Kämpferischer Star
Martin Sheen gibt mit 85 keine Ruhe
Nur wenige Hollywood-Stars sprechen öffentlich über ihre Festnahmen. Martin Sheen hält sich damit nicht zurück. Es seien bisher etwa 60 gewesen, gab der Schauspieler und Aktivist Mitte April in dem Podcast »My Legacy« bekannt. Einen Ausschnitt aus der Gesprächsrunde mit weiteren Bürgerrechtlern und Pazifisten, die kämpferisch auf die Straße gehen und Festnahmen wegen zivilen Ungehorsams in Kauf nehmen, postete Sheen auf Instagram.
Der ergraute Hollywood-Star, der am 3. August 85 Jahre alt wird, macht bei Protestaktionen und als Schauspieler mit unermüdlicher Energie weiter. Seit den 1980er Jahren geht er auf die Straße und setzt sich gegen Kriege, Menschenrechtsverletzungen, Aufrüstung und Umweltzerstörung ein. Die Meeresschutzorganisation Sea Shepherd Conservation Society hat eines ihrer Schiffe nach Sheen benannt.
Für Schlagzeilen sorgte Martin Sheens Festnahme im Januar 2020 bei einer Klimaschutz-Demonstration in der USA-Hauptstadt Washington, als er zusammen mit seinem Kollegen Sam Waterston in Gewahrsam genommen wurde. Sie waren der Einladung von Jane Fonda gefolgt, an einem ihrer »Fire Drill«-Proteste teilzunehmen.
Mit der Oscar-Preisträgerin und Klimaschutzaktivistin Jane Fonda verbindet Martin Sheen noch mehr. In der beliebten Netflix-Serie »Grace and Frankie« (2015 - 2022) spielte er den alternden Anwalt Robert, der mit seinem Kollegen Sol (Sam Waterston) schon lange eine Liebesbeziehung hat, von der die Ehefrauen Grace (Jane Fonda) und Frankie (Lily Tomlin) zunächst nichts wissen.
Martin Sheen mußte sich anfangs mit wenig Geld durchschlagen. Ramón Antonio Gerardo Estévez war eines von zehn Kindern eines spanischen Einwanderers, seine irischstämmige Mutter starb früh. Der Vater war gegen die Schauspielpläne des Sohnes. Doch der schaffte es von der Provinzstadt Dayton im Bundesstaat Ohio zur Ausbildung nach New York.
Dort legte er sich zuerst einen neuen Namen zu. Er nannte sich nach dem Erzbischof Fulton J. Sheen, dessen »Katholische Stunde« der junge Schauspieler im Radio und Fernsehen verfolgt hatte. In New York lernte er die legendäre Dorothy Day kennen, eine radikale Journalistin, Feministin, Pazifistin und Katholikin, die den jungen Mann schon früh zum Aktivisten machte.
Mit Theaterauftritten und Filmen wie der Kriegssatire »Catch-22« und dem Triller »Pursuit« wurde Martin Sheen nach und nach als Schauspieler bekannt. Der noch unbekannte Terrence Malick holte ihn 1973 für sein Regiedebüt »Badlands« vor die Kamera. Martin Sheen und Sissy Spacek spielen ein junges, mörderisches Paar im ländlichen Amerika.
»Apocalypse Now« (1979) machte Martin Sheen dann über Nacht zum Star. In Francis Ford Coppolas Epos über den Vietnamkrieg verkörperte er den Captain Benjamin Willard, der den abtrünnigen Colonel Kurtz (Marlon Brando) ausschalten soll. Während der nervenaufreibenden Produktion im Dschungel tobten schwere Stürme, die Schauspieler gerieten an ihre körperliche und psychische Grenze, Martin Sheen erlitt einen Herzinfarkt. Die Dreharbeiten waren ein Alptraum, das Ergebnis ein Meisterwerk. Das Schreckensgemälde gewann die Goldene Palme in Cannes, bekam zwei Oscars und war für sechs weitere Oscars nominiert.
Zu dem Zeitpunkt war Martin Sheen bereits vierfacher Vater. 1961 hatte er die junge Kunststudentin Janet Templeton geheiratet, schnell kamen ihre drei Söhne Emilio, Ramon und Carlos (später Charlie) und Tochter Renée zur Welt. Sohn Charlie (59) feierte seinen Durchbruch mit dem Vietnamfilm »Platoon«. Zusammen traten Vater und Sohn für Regisseur Oliver Stone in »Wall Street« (1987) vor die Kamera. Emilio Estevez (63) drehte Filme wie »St. Elmo’s Fire«, »Young Guns« und »Men at Work«.
TV-Zuschauer kennen Martin Sheen vor allem als Jed Bartlet. In mehreren Staffeln spielte er in »The West Wing – Im Zentrum der Macht« (1999 - 2006) den fiktiven Präsidenten der USA. Bartlet ist liberal, diplomatisch und weltgewandt – Qualitäten, die der Aktivist Martin Sheen dem 2000 gewählten echten Präsidenten absprach. Der Schauspieler kritisierte damals George W. Bush und dessen Politik scharf.
Steven Spielberg holte Martin Sheen an der Seite von Leonardo DiCaprio für die Gaunerkomödie »Catch Me If You Can« (2002) vor die Kamera. Martin Scorsese gab ihm in seinem Thriller »Departed – Unter Feinden« (2006) eine Rolle. In »The Amazing Spider-Man« (2012) verwandelte sich Martin Sheen in den Onkel Ben Parker. In dem Bürgerrechtsdrama »Judas and the Black Messiah« (2021) verkörperte er den FBI-Direktor J. Edgar Hoover.
»Avatar«-Regisseur James Cameron (70) hat Martin Sheen kurz vor dessen 85. Geburtstag ein neues Projekt übertragen. Der Schauspieler vertont das Hörbuch »Ghosts of Hiroshima« (von Charles Pellegrino), das Cameron später verfilmen will. Das Anfang August erscheinende Buch befaßt sich mit den Folgen der Atombombenabwürfe der USA auf Hiroshima und Nagasaki. Mit Martin Sheen als Sprecher des Hörbuchs habe sich für ihn ein Traum erfüllt, sagte Cameron im Mai dem Filmportal »Deadline.com«. Einem so düsteren Thema würde Martin Sheen die nötige »Ernsthaftigkeit und Menschlichkeit« verleihen.