Ausland20. April 2021

Die Kraft des Beispiels

Raúl Castro zieht eine Bilanz. Bericht des Zentralkomitees an den 8. Parteitag der kubanischen Kommunisten

von ZLV

 

In Havanna wurde am Freitag der 8. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) eröffnet – an einem bedeutsamen Datum in der Geschichte Kubas, dem Jahrestag der Proklamation des sozialistischen Charakters der Kubanischen Revolution durch Fidel Castro am 16. April 1961, bei dessen Rede zum Gedenken an die Opfer der Bombenangriffe auf Luftwaffenstützpunkte am Vortag. Diese Angriffe waren der Auftakt einer Invasion von Söldnern in der Bucht von Playa Girón, der Schweinebucht, organisiert und finanziert von der Regierung der USA, um das Beispiel der Kubanischen Revolution zu zerschlagen und die neokoloniale Herrschaft über die Insel wiederherzustellen.

Der Parteitag sollte am Montag beendet werden, an dem Tag, an dem Kuba auch des 60. Jahrestages des Sieges über die Söldnerexpedition gedenkt, der in weniger als 72 Stunden von den Kämpfern der Rebellenarmee, der Polizei und Milizionären errungen wurde, die unter Führung von Fidel den Invasoren keinen Augenblick Aufschub gewährten und erstmalig ihr Blut zur Verteidigung des Sozialismus vergossen. Die Schläge der kubanischen Sicherheitsorgane gegen konterrevolutionäre Gruppen, die als »fünfte Kolonne« im Lande agierten, trugen entscheidend zum Sieg über die Contras bei.

Mit dieser Erinnerung an den Beginn des Aufbaus der sozialistischen Ordnung und an die erste militärische Niederlage, die der USA-Imperialismus in Lateinamerika einstecken mußte, begann der Erste Sekretär der ZK der PCC, Raúl Castro, seine Ansprache an die 300 Delegierten, eine Zahl, auf die die direkte Teilnahme am Kongreß angesichts der Pandemie beschränkt wurde. Sie vertreten mehr als 700.000 Mitglieder der PCC, die in etwa 58.000 Parteigruppen organisiert sind.

Der Redner wies aus aktuellem Anlaß zugleich darauf hin, daß die Invasion von Playa Girón Teil des »Programms für verdeckte Aktionen gegen das Castro-Regime« war, das von Präsident Eisenhower, einem Republikaner und kommandierenden General im Kampf gegen die deutschen Faschisten, in Kraft gesetzt worden war und das die Schaffung einer militanten Opposition in Kuba, psychologische Kriegsführung, Pläne zur Ermordung der wichtigsten Revolutionsführer, die Sabotage wirtschaftlicher Ziele und terroristische Aktionen in den Städten sowie die Förderung bewaffneter konterrevolutionärer Banden vorsah.

Raúl Castro erinnerte sodann an die Proklamation der Verfassung der Republik am 10. April 2019, die eine Aktualisierung eines Großteils der Gesetze und anderer rechtlicher Bestimmungen erforderte, wofür die Nationalversammlung der Volksmacht den entsprechenden Gesetzgebungsplan verabschiedet hat. Seitdem hat das kubanische Parlament elf Gesetze verabschiedet, die das Funktionieren und die Organisation der wichtigsten Strukturen des Staates und der Regierung sicherstellen sollen. Der Staatsrat seinerseits erließ 33 Gesetzesverordnungen.

Der politische Wille, sich um die Gesundheit der Bevölkerung zu kümmern

Der Kampf gegen die Pandemie wird in Kuba gemäß einem am 30. Januar 2020 beschlossenen nationalen Plan geführt, der aktualisiert und mit den in den verschiedenen Phasen gesammelten Erfahrungen angereichert wurde. Dieser Plan beinhaltet sektorübergreifende Handlungen mit Einbeziehung der Organe der zentralen Staatsverwaltung, der Massenorganisationen und der aktiven Beteiligung der Bevölkerung, insbesondere der Jugend. »Seine größte Stärke ist der politische Wille, sich um die Gesundheit der Bevölkerung zu kümmern«, betonte Raúl Castro, und fügte hinzu: »Die bisher erzielten Ergebnisse sind nur in einer sozialistischen Gesellschaft, einem freien und zugänglichen universellen Gesundheitssystem mit kompetenten und engagierten Fachleuten möglich.«

Im Ergebnis der Tätigkeit von Wissenschaftlern und Experten bei der Entwicklung von Forschung und durch Innovationen arbeite Kuba derzeit intensiv an der klinischen Erprobung von fünf Impfstoffkandidaten, die dazu dienen könnten, die gesamte kubanische Bevölkerung zu immunisieren und einen Beitrag zur Gesundheit anderer Nationen zu leisten.

Der Erste Sekretär betonte sodann, daß die kubanische Wirtschaft »in den letzten fünf Jahren angesichts der Hindernisse, die durch die verschärfte Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade der Vereinigten Staaten entstanden sind, Widerstandskraft bewiesen hat, was es ermöglichte, die wichtigsten Errungenschaften der Revolution in den Bereichen öffentliche Gesundheit, Bildung und soziale Sicherheit aufrecht zu erhalten, ohne auf die gesetzten Entwicklungsziele und die solidarische Unterstützung anderer Nationen zu verzichten«.

Das Eigentum des ganzen Volkes an den grundlegenden Produktionsmitteln

»Um dieses Szenario unumkehrbar zu transformieren«, sei es notwendig, »den Prozeß der Aktualisierung des Wirtschafts- und Sozialmodells dynamischer zu gestalten, um eine adäquate Kombination des zentralisierten Charakters der Planung mit der notwendigen Autonomie und Dezentralisierung auf den Zwischen- und Basisebenen des Unternehmenssystems und der lokalen Regierungen zu fördern«. Raúl Castro verwies in diesem Zusammenhang auf »Grenzen, die wir nicht überschreiten können, weil die Folgen unumkehrbar wären und zu strategischen Fehlern und der eigentlichen Zerstörung des Sozialismus und damit der nationalen Souveränität und Unabhängigkeit führen würden«.

»Es darf nie vergessen werden, daß das Eigentum des ganzen Volkes an den grundlegenden Produktionsmitteln die Grundlage der wirklichen Macht der Arbeiter ist.« Die kommunistische Partei werde niemals zulassen, daß in Kuba »Schocktherapien gegen die ärmsten Schichten der Bevölkerung« angewendet werden, deshalb werde niemand hilflos zurückgelassen.

»In Bezug auf die Umsetzung der Leitlinien und der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Partei und der Revolution kann man sagen, daß sich der Trend des Fortschritts im Allgemeinen konsolidiert; allerdings gibt es immer noch gewisse Mängel bei der Planung, Organisation, Steuerung und Überwachung der Prozesse und in einigen Fällen langsame und späte Reaktionen zur Korrektur von Abweichungen sowie das Fehlen eines umfassenden Ansatzes und Weitblicks hinsichtlich des Niveaus der Risiken und Mängel. Die Maßnahmen der Schulung und sozialen Kommunikation haben die erforderliche Aktualität, Qualität und Reichweite vermissen lassen«, heißt es weiter in der Rede.

Treu den Traditionen

»Die Statuten unserer Partei definieren sie als die Fortsetzung der Kubanischen Revolutionären Partei, die von Martí gegründet wurde, um den Kampf für die Unabhängigkeit zu führen, der Ersten Kommunistischen Partei, die von Carlos Baliño und Julio Antonio Mella gegründet wurde, und derjenigen, die aus der freiwilligen Integration der drei revolutionären Organisationen entstand, die den Kampf gegen die Tyrannei Batistas führten«, betonte Raúl Castro. »Die Existenz einer einzigen Partei in Kuba war und wird immer im Mittelpunkt der Kampagnen des Feindes stehen, der entschlossen ist, die Kubaner mit den Sirenengesängen der sakrosankten bürgerlichen Demokratie zu zersplittern und zu spalten, basierend auf der uralten Taktik des ‚Teile und herrsche.«

»Wenn wir nun aber nur eine Partei haben, müssen wir in ihrer Funktionsweise und allgemein in unserer Gesellschaft die breiteste Demokratie und einen ständigen aufrichtigen und tiefgründigen Austausch von Meinungen fördern, die nicht immer übereinstimmen, die Verbindung mit den arbeitenden Massen und der Bevölkerung stärken und die wachsende Teilnahme der Bürger an den grundlegenden Entscheidungen sicherstellen.« Die Partei habe auch »die Aufmerksamkeit für religiöse Institutionen und Bruderschaften aktualisiert, die sich zunehmend in verschiedenen Bereichen des Lebens des Landes engagieren«.

Angesichts der sich weiter verschärfenden Blockadepolitik der USA betrachtet es die Partei als notwendig, »die revolutionäre Kampfbereitschaft und Unnachgiebigkeit zu erhöhen und ihren Beitrag in der ideologischen Arbeit, der Konfrontation mit den subversiven Plänen des Feindes und der Schaffung und Festigung von Werten zu stärken«.

Der Konterrevolution fehlt die soziale Basis

Raúl Castro wies darauf hin, daß »die subversive Komponente der USA-Politik gegenüber Kuba« darauf ausgerichtet ist, die nationale Einheit zu untergraben. »In diesem Sinne werden vorrangig Aktionen durchgeführt, die sich an junge Menschen, Frauen und Akademiker, den künstlerischen und intellektuellen Sektor, Journalisten, Sportler, Menschen mit sexueller Vielfalt und Religionen richten. Themen, die für bestimmte Gruppen von Interesse sind, die mit dem Schutz von Tieren, der Umwelt oder künstlerischen und kulturellen Manifestationen verbunden sind, werden manipuliert, alles mit dem Ziel, die bestehenden Institutionen zu mißachten.

Die Aktionen der Aggression haben nicht aufgehört, mit dem Einsatz von Radio- und Fernsehsendern mit Sitz in den USA finanziert zu werden, während gleichzeitig die finanzielle Unterstützung für die Entwicklung von Plattformen zur Erzeugung ideologischer Inhalte wächst, die offen dazu aufrufen, die Revolution zu stürzen, Aufrufe zu Demonstrationen im öffentlichen Raum starten, zur Ausführung von Sabotage- und Terrorakten anstiften, einschließlich der Ermordung von Vertretern der revolutionären Macht. (…) Vergessen wir nicht, daß die USA-Regierung die ‚Arbeitsgruppe Internet für Kuba’ ins Leben gerufen hat, deren Ziel es ist, soziale Netzwerke in Kanäle der Subversion zu verwandeln, drahtlose Netzwerke außerhalb der staatlichen Kontrolle zu schaffen und Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen durchzuführen.«

»Lügen, Manipulation und die Verbreitung von gefälschten Nachrichten kennen keine Grenzen mehr. Durch sie wird ein virtuelles Bild von Kuba als einer sterbenden Gesellschaft ohne Zukunft, die kurz vor dem Zusammenbruch steht und der ersehnten sozialen Explosion Platz macht, geformt und in alle Winde verbreitet«, stellte der Redner fest. »Die Wahrheit sieht jedoch anders aus, die interne Konterrevolution, der es an einer sozialen Basis, Führung und Mobilisierungsfähigkeit mangelt, nimmt in der Zahl ihrer Mitglieder und der Anzahl der Aktionen mit sozialer Wirkung weiterhin ab und konzentriert ihren Aktivismus auf soziale Netzwerke und das Internet.

Wir sind fest davon überzeugt, daß die Straßen, Parks und Plätze den Revolutionären gehören und gehören werden, und daß wir unserem heldenhaften Volk niemals das Recht verweigern werden, seine Revolution zu verteidigen.«

Die Unmenschlichkeit des Imperialismus

Raúl Castro wies darauf hin, daß die Blockade der USA, mit der das kubanische Volk seit mehr als 60 Jahren konfrontiert ist, »die Wirtschaft und die soziale Stabilität jedes Landes zerstören können, selbst derjenigen, die reicher und mächtiger sind als Kuba«. »Es ist der umfassendste, am meisten von Ungleichheit geprägte und langwierigste Wirtschaftskrieg, der jemals gegen eine Nation entfesselt wurde. (…) Die Politik gegen Kuba, die von der vorherigen Regierung der Vereinigten Staaten entfesselt wurde, wurde gerade unter den harten Bedingungen der COVID-19-Pandemie verstärkt. Die Unmenschlichkeit des Imperialismus wurde dabei augenfällig.«

Eine besondere Rolle spiele gegenwärtig die unmoralische Kampagne gegen die internationale medizinische Zusammenarbeit Kubas. Die Tradition Kubas auf diesem gebiet sei weltweit unerreicht. »Es ist eine Anstrengung, die den moralischen Prinzipien innewohnt, auf denen die kubanische Gesellschaft aufgebaut ist. Sie beruht auf der Vorstellung, daß wir teilen, was wir haben, und nicht, was wir übrig haben.« Der Erfolg, mit Ausdauer und Engagement eine bedeutende Personalkapazität aufgebaut zu haben und über ein robustes, effizientes und nachhaltiges öffentliches Gesundheitssystem zu verfügen, verleihe Kuba die Möglichkeit, mit anderen zu teilen.

»Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist ein universelles Menschenrecht«, betonte der Redner, »und die Regierung der Vereinigten Staaten begeht ein Verbrechen, wenn sie, um uns anzufallen, die einzige Quelle medizinischer Dienstleistungen zu sabotieren beschließt, zu der Millionen von Menschen auf der Welt Zugang haben.«

Jede Perspektive einer wirklich positiven Entwicklung der Beziehungen zwischen Kuba und den USA müsse mit der Beseitigung der Wirtschaftsblockade und der entsprechenden Gesetzgebung verbunden sein. »Kuba hat erklärt und erklärt weiterhin, daß wir das Volk der USA nicht als Feind betrachten, daß politische und ideologische Unterschiede kein Hindernis für eine respektvolle und zivilisierte Beziehung zu unserem Nachbarn darstellen.«

Geordneter Übergangsprozeß

Wie geplant werde der 8. Parteitag »den Abschluß eines geordneten Übergangsprozesses der wichtigste Verantwortungen von der historischen Generation auf die neuen Generationen markieren«, bekräftigte Raúl Castro abschließend.

»Was mich angeht, beende ich meine Aufgabe als Erster Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas mit der Befriedigung, die Pflicht erfüllt zu haben und dem Vertrauen in die Zukunft des Vaterlandes mit der wohl durchdachten Überzeugung, keine Vorschläge anzunehmen, mich in höheren Ämtern der Parteiorganisation zu halten, in deren Reihen ich weiter ein weiterer kämpferischer Revolutionär sein werde, bereit bis zum Ende meines Lebens meinen bescheidenen Beitrag zu leisten.

Nichts hat mich zu diesem Entschluß gezwungen, aber ich glaube fest an die Kraft des Beispiels und an das Verständnis meiner Landleute und daß niemand daran zweifle, solange ich lebe werde ich mit dem Fuß im Steigbügel bereit sein, das Vaterland, die Revolution und den Sozialismus zu verteidigen.«