Das Sterntaler-Märchen nach E. Schneider
Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und waren lauter blanke Taler; und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.
Brüder Grimm, Die Sterntaler
Die Sterntaler, respektive »wirtschaftliche Aktivität und Wachstum«, die sich der sozialdemokratische Wirtschaftsminister vom »Weltraumbergbau« an der Seite der USA und der Arabischen Emirate verspricht, werden auf absehbare Zeit ausbleiben; das Gold, das vom Himmel fällt, wird noch für viele Jahrzehnte ein Märchen bleiben.
Es stimmt zwar, daß die Oberflächen einiger Asteroiden (Reste, die vor viereinhalb Milliarden Jahren bei der Entstehung unseres Sonnensystems übrig geblieben sind) deutlich höhere Konzentrationen von Edelmetallerzen oder auch Seltenerdmetallen aufweisen als die Oberfläche unseres Planeten, doch in Barren liegen Gold und Platin dort auch nicht herum.
Man müßte also hinfliegen und auf den »sternähnlichen« Objekten landen, was bei ziemlich kleinen Körpern wegen der geringen Anziehungskraft gar nicht so einfach ist. Dann muß man dort in den Boden graben und das wertvolle Material vom Rest trennen – das ist richtiger Bergbau mitsamt der anschließenden Verhüttung.
Man kann aber keine Bergleute dorthin schicken. Denn Flüge mit Menschen zu solchen Körpern sind derzeit nicht möglich und würden viele Milliarden Euro (oder Dollar) kosten. Also müßten das Roboter machen, Bergbauautomaten. Am Ende müßte dann noch eine Kapsel das gewonnene Material zur Erde bringen. Auch das hat seine Tücken, weil die meisten Asteroiden in unserem Sonnensystem zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter um unser gemeinsames Zentralgestirn kreisen, und der Erde kaum näher als 300 Millionen Kilometer kommen – das ist fast tausendmal so weit weg wie der Mond.
Das US-amerikanische Unternehmen Planetary Resources, das laut Wirtschaftsminister Schneider darüber nachdenkt, einen Ableger in Luxemburg zu gründen, behauptet allen Ernstes, Asteroiden ließen sich »abschleppen« und in einer Umlaufbahn um unseren Mond »parken«. Doch es wäre sehr, sehr energieaufwendig, einen durchs All rasenden Steinbrocken abzulenken oder gar »einzufangen«.
Himmelskörper lassen sich nur sehr schwer aus ihrer Bahn bringen. So hat das »Wall Street Journal« errechnen lassen, daß das »Umparken« eines winzigen Asteroiden mit einem Durchmesser von sieben Metern 2,6 Milliarden Dollar kosten würde.
Schneiders Pläne werfen auch juristische Fragen auf. So herrscht unter Völkerrechtlern die Meinung vor, der auch von Luxemburg ratifizierte Weltraumvertrag aus dem Jahr 1967 verbiete – neben den ausdrücklich genannten Staaten – auch Privatkonzernen, sich Himmelskörper in irgendeiner Form anzueignen und dort möglicherweise befindliche Rohstoffe zu erschließen. Mitsamt ihren Ressourcen werden Planeten, deren Monde, Asteroiden, Kometen und Meteoroiden in dem UNO-Abkommen zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt.
Die 200 Millionen Euro, die die Regierung bereits in »Spaceresources.lu« gesteckt hat, wären – von einem weiteren Aufrüstungsprojekt abgesehen – wohl fast überall besser aufgehoben gewesen als bei den Milliardären aus dem Silicon Valley, die hinter Konzernen wie Planetary Resources oder dem bereits in Luxemburg vertretenen Deep Space Industries stehen.
Oliver Wagner