Ausland11. Juni 2024

Auslands-Nachrichten

von dpa/ZLV

Poker um Spitzenposten läuft

Nach der EU-Wahl hat der Poker um die künftige Besetzung von EU-Spitzenposten begonnen. Das konservative Bündnis EVP, dem auch die CSV angehört, forderte am Montag den deutschen Kanzler und Frankreichs Präsidenten auf, die Wiederwahl von Ursula von der Leyens als EU-Kommissionspräsidentin zu unterstützen. Als Gegenleistung soll es im EU-Parlament eine Zusammenarbeit geben.

Grünen-Spitzenkandidatin Terry Reintke betonte am Montag: »Wir wollen mitregieren und damit unseren Teil zur Absicherung von stabilen proeuropäischen Mehrheiten in der Europäischen Union beitragen.« Es gehe um »Wohlstand, Klimaschutz, Frieden, Freiheit und Sicherheit«. Wichtig seien ihrer Partei insbesondere »der Green Deal und die Unterstützung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit«.

Angesichts des klaren Wahlsiegs der EVP gilt es als wahrscheinlich, daß die CDU-Politikerin von der Leyen eine zweite Amtszeit als Präsidentin bekommt. Die EVP wird voraussichtlich auf 185 Sitze (zuletzt 176 von 705) und damit auf mehr als ein Viertel der nun 720 Sitze kommen. Zweitstärkstes Lager bleiben die Sozialdemokraten mit 137 Mandaten (139). Danach folgen die Liberalen, die auf 79 Sitze abrutschen (102), sowie die zwei bisherigen rechtspopulistischen Parteienbündnisse EKR und ID mit 73 (69) und 58 (49) Sitzen.

Ursula von der Leyen hat eine Zusammenarbeit mit Parteien wie der Fratelli d'Italia von Italiens faschistischer Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nicht aus geschlossen.

Neuwahlen in Frankreich

Die Entscheidung von Präsident Macron, als Schlußfolgerung aus dem Ergebnis der EU-Wahl das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzuberaumen, war selbst für seine engsten Vertrauten eine Überraschung. »Ich geben Ihnen noch einmal Gelegenheit, ihre Stimme einzusetzen, um Klarheit zu schaffen«, erklärte Macron an die Adresse der Wähler. »Ich habe Ihre Botschaft gehört und lasse sie nicht ohne Antwort«, sagte er in einer kurzen Fernsehansprache. Er löse gemäß Artikel 12 der Verfassung die Nationalversammlung auf und beraume für den 30. Juni und den 7. Juli Neuwahlen an.

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Blutbad im Gazastreifen

Mit einer Kommandooperation im palästinensischen Flüchtlingslager Nuseirat im Gazastreifen haben israelische Spezialkräfte am Samstag vier israelische Geiseln befreit. Eine Spezialeinheit der USA-Armee soll die israelischen Spezialkräfte unterstützt haben. Der Einsatz fand am Vormittag unweit eines belebten Marktes statt. Palästinensische Institutionen melden, daß bei der Aktion mindestens 274 Menschen getötet wurden. Um das Vordringen der Spezialkräfte zu unterstützen, bombardierte die israelische Armee zeitgleich aus der Luft, vom Meer und mit der Artillerie mitten in die Menschenmenge auf dem Markt und auf umliegende Häuser. Unser Foto zeigt Explosionen während des Angriffs der israelischen Spezialeinheit in Neuseirat.

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Deutlicher Trend nach Rechts

Bei den EU-Wahlen am Sonntag haben in fast allen Ländern konservative und Rechtsaußenparteien Stimmenzuwächse zu verzeichnen. Wir dokumentieren hier einige Ergebnisse, die bis zum Redaktionsschluß zur Verfügung standen. In den Agenturmeldungen werden kommunistische und andere linke Parteien, die an den Wahlen trotz großer Hindernisse teilnahmen, zumeist nicht erwähnt.

Ein 24 Jahre alter Blogger hat die EU-Wahl in Zypern auf den Kopf gestellt. Der zuvor in der Politik völlig unbekannte Fidias Panagiotou erhielt aus dem Stand 19,4 Prozent der Stimmen. Er lag damit nur wenige Prozentpunkte hinter der erstplatzierten konservativen Partei DISY (24,8 Prozent) und der kommunistischen AKEL (21,5 Prozent). Die rechtsextremistische Partei ELAM legte zwar im Vergleich zu 2019 um gut zwei Prozentpunkte auf 11,2 Prozent zu.

Mit einem klaren Erfolg hat Italiens rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni weiter an Einfluß gewonnen. Als Spitzenkandidatin ihrer Partei Fratelli d'Italia kam sie auf 28,8 Prozent der Stimmen. Verglichen mit 2019 konnte sie ihr Ergebnis mehr als vervierfachen. Auf Platz zwei kam ein Bündnis um die sozialdemokratische Partei PD mit 24 Prozent. Die linkspopulistische Bewegung Fünf Sterne unter Ex-Ministerpräsident Giuseppe Conte kam nur auf 10 Prozent. Das links-grüne Bündnis Alleanza Verdi Sinistra erreichte 6,7 Prozent. Der frühere sozialdemokratische Ministerpräsident Matteo Renzi scheiterte an der Vier-Prozent-Hürde.

In Griechenland liegt die konservative Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) mit rund 27,6 Prozent vorn. Weit abgeschlagen folgen auf Platz zwei das Linksbündnis Syriza (rund 14,6 Prozent) und die sozialdemokratischen Partei Pasok (rund 13,4 Prozent). Die nationalistische Partei Elliniki Lysi (Griechische Lösung) erreichte knapp zehn Prozent, die kommunistische Partei KKE 9,31 Prozent.

Die liberalkonservative Bürgerkoalition von Regierungschef Donald Tusk hat in Polen gewonnen. Auf sie entfielen 37,1 Prozent. Die die nationalkonservative PiS landete mit 36,2 Prozent der Stimmen auf dem zweiten Platz. Drittstärkste Kraft wurde die rechtsradikale Konfederacja mit 12,1 Prozent, das Linksbündnis Lewica erhielt 6,3 Prozent der Stimmen.

In Dänemark hat die sozialistische Volkspartei 17,4 Prozent erreicht. Die liberale Venstre-Partei büßte fast 9 Prozentpunkte ein und landete bei 14,7 Prozent der Stimmen. Die 2022 neu gegründete rechtspopulistische Partei Dänemarkdemokraten erlangte mit 7,4 Prozent der Stimmen ihr erstes Mandat.

Im kleinsten EU-Land Malta ist die sozialdemokratische Regierungspartei Labour trotz schwerer Verluste wieder zur stärksten Kraft geworden. Die Partei von Ministerpräsident Robert Abela kam auf 45,2 Prozent der Stimmen, ein Minus von neun Punkten. Die konservative PPE konnte auf 42,8 Prozent (2019: 37,9 Prozent) zulegen.

In Estland errang die konservative Partei Isamaa zwei Mandate und damit eins mehr als 2019, während die wirtschaftsliberale Reformpartei von Ministerpräsidentin Kaja Kallas einen ihrer bisherigen Sitze einbüßte. Gewinner der Abstimmung in Lettland waren die liberalkonservative Regierungspartei Jauna Vienotiba von Ministerpräsidentin Evika Silina und die nationalkonservative Nationale Allianz. In Litauen lagen die regierenden Christdemokraten von Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte vor den oppositionellen Sozialdemokraten.

Das Rassemblement Nationale um Marine Le Pen geht mit 31,36 Prozent der Stimmen als klarer Sieger aus der EU-Wahl in Frankreich hervor. Die Liste der Partei von Staatschef Emmanuel Macron und Verbündeten landete mit 14,6 Prozent abgeschlagen auf Platz zwei. Die Sozialisten schafften es mit 13,83 Prozent auf den dritten Platz. Die rechtsextreme Partei Reconquête holte 5,47 Prozent der Stimmen.

In Ungarn hat die Partei Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orbán ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei EU-Wahlen erzielt. Mit 44,6 Prozent der Stimmen blieb sie weiterhin stärkste politische Kraft, doch die neue Partei Respekt und Freiheit (Tisza) des Fidesz-Dissidenten Péter Magyar kam aus dem Stand auf 29,7 Prozent. Parallel fanden in Ungarn am Sonntag auch landesweite Kommunalwahlen statt. In den Großstädten vermochte die Opposition die 2019 errungenen Bürgermeisterposten weitgehend zu halten.

In Österreich liegen die Rechtspopulisten auf Platz eins. Die FPÖ kommt laut vorläufigem Ergebnis auf 25,5 Prozent der Stimmen. Die konservative ÖVP erreicht 24,7 Prozent. Die sozialdemokratische SPÖ folgt mit 23,3 Prozent. Die KPÖ konnte ihr Ergebnis von 0,8 auf drei Prozent steigern, scheiterte jedoch an der Vier-Prozent-Hürde.

In Deutschland haben CDU/CSU mit großem Abstand gewonnen, sie kamen zusammen auf 30,0 Prozent. Die AfD verbesserte sich deutlich auf 15,9 Prozent. Die SPD fiel auf 13,9 Prozent und damit ihr schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl zurück, die Grünen stürzten noch stärker ab auf 11,9 Prozent, die FDP erlitt mit 5,2 Prozent leichte Einbußen. Das neu gegründete linke Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kam aus dem Stand auf 6,2 Prozent, die Linke auf 2,7 Prozent.

In Slowenien hat die oppositionelle Slowenische Demokratische Partei (SDS) die Wahl gewonnen. Die Gruppierung des rechts-nationalen Ex-Ministerpräsidenten Janez Jansa vereinte 31,3 Prozent der Stimmen auf sich. Die regierende links-liberale Freiheitsbewegung (GS) von Ministerpräsident Robert Golob kam auf 21,9 Prozent der Stimmen

In Schweden haben sich die Sozialdemokraten mit 24,9 Prozent der Stimmen als deutlich stärkste Kraft behauptet. Rang zwei erreichten die Moderaten, die rechtspopulistischen Schwedendemokraten wurden nach den Grünen die viertstärkste Kraft mit 13,2 Prozent.

In Portugal liegen die oppositionellen Sozialisten knapp vorn, sie kamen auf 32,12 Prozent. Das regierende konservative Bündnis Demokratische Allianz (AD) erzielte 31,31 Prozent. Die rechtspopulistische Chega bekam 9,81 Prozent.

Die liberale Oppositionspartei Progressive Slowakei (PS) ist mit 27,8 Prozent der Stimmen klarer Sieger in der Slowakei. Die Regierungspartei Smer kam trotz großer Zugewinne im Vergleich zu 2019 mit 24,8 Prozent nur auf Platz zwei. Den dritten Platz eroberte die rechtsextreme Partei Republika mit 12,5 Prozent.

Die populistische Oppositionspartei ANO ist in Tschechien stärkste Kraft geworden. Die Gruppierung des Ex-Ministerpräsidenten und Milliardärs Andrej Babis kam auf 26,1 Prozent der Stimmen. Auf dem zweiten Platz landete mit 22,3 Prozent der Stimmen das konservative Wahlbündnis Spolu (Gemeinsam) von Regierungschef Petr Fiala.

In Kroatien hat die konservative Regierungspartei HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) die EU-Wahl gewonnen.

In Spanien ist die oppositionelle konservative Volkspartei mit 34,18 Prozent stärkste Kraft geworden. Die regierenden Sozialisten PSOE von Ministerpräsident Pedro Sánchez folgten mit 30,19 Prozent. Die rechtspopulistische Vox kam als dritte Kraft auf 9,62 Prozent. Im Sumar, der linker Koalitionspartner der PSOE, erzielte nur 4,65 Prozent und das inzwischen abgespaltene linksalternative Bündnis Podemos 3,27 Prozent.

Das »rot-grüne« Wahlbündnis aus Sozialdemokraten und Grünen hat die EU-Wahl in den Niederlanden gewonnen. PvdA und GroenLinks errangen acht der 31 Mandate. Auf Rang zwei kommt der radikal-rechte Populist Geert Wilders, dessen Partei für die Freiheit (PVV) deutlich auf sechs Mandate zulegte.

In Finnland steigerte das Linksbündnis seinen Anteil um 10,4 Prozentpunkte im Vergleich zu 2019 und landete mit 17,3 Prozent als zweitstärkste Partei hinter den Konservativen. Die konservative Sammlungspartei von Ministerpräsident Petteri Orpo blieb stärkste Kraft mit insgesamt 24,8 Prozent der Stimmen.

Schwache Beteiligung

Bern – Zur »Ukraine-Friedenskonferenz« am kommenden Wochenende in der Schweiz haben sich nach Angaben der Regierung in Bern bislang rund 40 Staats- und Regierungschefs angemeldet. Eingeladen waren rund 160. Weitere 40 Staaten seien mit anderen hohen Regierungsvertretern dabei, hieß es am Montag in Bern.

Rußland ist nicht eingeladen. China und andere Länder haben die Einladung deshalb ausgeschlagen.

Die Konferenz findet auf dem Bürgenstock statt, einem gut 1.100 Meter hohen Bergrücken direkt am Vierwaldstättersee. Dort befindet sich eine große Luxushotelanlage.

Erfolg für Flämische Rechte bei Parlamentswahl in Belgien

Brüssel – Belgien rückt weiter nach rechts. Bei der Parlamentswahl konnte die flämische Partei N-VA ihre Stellung als stärkste Kraft leicht ausbauen. Sie legte um knapp einen Prozentpunkt auf fast 17 Prozent zu. Der radikal rechte Vlaams Belang aus Flandern erreichte knapp 14 Prozent der Stimmen – fast zwei Prozentpunkte mehr als bei der vergangenen Parlamentswahl 2019. Die beiden nationalistischen Parteien schnitten auch bei der EU-Wahl am stärksten ab. Als Wahlverlierer gilt Regierungschef Alexander De Croo, der – wie üblich in Belgien – nach der Abstimmung seinen Rücktritt ankündigte.

Die linke Partei PTB/PVDA legte um 1,2 Prozentpunkte zu und erreichte knapp 9,8 Prozent. Die liberale Partei Open VLD des flämischen Regierungschefs De Croo verlor deutlich und kam nur noch auf rund 5,5 Prozent (minus 3,1 Prozentpunkte). Die Grünen verloren in beiden Landesteilen. Die Christdemokraten büßten in Flandern Stimmen ein und gewannen in der Wallonie hinzu. Bei den Sozialdemokraten war der Trend umgekehrt.

Chef der Wiederaufbau-Agentur gibt auf

Kiew – Kurz vor der dritten Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Berlin hat der Leiter der ukrainischen Agentur für Wiederaufbau, Mustafa Najem, seinen Rücktritt eingereicht. »Seit November letzten Jahres sieht sich das Team der Agentur mit ständigem Widerstand und der Schaffung künstlicher Hindernisse konfrontiert«, begründete Najem am Montag seinen Schritt.

Najem beklagte die Unterfinanzierung seiner Behörde und übermäßige Bürokratie, die Wiederaufbaumaßnahmen künstlich verzögerten. Seit der Entlassung von Infrastrukturminister Kubrakow Anfang Mai sei die weitere Arbeit unmöglich geworden. Den Ausschlag zum Rücktritt habe die von Ministerpräsident Schmigal verweigerte Genehmigung für eine Dienstreise zur Wiederaufbaukonferenz nach Berlin gegeben. Einem Medienbericht zufolge geht mit Najem ein Großteil seines Teams, was die weitere Arbeit der Agentur in Frage stellt.

Rumäniens Regierungslager bleibt in Führung

Bukarest – Bei der landesweiten Kommunalwahl in Rumänien am Sonntag hat das Regierungslager seine Vormachtstellung behauptet. Die neue, extrem rechte Partei AUR schaffte es auf Anhieb auf Platz drei. Zum Bürgermeister der Hauptstadt Bukarest wurde der parteilose Nicusor Dan wiedergewählt.

Die Partei PSD (Sozialdemokraten) von Ministerpräsident Marcel Ciolacu kommt bei den Kommunalwahlen auf 33,1 Prozent der Wählerstimmen, gefolgt von ihrem Koalitionspartner PNL (Bürgerliche) mit 26,52 Prozent. Beide Parteien konnten die meisten Bürgermeisterkandidaten in den regionalen Verwaltungsbezirkshauptstädten durchsetzen. Sie dominieren auch bei der Führung der Regionalparlamente.


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