Lieder von R. Strauss und Mahler, gefühlvoll vollendet
Diana Damrau (Sopran), Jonas Kaufmann (Tenor) und Helmut Deutsch (Klavier) beleben die kleine Liedform mit viel Gestaltungshoheit und Ironie
Mit den beiden genannten Starsängern als abschließende Krönung der Saison bewies die Philharmonie ein sicheres Gespür, um das musikalisch Besondere in opulenter Darbietung dem großen Publikum zu eröffnen. Die bereits aus finanziellen Gründen aufgezwungene Lösung, einen reinen Kammermusikabend in den ausgedehnten Konzertsaal zu verfrachten, birgt in der Tat erhebliche Risiken, denen zum Glück in sehr hohem Maße Rechnung getragen wurde.
Wie werden sich wohl auf der prestigeträchtigen Opernbühne groß gewordene "Helden" im intimen Umgang mit dem volkstümlichen Lied verhalten? Inwiefern wird die (bereits kompositorisch) aufs Klavier reduzierte instrumentale "Begleitung" mit seinem sowohl bei Strauss als bei Mahler beeindruckenden orchestralen Facettenreichtum dem erwarteten Kunstgenuss gerecht werden? Wie versteht der Pianist den ihm zugeordneten Part, als verhaltener Kommentator oder doch als agierender Animator? Und wie wird das heutige Publikum reagieren auf Liedtexte, dessen Verfasser dem volksverbundenen Charakter einer abhanden gekommenen Epoche nahestehen und die auch nicht gerade zur großen Weltliteratur gehören?
Wie in der Oper hatte man sich hier für die simultane (originale und übersetzte) Textprojektion entschieden. Und da hört auch schon der Vergleich mit der Oper auf, es sei denn, man versteht die gleichmäßige Verteilung (bei Strauss) der Lieder zwischen der Sopranistin und dem Tenor in ihrer jeweils weiblich oder männlich gefärbten Tonalität als (durchaus gewünschte) dialogartige Bündelung in umfassendere Szenen. Aus vielen kleinen Juwelen bildet sich auf diese Art ein größeres Ganzes, das, zusätzlich zum Gesungenen, die an die dreißig Lieder in ein überragendes Verständnis und Verhältnis, mal einvernehmlich, mal konfliktbereit, und zu Gunsten einer stimmigen Dramaturgie verknüpft. Dass dabei auch genderüberschreitende Zusammenhänge entstehen (Diana Damrau zum Beispiel als nach einem weiblichen Du Verlangende), das stört ja heutzutage niemanden mehr...
Diana Damraus glockenheller Strahl und Jonas Kaufmanns wohltemperiert ansprechende Textverständlichkeit beleben das Bild des alten Deutschland, das sich in einer Zeit aufbaute, da es seine Identität fernab von den damals vorherrschenden Normen der französischen Aufklärung suchte, in seinen dunklen Mythen und seinen tiefen Wäldern. Sie führen uns durch die vielen Seelenzustände des Lebens zwischen naiver Naturverbundenheit und ironischer Distanz, zwischen Zärtlichkeit und Schnippigkeit, zwischen Heiterkeit und Beklommenheit. Und immer besticht die betörende Textverbundenheit, das unmittelbar sich Einlassen auf die wechselnden Gefühlslagen, sowie die dezent mitgestaltende Rolle des "bloß" zuhörenden Parners. Genauso wie die inspirierende Kunst eines Pianisten, der es versteht, unaufgeregt in das Geschehen einzugreifen, ohne es jedoch im Geringsten in seiner Ausrichtung zu bestimmen.
Vielleicht war es diese dezidiert stilbewusste Eingrenzung auf die ursprüngliche Vertraulichkeit des "einfachen" Liedes, die wohl etliche Anwesende in ihren überschwänglichen Erwartungen enttäuschte wenn nicht gar zu lärmendem Hustenkrachen verleitete, eine grob um sich greifende Unsitte, die vielen Musikliebhabern (und Musikanten!) gehörig die Freude verdirbt. Und das in einem Maße, dass Jonas Kaufmann, die Hand vor den Mund haltend, sich gezwungen sah, persönlich diesen Rüpeln eine Lektion zu erteilen. Trotzdem ließ sich das Trio nicht entmutigen und kam den Unkonzentrierten sogar mit drei "gefälligeren", operettenhaften Zugaben entgegen.