Müssen Einwanderer ohne Arbeit ausgewiesen werden?
»Eine zu hohe Belastung für den Staat«?
Wir leben in beschwerlichen Zeiten, und die rechtskonservative Ausrichtung der Landespolitik trägt allmählich dazu bei, dass der soziale Frieden in Luxemburg zunehmend infrage gestellt wird.
Da ist einerseits der Umgang mit Obdachlosen, den sozial Abgehängten und den Flüchtlingen, denen vollmundig versprochen wurde, dass die neue Regierungskoalition entschieden gegen die Armut und deren Ursachen vorgehen werde. Das einzige, was die Frieden-Bettel-Koalition aufzuweisen hat, ist die Zerschlagung der Caritas und die Überführung deren Hauptaktivitäten zu HUT, einem de-facto Sozialdienstleistungsunternehmen, offiziell ohne Gewinnzweck.
Andererseits ist der reale »Platzmangel« in den Aufnahmestrukturen des nationalen Aufnahmeamtes (ONA) ein weiterer Beweis für die politische Kurzsichtigkeit der letzten Jahre. Letzteres unterstreicht zudem die politische Unfähigkeit, sich der Fluchtursachen anzunehmen. Dass dies auch dem kapitalistischen System geschuldet ist, hat vorrangig damit zu tun, dass die hiermit verbundenen Dienstleistungen für maximale Profite gewitzter »Anbieter« sorgen.
Nun reicht es den politischen Entscheidungsträgern offensichtlich nicht mehr, nur Obdachlose und Flüchtlinge zu stigmatisieren, weshalb jetzt ebenfalls Bürger der Europäischen Union, sofern sie Sozialleistungen beziehen, zur Ausreise gezwungen werden könnten.
Alles im Einklang mit gültigem Recht
Man darf hierüber etwas verwundert sein, doch eine solche Ausweisung entspricht den geltenden Gesetzen. Das Einwanderergesetz datiert von 2008 und fundiert auf der EU-Direktive (2004/38/EG). Das heißt, dass EU-Bürger mit einem kürzeren Aufenthalt als fünf Jahren von den Behörden als »unzumutbare Belastung« für unser Sozialsystem betrachtet werden dürfen.
Doch wie geht dies konkret vonstatten? Laut dem »Verein zur Unterstützung eingewanderter Arbeitnehmer« (ASTI) beginnt für die Betroffenen die Ausweisungsprozedur mit einem Brief der Generaldirektion für Einwanderung, die dem Innenministerium unterstellt ist. Diese Maßnahme, so ASTI, ist den meisten allerdings kaum bekannt, weshalb sich Betroffene dann auch kaum zur Wehr setzen können. Es wird auch deutlich darauf hingewiesen, dass die Zielpersonen Einwohner sind, die vom Staat Sozialhilfe beziehen, wie beispielweise das Einkommen zur sozialen Eingliederung (REVIS).
Wann kommt es zur Anwendung der Maßnahme? Der Bescheid, mit welchem dem Betroffenen die Ausweisung angeordnet wird, kommt immer dann, wenn »jemand« entschieden hat, dass die Unterstützung eine zu hohe Belastung für den Staat ist. Nach Erhalt des Bescheids muss die Person das Land binnen 30 Tagen verlassen haben.
Hilferufe auch von den Sozialdiensten
Dass unter diesen Umständen bei der ASTI die Telefone heiß laufen, ist nachvollziehbar. Wenn sich dann aber auch die Sozialdienste von der ASTI erklären lassen müssen, was es insgeheim mit diesem Vorgang auf sich hat, muss es erlaubt sein, auf die klaffende Informationslücke hinzuweisen. Wenn nämlich die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut, ist auch der gute Ruf der Behörden schnell ruiniert.
Es sollte noch betont werden, dass es in diesem konkreten Maßnahmepaket nur um die Nichteinhaltung von Einwanderungsregeln geht. Es gibt hier keinen Zusammenhang mit kriminellen Handlungen. Interessant ist auch die Feststellung, dass die Inanspruchnahme von Sozialleistungen für sich alleine kein ausreichender Grund für eine Ausweisung ist.
Wie geht man beim ONA vor? Hier muss man feststellen, dass es der Behörde gar nicht mal um die Dauer der Beschäftigung der betroffenen Person geht. Vielmehr wird hier festgestellt, wieviel und wie lange die Person beispielsweise den REVIS erhalten hat und wie lange sie im Land wohnt. Man wird auch nicht gezwungen, in sein Heimatland zurückzukehren, es reicht sich »hinter« der Landesgrenze niederzulassen. Ist der von Ausweisung Betroffene also nicht mehr »ansässig«, behält er das Recht, sich frei in Luxemburg zu bewegen.
Leben in Luxemburg ist eben teuer
Wichtig ist in diesem Kontext auch, dass ein Bürger der Europäischen Union jederzeit sein Aufenthaltsrecht wiedererlangen kann, wenn er die im Gesetz von 2008 enthaltenen Bedingungen erfüllt.
Eigentlich sollte es reichen, nachweisen zu können, dass man über ausreichende Existenzmittel (Geld) verfügt. Was genau ist damit gemeint? Als Voraussetzung gilt entweder der Nachweis einer bezahlten Beschäftigung oder eben als Selbstständiger tätig zu sein. Mit diesen Einnahmen kann er sich und gegebenenfalls die Familie ernähren, ohne Sozialhilfe oder die Krankenversicherung in Anspruch zu nehmen.
Und so ist auch die Lösung des Problems vermeintlich einfach: Wer einen Job hat oder Unternehmer ist, sollte in der Regel bleiben dürfen, weil ja die »Mittel« vorhanden sind. Ungeachtet dieser Feststellung findet die ASTI, dass diese Maßnahme ungerecht sei, dies auch oder gerade weil es sich hierbei um eine Direktive der Europäischen Union handelt. Eigentlich, so zumindest die Position der ASTI, sollte es im Sinne des »europäischen Gedankens« jedem Bürger der EU erlaubt sein, sich frei zu bewegen und Sozialhilfe im Aufnahmeland zu erhalten, während er nach einer Beschäftigung sucht.