzler Kohl durchgedrückten Privatfernsehen, mit dem die Medienmogule Kirch und Mohn zu Multimilliardären gepäppelt wurden. An RTL plus, dem ersten Privatsender der BRD, beteiligten sich Bertelsmann und Gruner+Jahr mit 40 Prozent.
Mohns größter Coup aber war es, als er 1977 die Bertelsmann-Stiftung gründete. Damit sicherte er nicht nur die dauerhafte Macht seiner Familie über den Konzern (die Stiftung hält 77,6 Prozent der Kapitalrechte, die Familie Mohn weitere 19,1 Prozent). Das als gemeinnützig anerkannte Machtkonstrukt entwickelte sich gleichzeitig zur maßgeblichen politischen Denkfabrik Deutschlands. Viele sehen in ihr ein Netzwerk, in dem entscheidende Weichen für die Entwicklung nicht nur in der BRD gestellt werden.
So geht »Hartz IV«, die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe unter der Regierung Schröder, auf das Stiftungsprojekt »Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe« zurück, und auch die Einführung von Studiengebühren an deutschen Hochschulen wurde von der Bertelsmann-Stiftung »wissenschaftlich« vorbereitet.
Liz Mohn, die zusammen mit der anderen deutschen Medienfürstin Friede Springer frühzeitig Angela Merkel förderte, wurde von ihrem verstorbenen Gatten beauftragt, ihre ererbte Macht nach eigenem Gutdünken ihrerseits weiterzuvererben. Das wird sich erst dann ändern, wenn es in der entscheidenden gesellschaftlichen Sphäre, der Wirtschaft, demokratisch zugeht.
Oliver Wagner