Ausland03. September 2024

Freundschaft mit China statt Schulterschluß mit den USA

Vietnam läßt sich nicht gegen die Volksrepublik in Stellung bringen, das bezeugt auch der Besuch To Lams in Peking

von Jörg Kronauer

An Symbolik ließen es die Kommunistischen Parteien Vietnams und Chinas nicht mangeln, als To Lam, seit dem 22. Mai 2024 Präsident Vietnams, seine erste Auslandsreise nach seiner zusätzlichen Ernennung zum Generalsekretär der KPV am 3. August antrat. Daß die Reise ihn nach China führte, war ein gewichtiges Signal, das den hohen Stellenwert der bilateralen Beziehungen zwischen Hanoi und Peking betonen sollte.

Am 18. August traf To Lam zunächst in der südchinesischen Metropole Guangzhou ein, in der in den 1920er Jahren Ho Chi Minh revolutionäre Aktivitäten entfaltet hatte; im dortigen damaligen Hauptquartier der vietnamesischen Revolutionären Jugendliga äußerte er: »Möge die Freundschaft zwischen Vietnam und China auf ewig andauern.« In Beijing, wo er anschließend eintraf, wurde er mit 21 Salutschüssen empfangen – der höchsten Ehrung für einen auswärtigen Staatsgast –, bevor er mit seinem Amtskollegen Xi Jinping sowie mit weiteren Spitzenfunktionären wie etwa Ministerpräsident Li Qiang zusammenkam. Dann besuchte er die Gedenkhalle für Mao Zedong, wo er Chinas Unterstützung für Vietnams Unabhängigkeitskampf hervorhob. Die Botschaft war klar: Unter To Lam sollen die KPV mit der KPCh und Vietnam mit China gedeihlich und verläßlich kooperieren.

Selbstverständlich ist das nicht. Zwischen Vietnam und China besteht eine traditionelle Rivalität, die die beiden Staaten 1979 gar in einen Krieg gegeneinander trieb. In den 1980er Jahren lieferten sie sich bewaffnete Auseinandersetzungen um Inseln im Südchinesischen Meer und noch vor wenigen Jahren drohte ihr Konflikt um Hoheitsrechte in dem Gewässer gefährlich zu eskalieren.

Die USA suchen sich dies zunutze zu machen; sie sind bemüht, Vietnam in ihrem Machtkampf gegen China an sich zu binden. Mehrfach sind US-amerikanische Flugzeugträger in Vietnam zu Besuch gewesen; 2018 nahmen Vietnams Streitkräfte erstmals am Pazifikmanöver RIMPAC der USA teil, und darüber hinaus unterhalten beide Seiten seit Jahren einen sogenannten Sicherheitsdialog. Bei einem Besuch von USA-Präsident Joseph Biden im September 2023 in Hanoi werteten sie ihre Beziehungen sogar zu einer Umfassenden Strategischen Partnerschaft auf. Schon zuvor hatte Vietnam dies mit Japan, Südkorea, Australien und Indien getan – sämtlich Staaten, die im Konflikt mit China an der Seite der USA stehen. Rund zehn Tage vor To Lams Chinareise hatten die Küstenwachen Vietnams und der Philippinen darüber hinaus zum ersten Mal gemeinsame Übungen im Südchinesischen Meer durchgeführt.

Trotz alledem raten westliche Denkfabriken ihren Regierungen seit einiger Zeit, sich nicht allzu große Hoffnungen auf einen Schulterschluß mit Vietnam gegen China zu machen: Das Land werde an seinen »Vier Nein« festhalten, hieß es zuletzt immer wieder – es werde keine Militärbündnisse eingehen, keine auswärtigen Militärstützpunkte zulassen, keine Gewalt gegen fremde Staaten anwenden, außer zur Verteidigung, sowie in Konflikten zwischen den Großmächten für keine Seite Partei beziehen.

Die »Vier Nein« bekräftigte To Lam bei seinen Gesprächen in Beijing in der Tat; und er hob zusätzlich hervor, China sei ein herausragender Kooperationspartner bei der sozioökonomischen Entwicklung Vietnams. Das trifft zu: Die Volksrepublik ist längst größter Handelspartner des Landes und einer seiner wichtigsten Investoren, zumal diverse chinesische Unternehmen ihre Produktion nach Vietnam verlegt haben, um einseitige Sanktionen und Strafzölle der USA zu umgehen. In den steigenden Exporten des Landes in die USA steckt, wenn man so will, immer mehr China.

Hanoi bleibt also dabei: Es kooperiert, ganz im Sinne echter Multipolarität, mit allen; das bezieht, nebenbei, auch Rußland ein, dessen Präsident Wladimir Putin Mitte Juni zu einem Besuch in Hanoi eingetroffen war.

Die KPV räumt zugleich, dies bestätigte jetzt To Lams Chinareise, der Zusammenarbeit mit der KPCh besondere Bedeutung ein. So einigten sich die Ho-Chi-Minh-Nationalakademie für Politik und die Zentrale Parteihochschule der KPCh jetzt, ihre Kooperation zu intensivieren. Vietnam wird auch weiterhin mit den USA und weiteren westlichen Staaten gemeinsame Aktivitäten entfalten. Gegen China in Stellung bringen lassen will es sich aber nicht.