Ausland04. Mai 2024

Nukleares Risiko Japan

Proteste gegen die Ableitung von kontaminiertem Wasser in den Pazifik

von Fritz Schumann, zur Zeit Tokio

Seit dem 22. August 2023 leitet der Betreiber des havarierten japanischen Kernkraftwerkes Fukushima Daiichi kontaminiertes Wasser in den Pazifik. Dies hatte die Regierung dem Betreiber Tokyo Electric Power Company Holding (TEPCO) genehmigt, obgleich Anrainer dagegen protestiert hatten.

Nicht nur die Inselstaaten, die im Wesentlichen vom Fischfang leben, fühlten sich politisch düpiert. Etliche Anrainer, darunter die Volksrepublik China, reagierten mit einem Importstopp japanischer Meeresfrüchte. In der letzten Aprilwoche weilte eine Abordnung der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in Japan, um Maßnahmen rund um die Einleitung des tritiumhaltigen Wassers in Fukushima zu überprüfen. Zur mehrtägigen Kontrollinspektion erklärte Gustavo Caruso, Direktor der Abteilung für nukleare Sicherheit der IAEO und Leiter der Delegation, seine Behörde werde die Wassereinleitung durch Japan weiterhin überprüfen, und zwar unabhängig, objektiv und nach wissenschaftlichen Kriterien. Der IAEO-Delegation gehörten auch Experten aus China und Südkorea an, wie NHK, Japans öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, kurz berichtete.

Die Mission der IAEO wurde allerdings von meldepflichtigen Unfällen überschattet, die deutlich machten, daß die vermeintlich sicheren japanischen Kernkraftwerke – sofern nicht extreme Erdbeben und Tsunami wie seinerzeit 2011 in Fukushima auftreten – unverändert ein beachtliches Risiko darstellen, welches über die unmittelbare Region hinausreicht. Das erklärt vielleicht, weshalb folgende Nachrichten nicht in die internationale Medien gelangten, zumal unverändert viele Staaten an dieser unsicheren Technologie festhalten und weitere Kernkraftwerke bauen.

Im Kernkraftwerk Shiga (Präfektur Ishikawa) auf der Halbinsel Noto, das nach Fukushima 2011 abgeschaltet worden war, wurde Mitte April festgestellt, daß sich im Kraftwerksblock 1 Teile des Antriebssystems gelöst hätten, mit dem Kernbrennstäbe gehoben werden. Das sei, so der Betreiber Hokuriku Electric Power Company, vermutlich Folge des Erdbebens auf der Halbinsel Noto am Neujahrstag gewesen. Es handele sich aber nicht um ein »ernstes Problem«, man werde den Zwischenfall dennoch untersuchen, auch wenn er »keine Auswirkungen auf die Sicherheit« habe. Erinnert sei daran, daß vor 25 Jahren das Kernkraftwerk Shiga minutenlang außer Kontrolle war, weil versehentlich Kontrollstäbe heraus- statt hineingefahren worden waren. Acht Jahre später gab das Unternehmen zu, Berichte darüber seinerzeit gefälscht zu haben.

Die zweite Panne trug sich am 15. April gegen 22 Uhr zu: Im Block 7 des Kernkraftwerks Kashiwazaki Kariwa (Präfektur Niigata), dessen Wiederinbetriebnahme beabsichtigt ist, gab es beim computergesteuerten Beladen des Reaktors Probleme mit einer Steuerstange. Nach dem zwölf (von 872 Kammern) mit Brennstäben gefüllt worden waren, wurde der Prozeß automatisch abgeschaltet. Wie der Betreiber TEPCO mitteilte, habe man festgestellt, daß die elektronische Überwachung »nicht richtig funktioniert« hätte, weshalb nach etwa drei Stunden der Beladungsprozeß fortgesetzt worden sei.

Da überrascht es nicht, wenn TEPCO beiläufig mitteilt, daß es am 24. April im havarierten Kernkraftwerk Fukushima einen Stromausfall gegeben habe. Das System zur Kühlung der Reaktoren sei weiterhin in Betrieb, und in den Anlagen zur Überwachung der Radioaktivität seien »keine bedeutenden Veränderungen« festgestellt worden. Vorsichtshalber habe man trotzdem die Einleitung des kontaminierten Abwassers in den Pazifik ausgesetzt. »Um 10.43 Uhr fiel die Stromquelle A aus«, teilte Tepco am Mittwoch vergangener Woche mit, ohne Details zu nennen. Angeblich sei lediglich ein Arbeiter verletzt, aber nicht kontaminiert worden.