Ausland26. Februar 2019

Hoffen auf Wandel

Im Süden der Philippinen ernennt Präsident 80-köpfige Übergangsregierung der Moros

In Südostasiens ältester Krisenregion – auf den südphilippinischen Inseln Mindanao, Basilan und Jolo – erweist sich die Suche nach tragfähigen Bedingungen für einen dauerhaften Frieden als mühselig. Neue Hoffnung hat eine Entscheidung des Präsidenten Rodrigo Duterte geweckt. Er ernannte am vergangenen Wochenende den 70-jährigen Al-Haj Murad Ebrahim zum Interimschefminister der neugegründeten »Bangsamoro Autonomen Region Muslimisches Mindanao« (BARMM). Bangsamoro, was Nation oder Land der Moros bedeutet, umfaßt jenes Gebiet, das bis 2022 von einer 80-köpfigen Übergangsregierung geleitet und sodann von einem regulär gewählten Parlament mit erweitertem Autonomiestatus geführt werden soll.

Für Murad Ebrahim bedeutet die Ernennung den vorläufigen Höhepunkt einer Karriere. Der langjährige Vorsitzende der Islamischen Befreiungsfront der Moros (MILF), der zuletzt größten und bedeutendsten Widerstandsorganisation der um Selbstbestimmung ringenden muslimischen Bevölkerung in den Südphilippinen, galt einst als gehaßt und meistgesuchter Aufständischer. Nun ist er Chefpolitiker eben jener autonomen Region, für die die MILF in langen Verhandlungen mit der Zentralregierung in Manila über zwei Jahrzehnte lang gestritten hatte.

Damit BARMM überhaupt entstehen konnte, bedurfte es der Ratifizierung des »Bangsamoro Basic Law« (BBL) durch beide Kammern des philippinischen Kongresses, des Repräsentantenhauses und des Senats. Dort sollte dieses Grundgesetz bereits während der Präsidentschaft von Benigno S. Aquino III. zwischen 2010 und 2016 unterzeichnet worden sein. Doch eine fehlgeschlagene »Antiterror«-Aktion von Eliteeinheiten der Nationalpolizei in Zentral-Mindanao Ende Januar 2015 hinterließ einen Scherbenhaufen. Der rassistisch motivierte Diskriminierung gegen Muslime kochte erneut hoch und die Unterzeichnung der bis dahin zwischen MILF und Zentralregierung ausgehandelten Abkommen mit dem BBL als Kernpunkt wurden auf unbestimmte Zeit verschoben.

Erst nach »Nachbesserungen« dieser Abkommen und neuerlichen Verhandlungen im Kongreß setzte Duterte am 26. Juli 2018 seine Unterschrift unter das zwischenzeitlich in »Bangsamoro Organic Law« (BOL) umbenannte Gesetz. Schließlich stimmten in einem am 21. Januar und 6. Februar abgehaltenen Referendum annähernd drei Millionen registrierte Wahlberechtigte mehrheitlich für die Annahme des BOL und damit gleichzeitig für BARMM. Deren Territorium umfaßt nunmehr die Provinzen Lanao del Sur, Maguindanao, Basilan, Sulu und Tawi-Tawi sowie die Städte Marawi, Lamitan und Cotabato und weitere 63 Dörfer in der Provinz Nordcotabato.
Beide Seiten zeigten sich zufrieden über diese Entwicklung, wenngleich Euphorie wegen der Rückschläge im Friedensprozeß in der Region nicht aufkommen wollte.

Duterte bekundete am Wochenende den Wunsch, daß »wir nun endlich unseren gemeinsamen Traum erfüllen, einen jahrzehntelangen bewaffneten Konflikt beizulegen und in der Region für Wachstum und Entwicklung zu sorgen«. Murad Ebrahim und Mohagher Iqbal, langjähriger Chefunterhändler der MILF mit Manila, gaben sich ebenso zuversichtlich wie zurückhaltend. Beide bekräftigten: »Wir können keinen Erfolg garantieren, doch wir werden uns dafür in höchstem Maße einsetzen.«
Spanischer und US-amerikanischer Kolonialismus (1565–1946) und interne Kolonisierung hinterließen in dieser Region viele Konflikte, die trotz zweier Friedensabkommen in den Jahren 1976 und 1996 nicht beigelegt werden konnten. Und auch heute existieren noch immer wichtige politische Kräfte und mächtige Interessengruppen, die die Durchsetzung der legitimen Belange der Moros sowie der indigenen Völker verhindern könnten.

Rainer Werning

Der Autor ist Mitherausgeber des in diesen Tagen im Berliner Regiospectra-Verlag in aktualisierter und erweiterter Auflage erscheinenden
»Handbuch Philippinen«.

Präsident Rodrigo Duterte (l.) ernannte am Freitag Murad Ebrahim (r.) zum Interimschefminister der neugegründeten »Bangsamoro Autonomen Region Muslimisches Mindanao« (Foto: AFP)