Vor 50 Jahren
Epischer Handschlag der »Brüder im All«
Sojus-Apollo-Gemeinschaftsraumflug
Vor nunmehr 50 Jahren trafen sich am 17. Juli 1975 beim ersten sowjetisch-amerikanischen Gemeinschaftsraumflug eine Sojus- und eine Apollokapsel im Erdorbit und dockten miteinander an. Schätzungsweise 1 Milliarde Erdenbürger verfolgten damals weltweit vor den Fernsehbildschirmen die Direktübertragung der Begrüßung zwischen den beteiligten zwei sowjetischen Kosmonauten und drei Astronauten aus den USA. Es kam zu einem ersten eindrucksvollen, historischen Händedruck rund 225 Kilometer über der Erde zwischen dem Kosmonauten Alexej Archipowitsch Leonow und dem Astronauten Thomas »Tom« Stafford, welcher in einer leicht unscharfen Schwarz-Weiß-Foto-Aufnahme festgehalten wurde und in die Geschichte einging.
Das Kopplungsmanöver war ein durchaus gefährlicher Moment: Nie zuvor konnte das zylinderförmige Verbindungsmodul, welches die Sojus- und Apollokapseln miteinander verband, in der Schwerelosigkeit getestet werden und es mußte auch als Schleusenkammer dienen, denn die Luftgemische der Raumschiffe waren verschieden. Die Raumfahrer wechselten durch ein speziell angefertigtes Dockingmodul hindurch zwischen den beiden Raumfahrzeugen hin und her.
Der gemeinsame erfolgreiche Gruppenflug dauerte insgesamt 47 Stunden und wurde zu einem Symbol für die »Verbrüderung« im Weltall der sich, vor 50 Jahren, noch ziemlich verfeindet gegenüberstehenden Supermächten USA und UdSSR. Jener einmalige Gemeinschaftsraumflug einer US-amerikanischen Apollo- und der sowjetischen Sojus-Raumkapsel hatte damals vor allem politische Bedeutung in einer ersten Phase der Entspannung zwischen den Weltmächten.
Hohe technische Herausforderungen
Schon Ende der 1960er Jahre nahmen die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) und die Vereinigten Staaten von Amerika erste Verhandlungen über einen gemeinsamen bemannten Weltraumflug auf. Zwei systemverschiedene Kapseln sollten mit ihren andersartigen Systemen im Erdorbit zusammengekoppelt werden. Primäres Ziel war zum einen, den Kosmonauten und Astronauten eine Gelegenheit zu schaffen, um gemeinsam wissenschaftliche Experimente im Weltraum durchzuführen. Zum anderen wollten sich die Techniker und Ingenieure aber auch über die Weltraumtechnologie austauschen, besonders auf dem Gebiet der Sicherheit. Damals hatten beide Weltraumagenturen verheerende Pannen und erste Todesfälle von Raumfahrern zu beklagen.
Nach drei Jahren intensiver theoretischer und praktischer Forschungstätigkeit auf beiden Seiten waren die Vorbereitungen im Jahre 1975 abgeschlossen. Als Kernstück der offiziell »Apollo-Sojus-Test-Project« (ASTP) getauften Expedition galt die Entwicklung und der Bau eines neuartigen Kopplungsadapters, der es ermöglichte, die Sojus und die Apollo im Orbit miteinander zu verbinden. Das entwickelte Dockingmodul wog 2 Tonnen bei einem Durchmesser von 1,4 Meter und 3,15 Meter Länge. Entwicklung und Bau des Moduls kosteten damals insgesamt 250 Millionen US-Dollar.
Erfahrene Besatzungen
Die sowjetische Weltraumagentur wählte für das Rendezvous im All mit Alexej Leonow als Sojus-Kommandanten und seinem Flugingenieur Kubassow zwei erfahrene und besonders befähigte Kosmonauten aus. Der Oberst der sowjetischen Luftstreitkräfte Leonow hatte zehn Jahre zuvor Geschichte geschrieben, als er im März 1965 an Bord von »Woschod-2« den ersten historischen »Weltraumspaziergang« unternahm. Der Ingenieur Waleri Nikolajewitsch Kubassow war mit der »Sojus-6« im Oktober 1969 an den komplizierten Flugmanövern mit gleich drei sowjetischen Raumschiffen beteiligt und hatte als erster Kosmonaut Schweißexperimente außerhalb der Erdatmosphäre durchgeführt.
Die Apollo-Crew bestand aus den Astronauten Thomas Stafford, Kommandant, sowie Donald Slayton und Vance Brand. Für den Luftwaffen-General Stafford war es bereits der vierte Flug ins All mit insgesamt fast 300 Stunden Raumflugerfahrung aus den Expeditionen »Gemini 7«, »Gemini 9« und »Apollo 10«, mit der er schon den Mond umkreist und die damalige Mondfähre bis auf 14 Kilometer an die Oberfläche des Erdtrabanten heranmanövriert hatte.
Am 15. Juli 1975 startete gegen 13.20 Uhr MEZ zunächst die »Sojus-19« vom damals noch geheimen sowjetischen Kosmodrom Baikonur. Die Menschen in der Sowjetunion konnten zum ersten Mal ein solches Ereignis direkt im Fernsehen verfolgen. Die »Sojus-19« erreichte eine 230 Kilometer hohe Umlaufbahn und wartete auf die »Apollo«, die erst am Abend mit einer »Saturn 1B« vom Kennedy-Raumfahrtzentrum in Florida abhob und in eine 150 bis 170 Kilometer hohe Umlaufbahn gebracht wurde. Mehr als zwei Tage lang umkreisten die beiden Raumfahrzeuge separat die Erde und überprüften jeweils ihre technischen Systeme.
Während der Annäherungszeit mußte die »Apollo« in sehr komplizierten Flugmanövern das mitgeführte neue Koppel-Aggregat aus der Schutzhülle der Trägerrakete herausziehen und sich mit diesem fest verbinden, so daß die »Sojus«-Kapsel nur noch einzurasten brauchte. Wegen des höheren Leistungsvermögens machte sich dabei die Apollokapsel zuerst auf den Weg zur kraftstoffzehrenden »Suche« nach der »Sojus«. Erst am 17. Juli wurden »Sojus« und »Apollo« auf die gleiche orbitale Höhe von 222 Kilometer gebracht und während des 36. Orbits koppelten die zwei Raumschiffe gegen 17 Uhr MEZ erfolgreich sanft aneinander. Die Umlaufbahn lag bei 52° Neigung gegen den Äquator, die Umlaufzeit betrug 88,4 Minuten.
Mit Kohlsuppe aus der Tube
Weltweit wurde das Kopplungsmanöver von insgesamt 23 Kontrollstationen zwischen Kamtschatka und Tananarive verfolgt und mitgesteuert. In den Kontrollzentren im US-amerikanischen Houston saßen sowjetische Flugingenieure an Computermonitoren und US-amerikanische Experten hatten in Moskau Arbeitsplätze eingerichtet. Die fünf schwebenden Raumfahrer konnten sich problemlos untereinander während der Kopplung verständigen, mußten sie doch schon auf Erden in über 1.000-stündigen Kursen die Sprache ihrer jeweiligen Weltraumbrüder pauken, damit es im All nicht zu fatalen Mißverständnissen kommt.
Der Kopplungs-Adapter bestand seine Bewährungsprobe auf Anhieb. Die stabile mechanische Verbindung zwischen den beiden beteiligten Raumfahrzeugen diente nicht nur als Durchstiegs-Tunnel, sondern ebenso als Luftschleuse. Diese war notwendig, um die Kosmonauten und Astronauten während einer 20 Minuten dauernden Anpassungszeit beim Umsteigen an die jeweils verschiedenen Atmosphärenzusammensetzungen zu gewöhnen. Die Apollokapsel enthielt reinen Sauerstoff, die Sojus dagegen eine Sauerstoff/Stickstoff-Luftverbindung wie auf der Erde, aber unter 0,67 bar Druck. Besonders die Entwicklung dieser komplizierten Luftschleuse verschlang viele hochqualifizierte Arbeitsstunden und eine Unmenge von Forschungsgeldern.
Nach der Kopplung und Überprüfung der jeweiligen Systeme konnten sich die Luken der Kapseln endlich öffnen und Kosmonauten wie Astronauten, »brüderlich« vereint, sich gegenseitig begrüßen und Grußworte der jeweiligen Staatschefs verlesen. Anschließend begannen wissenschaftliche Arbeiten. Zwei Tage lang flogen die drei Astronauten und die beiden Kosmonauten der beiden Kapseln aneinander gedockt gemeinsam um die Erde. Leonow und sein Bordingenieur Kubassow luden die US-amerikanischen Kollegen zu Kohlsuppe aus der Tube in die »Sojus«-Kapsel ein. Dann besuchten sie Stafford sowie Brand und Slayton in der »Apollo«.
Nach 44 Stunden Gemeinschaftsflug trennten sich die beiden Kapseln wieder. Am 21. Juli leiteten Leonow und Kubassow das Landemanöver ein und landeten nach insgesamt 96 Erdumkreisungen sicher und wohlbehalten in der kasachischen Steppe. Staffort, Slayton und Brand schwebten noch drei weitere Tage im All und wasserten nach 138 Orbits am 24. Juli im pazifischen Ozean.
Friedliche Eintracht im Weltall
Leider fand der hoffnungsvolle Auftakt der ersten Annäherung und Zusammenarbeit in der bemannten Raumfahrt zwischen den beiden Raumfahrtmächten lange Zeit keine Fortsetzung. Mit Nachdruck setzen sich die damaligen Raumfahrtlegenden gemeinsam für eine friedliche Zusammenarbeit im Kosmos ein und dafür, daß das All nicht für militärische Zwecke genutzt werde. Erst 20 Jahre später reichten sich 1995 beim Besuch der US-amerikanischen Raumfähre »Atlantis« bei der russischen Weltraumstation »Mir« Astronauten und Kosmonauten erneut die Hand. Seit Beginn der Zusammenarbeit an der gemeinsamen »Internationalen Raumstation« (ISS) kam es jedoch zu einer dauerhaften und bis heute anhaltenden, friedlichen Eintracht im Weltall.
Auf die zwischenmenschlichen Beziehungen der Raumfahrer auf der ISS scheint sich die heutige Krise nicht auszuwirken. Sie bewältigen ungeachtet der politischen, irdischen Unstimmigkeiten weiterhin ihre vielfältigen Aufgaben und feiern diese Woche zusammen den 50 Jahre alten Händedruck. Auch die persönliche Freundschaft zwischen Leonow und Stafford, die sich im All die Hände schüttelten, hielt bis zu deren Tod. Ein Enkel Staffords heißt sogar Alexej und eine Enkelin Leonows ist wiederum nach der Tochter des Astronauten benannt.
Der epische, historische Handschlag der einstigen »Brüder im All« bleibt jedoch der Menschheit erhalten und ist für die Ewigkeit.