Auf großen Sohlen
Hinterließe die gesamte Weltbevölkerung den ökologischen Pro-Kopf-Fußabdruck Luxemburgs, würden acht Erden benötigt
Würde die gesamte Weltbevölkerung so leben wie in Luxemburg, dann hätte sie schon heute so viele natürliche Ressourcen verbraucht, wie bis zum Ende dieses Jahres auf der Erde nachwachsen können. Eine alljährlich vom Global Footprint Network durchgeführte Analyse des »ökologischen Fußabdrucks« kommt zu dem Schluß, daß der »Luxembourg Overshoot Day 2022« bereits am 14. Februar war – und damit einen Tag früher als im Vorjahr und zwei Tage früher als 2020.
Anders gesagt: Mit Unterstützung der vielen Grenzgänger und Tanktouristen haben die Bewohner Luxemburgs vom 1. Januar bis gestern im Durchschnitt so viele natürliche Ressourcen verbraucht, wie bis Jahresende auf unserem Planeten pro Kopf nachwachsen können. Ab heute leben wir, was die Natur angeht, sozusagen auf Pump. Das heißt: Unsere Art zu wirtschaften und zu konsumieren kostet der Erde ab heute mehr, als sie sich theoretisch leisten kann.
Der Nachhaltigkeitsindikator ökologischer Fußabdruck zeigt, daß sich die Welt im »Overshoot« befindet. Das heißt, sie verbraucht derzeit Ressourcen im Ausmaß von fast zwei Erdplaneten. Die Hauptursache für diese ökologische Überbeanspruchung ist in den Exzessen der reichen Länder zu suchen, die sich derzeit weltweit verdoppeln. Hinterließe die gesamte Weltbevölkerung den ökologischen Pro-Kopf-Fußabdruck der USA, würden vier benötigt, bei dem Luxemburgs sogar acht Erden.
In Sachen Nachhaltigkeit unterboten wurde Luxemburg nur vom Golfemirat Katar, dessen »Overshoot Day« bereits am 10. Februar war; mit knapp vier Wochen Abstand folgen die USA, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kanada, deren »Erdüberlastungstag« in diesem Jahr jeweils am 13. März ist. Österreich folgt am 23., Belgien am 26. März. Deutschland und Frankreich schneiden mit dem 4. und dem 11. Mai etwas besser ab.
Jedes Jahr zieht das Global Footprint Network Bilanz über den ökologischen Fußabdruck einzelner Länder. Dazu wird die Biokapazität der Erde – also die Fähigkeit unseres Planeten, Ressourcen zu produzieren oder zu regenerieren – mit dem Ressourcenverbrauch im jeweiligen Land verrechnet. Multipliziert mit der Anzahl an Tagen im Jahr, in der Regel 365, ergibt sich dann, ab welchem Tag die Jahresressourcen der Erde aufgebraucht sind. Die Ressourcen, die in diese Berechnungen einfließen, sind: Wasser, Holz, fruchtbare Ackerböden und andere Rohstoffe. Aber auch der angefallene Müll und in die Atmosphäre geblasene Abgase, insbesondere Kohlendioxid, spielen für die Bilanz eine erhebliche Rolle.
Von Bedeutung ist ferner, wie lang der Weg ist, den eine Ware zurückgelegt hat, bevor sie ins Supermarktregal gelangt. Eine schwedische Studie, in der ein landestypisches Frühstück mit Brot, Butter, Käse, Apfel, Kaffee, Sahne, Orangensaft und Zucker untersucht wurde, kam zu dem Schluß, daß diese Lebensmittel das Äquivalent von 40.000 Kilometern, also einmal den Erdumfang, zurückgelegt haben – vor allem wegen der unterschiedlich hohen Lohnkosten zwischen dem Norden und dem globalen Süden.
Und noch etwas fällt bei den Statistiken auf: Während die westlichen Massenmedien regelmäßig Schwellenländer wie China – und nicht die reichen kapitalistischen Staaten – als die größte Bedrohung für die Umwelt darstellen, übersteigen die chinesischen Kohlenstoffemissionen zwar in absoluten Zahlen die der USA, pro Kopf betrachtet sind sie aber weitaus geringer als die US-amerikanischen Emissionen. Entsprechend ist Chinas »Erdüberlastungstag« in diesem Jahr erst am 2. Juli – und der Kubas sogar erst am 25. November.